Rasselisten auf dem Prüfstand: Warum immer mehr Regionen die Regelung abschaffen

Zwei American Staffordshire Terrier liegen auf Wiese, Rasselisten-Hunde

Rasselisten – für viele Hundebesitzer ein Begriff, der mit Sorgen und Unsicherheiten verbunden ist. Diese Listen, die bestimmte Hunderassen pauschal als gefährlich einstufen, wurden vor über zwei Jahrzehnten in mehreren Ländern und Regionen eingeführt, oft als direkte Reaktion auf tragische Beissvorfälle. Insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz sorgten diese Regelungen für erhebliche Einschränkungen bei der Hundehaltung. Doch die Zeiten ändern sich: Immer mehr Regionen entscheiden sich, Rasselisten für Hunde abzuschaffen und setzen stattdessen auf individuelle Gefährlichkeitsprüfungen.

Was sind Rasselisten und warum sind sie umstritten?

Rasselisten sind gesetzliche Regelungen, die bestimmte Hunderassen als potenziell gefährlich einstufen und dadurch mit strengen Auflagen belegen.

Diese Listen entstanden in verschiedenen Ländern und Regionen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem sie Hunde bestimmter Rassen präventiv unter besondere Kontrolle stellten. Zu den typischen Auflagen gehören Maulkorb- und Leinenpflicht, erhöhte Steuersätze oder sogar Haltungsverbote für bestimmte Rassen.

Obwohl die Intentionen hinter diesen Listen nachvollziehbar sind, stehen sie zunehmend in der Kritik. Gegner argumentieren, dass Rasselisten Hunde pauschal diskriminieren und verantwortungsvolle Halter ungerecht bestrafen. Zudem gibt es wissenschaftliche Studien, die belegen, dass das Verhalten eines Hundes stärker von seiner Erziehung und den Haltungsbedingungen abhängt als von seiner Rasse.

In vielen Ländern, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz, nimmt die Kritik an diesen Listen zu, und es wird zunehmend gefordert, die Gefährlichkeit eines Hundes individuell zu beurteilen, anstatt generalisierend nach der Rasse vorzugehen.

Historischer Hintergrund zur Einführung von Rasselisten

Die Einführung von Rasselisten erfolgte vor allem als Reaktion auf eine Reihe tragischer Vorfälle, bei denen Menschen, darunter auch Kinder, von Hunden schwer verletzt oder getötet wurden.

Ein besonders einprägsamer Fall ereignete sich im Jahr 2000 in Düsseldorf, als ein Kind von zwei Hunden, die als American Staffordshire Terrier identifiziert wurden, tödlich verletzt wurde. Dieser Vorfall führte in Deutschland zu einem öffentlichen Aufschrei und einem raschen politischen Handlungsbedarf. Viele Bundesländer reagierten daraufhin mit der Einführung von Rasselisten, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.

Die damaligen Beweggründe basierten auf der Annahme, dass bestimmte Rassen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung ein höheres Aggressionspotenzial besitzen und daher strenger reguliert werden sollten. Diese Massnahme wurde jedoch oft voreilig und ohne tiefgreifende wissenschaftliche Untersuchungen umgesetzt, was im Laufe der Jahre zu einer zunehmenden Kritik und Forderungen nach einer differenzierteren Betrachtung führte.

Aktuelle Entwicklungen: Abschaffung der Rasseliste in Berlin, Brandenburg und weltweit

In den letzten Jahren haben mehrere Regionen und Länder begonnen, die Rasselisten abzuschaffen und stattdessen auf individuellere Methoden zur Beurteilung der Gefährlichkeit von Hunden zu setzen.

In Deutschland haben Berlin und Brandenburg diese Listen bereits abgeschafft (Berlin bereits im Jahr 2016, Brandenburg zog vor kurzem im Juli 2024 nach) und sich für eine individuelle Gefährlichkeitsprüfung entschieden, bei der das Verhalten eines Hundes und nicht seine Rasse im Mittelpunkt steht.

Diese Entscheidung wurde von vielen Tierschutzorganisationen und Experten begrüsst, die argumentieren, dass dies eine gerechtere und wissenschaftlich fundiertere Methode sei, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.

