Tierschutzrelevante Inhalte in sozialen Netzwerken

Welpe schaut traurig und süss in die Kamera

Eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) über den Umgang mit Haustieren in sozialen Netzwerken ging kürzlich in die nächste Runde. Die Umfrage der TiHo soll Aufschluss darüber geben, inwieweit vermeintlich lustige Tiervideos in sozialen Netzwerken tatsächlich ein grosses Thema für den Tierschutz darstellen.

Rundum Dog durfte ein Interview mit den Verantwortlichen der Studie, Frau Dr. Michaela Fels und Frau Alina Stumpf, führen. Sie geben uns exklusive Einblicke in das Projekt, das klein startete und inzwischen grössere Ausmasse annimmt.

Kein Like fuer Tierleid

Das Projekt mit dem Motto #KeinLikefürTierleid begann im Juni 2022. Förderer sind das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und die Volkswagen Stiftung. Die Überlegungen der TiHo über ein „modernes Tierschutzthema“, das noch nicht „bearbeitet“ ist, fingen jedoch schon früher an.

Frau Dr. Fels: 2020 habe ich gemeinsam mit einer Kollegin eine Analyse von Tiervideos auf YouTube und Facebook durchgeführt. Und ich war schockiert über die tierschutzrelevanten Inhalte, die sich da fanden.

Es fanden weitere Recherchen statt, die zur Publikation in einer Fachzeitschrift führten. Die Verantwortlichen verfolgten dazu die Verbreitung eines Beispiel-Videos im Rahmen der vielleicht einigen bekannten „Cat vs. Cheese“ Challenge nach. Es verbreitete sich binnen kürzester Zeit auf sämtlichen Kanälen, es gab unzählige Nachahmer, insgesamt ernteten die Videos Millionen Klicks und besassen eine enorme Reichweite. All das völlig unabhängig der Sprache – im Grunde haben wir es hier also mit einem Thema zu tun, das die ganze Welt betrifft.

Dementsprechend verfolgte Frau Dr. Fels die Idee, man müsse etwas Grösseres daraus machen. 2021 stellte sie den Projektantrag. 2022 startete das aktuelle Projekt und Frau Stumpf nahm ihre Arbeit auf.

Und worum genau ging es in Ihrer Umfrage?

Bei der Auswahl der Plattformen haben wir uns auf die grössten Kanäle konzentriert. Zu den beliebtesten zählen hinsichtlich Videomaterial TikTok, Instagram, Facebook und YouTube. Hinsichtlich der Videos lag unser Fokus unter anderem auf den sogenannten Challenges und vermeintlichen „Missgeschicken“ von Haustieren. 

 Mehr Potenzial steckt bestimmt auch in anderen Plattformen oder Videoarten, aber das würde leider den Rahmen des zeitlich befristeten Projekts sprengen. Ausserdem sind die Social-Media-Kanäle in stetigem Wachstum und Veränderung: es kommen neue hinzu und die bestehenden wachsen weiter.

Da die Umfrage mittlerweile abgelaufen ist, wollte Rundum Dog erfahren, mit welchen Fragen die Teilnehmer sich darin befassen konnten. Unter anderem gab es folgende Aufhänger:

Welche Videos werden besonders gern/oft geteilt und mit einem Like versehen?

Was für Emotionen entstehen beim Ansehen im Zuschauer?

Wie oft melden Zuschauer Videos aufgrund Tierschutzrelevanz?

Wie analysieren Sie das Tierverhalten in den Videos? Gibt es dafür wissenschaftliche Vorgaben?

Die gibt es tatsächlich – sogenannte Ethogramme bilden die Grundlage für die Verhaltensforschung, auch an Tieren. Die Verhaltensweisen von Tieren werden hierbei exakt definiert und von anderen Mustern abgegrenzt. Ein Ethogramm ist quasi eine neutrale Beschreibung, wie Inhalte zu deuten sind. Sprich: Beobachter mit unterschiedlichen Auffassungen kommen trotzdem zu demselben Ergebnis, da sie für die Erfassung dieselbe Methode nutzen.

In besagten Videos gab es wissenschaftlich belegte Symptome von Stress- und Angstverhalten, teilweise sogar deutliche Drohgebärden bis hin zur Verteidigung. Hunde zeigten mitunter sichtbare Beschwichtigungssignale gegenüber dem Macher des jeweiligen Videos (leider allzu oft die Hundehalter selbst). Das waren zum Beispiel angelegte Ohren, Abwendung oder Speicheln.  