Auch in anderen Ländern, wie der Schweiz und Österreich, gibt es Regionen, die entweder bereits ähnliche Schritte unternommen haben oder darüber diskutieren. In den USA wird in einigen Bundesstaaten ebenfalls über die Abschaffung von Rasselisten nachgedacht, um Hunde nicht mehr aufgrund ihrer Rasse zu stigmatisieren.

Diese Entwicklungen reflektieren ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die Gefährlichkeit eines Hundes mehr mit seiner Erziehung und den Bedingungen seiner Haltung zu tun hat als mit seiner genetischen Abstammung. Die Einführung alternativer Regelungen, wie z.B. Wesensprüfungen und verstärkte Schulungen für Halter, zeigt, dass Sicherheit und Tierschutz Hand in Hand gehen können, ohne pauschale Diskriminierung bestimmter Rassen.

Geltende Regelungen in Österreich und der Schweiz

Österreich

In Österreich ist die Regelung von Rasselisten, ähnlich wie in Deutschland, Sache der einzelnen Bundesländer. Daher gibt es unterschiedliche Regelungen je nach Region.

  • Wien: Wien hat eine der strengsten Regelungen. Hier gibt es eine Liste von 13 Hunderassen (sowie deren Kreuzungen), die als „Listenhunde“ gelten, darunter American Staffordshire Terrier, Bullterrier, und Pitbull Terrier. Für die Haltung dieser Hunde ist ein Sachkundenachweis erforderlich, und es gelten strenge Auflagen wie Maulkorb- und Leinenpflicht in der Öffentlichkeit. Zudem muss ein Hundeführschein erworben werden.
  • Vorarlberg: Hier gibt es ebenfalls eine Rasseliste, und die Haltung von Hunden dieser Rassen unterliegt ebenso strengen Auflagen.
  • In den meisten anderen Bundesländern gibt es keine festen Rasselisten. Stattdessen wird die Gefährlichkeit eines Hundes individuell beurteilt, oft nach Vorfällen, ähnlich dem Ansatz, den Deutschland nach einzelner Abschaffung der Rasselisten verfolgt.

Schweiz

Die Schweiz verfolgt einen föderalistischen Ansatz, wobei die Kantone (vergleichbar mit den Bundesländern in Deutschland) ihre eigenen Regelungen haben. Die Situation in der Schweiz ist daher ebenfalls regional unterschiedlich.

  • Genf: Hier gibt es ein komplettes Verbot für die Haltung bestimmter Rassen, darunter American Staffordshire Terrier und Pitbull Terrier. Diese Regelung ist sehr streng und erlaubt keine Ausnahmen.
  • Zürich: In Zürich gibt es eine Rasseliste, die Hunde bestimmter Rassen als potenziell gefährlich einstuft. Für die Haltung dieser Hunde ist eine Bewilligung erforderlich, und es gelten zusätzliche Auflagen, wie etwa Maulkorb- und Leinenpflicht.
  • Tessin: Im Kanton Tessin gibt es ähnliche Regelungen wie in Genf, mit einem weitgehenden Verbot für bestimmte Rassen.
  • Andere Kantone: Einige Kantone, wie etwa Bern und Waadt, haben keine festen Rasselisten, sondern setzen auf individuelle Beurteilungen der Hunde nach Vorfällen.

Die neue Regelung in Berlin und Brandenburg

Vor der Abschaffung der Rasseliste in Berlin und Brandenburg umfassten die Listen in beiden Bundesländern eine Reihe von Hunderassen, die als potenziell gefährlich eingestuft wurden. Diese Rassen unterlagen besonderen Auflagen wie Maulkorb- und Leinenpflicht sowie teilweise strengen Haltungsbedingungen. Die folgenden Hunderassen standen typischerweise auf der Rasseliste:

Zusätzlich wurden in einigen Fällen auch Kreuzungen dieser Rassen oder Mischlinge, die äusserlich diesen Rassen ähnelten, als gefährlich eingestuft und unterlagen denselben Auflagen.

Mit der Abschaffung dieser Rasselisten wird nunmehr eine individuelle Gefährlichkeitsprüfung der Hunde vorgenommen, unabhängig von ihrer Rasse. Dies soll dazu beitragen, Hunde nicht aufgrund ihrer genetischen Abstammung zu diskriminieren, sondern ihr tatsächliches Verhalten und die Erziehung durch die Halter in den Fokus zu rücken.

Wie läuft eine individuelle Gefährlichkeitsprüfung ab?

Mit der Abschaffung der Rasseliste in Berlin wurde das pauschale Einstufen von Hunderassen als gefährlich beendet. Anstelle der Rasseliste wird nun ein individuelles Verfahren angewendet, das den Fokus auf das tatsächliche Verhalten des Hundes und nicht auf seine Rasse legt. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Hund automatisch geprüft wird. Die Prüfung erfolgt in der Regel nur dann, wenn ein konkreter Anlass besteht, beispielsweise nach einem Vorfall, bei dem ein Hund auffällig geworden ist.

  • Anlassbezogene Überprüfung: Wenn ein Hund auffällig wird, etwa durch aggressives Verhalten, können Behörden oder das Veterinäramt eine Gefährlichkeitsprüfung anordnen. Dies geschieht typischerweise nach einem Vorfall, bei dem der Hund andere Menschen oder Tiere gefährdet hat.
  • Wesenstest: Der betroffene Hund wird einem Wesenstest unterzogen. Dabei wird das Verhalten des Hundes in verschiedenen Situationen bewertet, um zu prüfen, ob er eine Gefahr darstellt. Dies kann in einer kontrollierten Umgebung mit einem Sachverständigen oder Hundetrainer stattfinden.
  • Auflagen nach dem Wesenstest: Wenn der Hund als gefährlich eingestuft wird, können gesetzliche Auflagen wie Maulkorb- und Leinenpflicht oder eine behördlich angeordnete Schulung für den Halter folgen. In schwerwiegenden Fällen kann auch eine Wegnahme des Hundes in Betracht gezogen werden.
  • Individuelle Beurteilung: Anstelle einer pauschalen Einstufung nach Rasse erfolgt eine individuelle Beurteilung. Hunde, die positiv getestet werden, erhalten normalerweise keine weiteren Auflagen.

Dieses System zielt darauf ab, faire und sachgerechte Entscheidungen zu treffen, die sowohl die Sicherheit der Öffentlichkeit gewährleisten als auch die Rechte verantwortungsbewusster Hundebesitzer schützen. Durch diese Regelung wird vermieden, dass Hunde allein aufgrund ihrer Rasse diskriminiert werden, was für viele Tierfreunde ein wichtiger Schritt in Richtung eines gerechteren Umgangs mit Hunden ist.

Von der Stigmatisierung der Hunde zur Verantwortung bei den Hundehaltern

Die Abschaffung der Rasselisten in Berlin, Brandenburg und anderen Regionen ist ein wichtiger Schritt hin zu einer gerechteren und wissenschaftlich fundierteren Bewertung von Hunden. Als Hundeportal begrüssen wir diese Entwicklung ausdrücklich.

Rasselisten basieren auf der pauschalen Einstufung von Hunderassen als gefährlich, unabhängig von der individuellen Erziehung und Haltung des Tieres. Dabei zeigen zahlreiche Studien und Erfahrungen, dass das Verhalten eines Hundes massgeblich durch die Erziehung und die Verantwortung des Halters geprägt wird.

Statt Hunderassen pauschal zu stigmatisieren, plädieren wir für die Einführung eines generellen „Hundeführerscheins“ für alle Hundehalter. Ein solcher Führerschein würde sicherstellen, dass sich Hundehalter intensiv mit den Bedürfnissen, der Erziehung und den Anforderungen der Hundehaltung auseinandersetzen, bevor sie die Verantwortung für ein Tier übernehmen. So könnten gefährliche Situationen, die oft durch mangelnde Erziehung oder falschen Umgang entstehen, von vornherein vermieden werden. Durch eine fundierte Ausbildung der Halter können wir das Wohl der Hunde fördern und gleichzeitig die Sicherheit in der Gesellschaft gewährleisten – ein Ansatz, der letztlich allen zugutekommt.

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