Ausserdem sahen wir uns in den Videos auch häufig mit kostümierten Haustieren oder einer Vermenschlichung der Tiere dergestalt konfrontiert, dass man sie in unphysiologische Haltungen gezwungen hat. Ernste Krankheitssymptome, besonders bei Qualzuchten, werden in diesem Zusammenhang als lustig dargestellt, obwohl sie es keineswegs sind. Als wichtiges Beispiel nannten die Beiden uns an dieser Stelle auch die Brachyzephalie.

Eines von mehreren Zielen des Projekts soll sein, auf das Thema aufmerksam zu machen, Interventionsstrategien zu entwickeln und solche Videos und ihre Verbreitung damit deutlich zu verringern. Welche Hürden gibt es dabei?

Wir hatten eine Auftaktveranstaltung mit Einblick in das Projekt, auf der unter anderem die Welttierschutzgesellschaft vertreten war. Die Einladungen dazu wurden im gesamten deutschsprachigen Raum verschickt, zum Beispiel auch an Schulen. Unserer Meinung nach müssen wir besonders die jungen Leute erreichen.

Die heutigen Medien setzen teilweise gefährliche Trends, die sehr früh anfangen. Dass Qualzuchten normalisiert werden, ist da nur eins von vielen Beispielen. Bereits Kinder im Alter von 10 Jahren, allein mit ihrer Teilnahme an Social Media, kommen mit diesen Inhalten unweigerlich in Kontakt.

Um wirklich jeden möglichst früh zu erreichen, müssten Schulen Tierschutz als eigenständiges Fach aufnehmen. Da das wohl etwas hoch angesetzt ist, wäre es zumindest ein Anfang, das von uns erstellte Infomaterial in die Bio-Stunde mitzubringen. Wir möchten auch jeden dazu motivieren, eigene Kampagnen zu starten, und unterstützen auf Wunsch mit Informationsmaterial.

Und wie nehmen die Leute Ihr Anliegen auf?

Frau Stumpf: Ich bin viel in den Schulen im Raum Hannover unterwegs. Das Feedback zu meinen Veranstaltungen vonseiten der Lehrer ist gut, sie halten es für ein aktuelles Thema und relevant für die Schüler.

Meinem Eindruck nach sind die 5. Klassen eine besonders gute Zielgruppe. Sie sind unvoreingenommen, sehr aufmerksam, wissensfreudig und stellen neugierige Fragen. Sie hinterfragen auch kritisch, was ein gewisses Verständnis voraussetzt. Auf Themen wie Qualzuchten reagieren sie geschockt. Und dass sie gezeigte Videos im Laufe der Veranstaltung gar nicht mehr ansehen möchten, zeigt mir, dass sie deutlich sensibler wurden. Im Vergleich dazu sind Rückfragen von 13. Klassen logischerweise deutlich kritischer. Da zeigen sich einzeln ein paar Vorbehalte, inwieweit unser Anliegen überhaupt erfolgreich sein kann.

Es gibt ja schon Strategien innerhalb der sozialen Netzwerke, damit weniger tierschutzrelevante Inhalte verbreitet werden. Warum sind diese nicht ausreichend?

Sogenannte Gemeinschaftsrichtlinien wie auf Facebook oder Meldefunktionen, die in beinahe allen sozialen Netzwerken existieren, sollen die Verbreitung von bedenklichen Inhalten eigentlich schnellstmöglich stoppen.

Sowohl Richtlinien oder Funktionen zum Melden von Videos beziehen sich aktuell auf offensichtliche Inhalte. Uns geht es um Aufnahmen, die von den Social Media Algorithmen nicht erkannt werden. Teilweise legen die Betreiber nicht einmal grossen Wert darauf, dass bedenkliche Videos gelöscht werden – aufgrund ihrer hohen Reichweite. 

Deshalb ist es so schwierig, direkt über die Plattformen zu agieren. Wir müssen direkt bei den Nutzern ansetzen. Unser eigener Social Media Account auf Instagram Tierschutz.SocialMedia ist ein Anfang – er wächst ordentlich, wir haben schon über 400 Follower.

Rundum Dog bleibt an dem Thema dran – genau wie die TiHo an ihrem Projekt. Hier findet ihr die offizielle Pressemitteilung zur Studie Umgang mit Haustieren in sozialen Netzwerken. Wir bleiben im Kontakt mit Frau Dr. Fels und Frau Stumpf, die gerade an einem Leitfaden arbeiten, wie man Tierleid auf sozialen Medien erkennen und einer Weiterverbreitung vorbeugen kann. Natürlich wollen wir auch alles über die Ergebnisse der Umfrage und der Studie erfahren, sobald es soweit ist. Lest bald mehr dazu auf dem Blog von Rundum Dog – für ein glückliches Hundeleben.

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