Traumhund, Buch von Emil Keller

Keller_Traumhund_Cover

Heute Vormittag brachte sie mir denselben ins Büro, zeigte ihn mir, ich sagte wieder, „Nein kleine Jypsy, den darfst Du nicht haben.“ Sie ließ ihn fallen und ging wieder weg, mir den Schuh einfach überlassend. Später legte ich ihn wieder zurück. Dies war das letzte Mal, dass sie sich an Schuhen zu schaffen gemacht hatte.
Diese Episode erinnert mich an jene mit dem Kissen, sie verlief genau gleich, und daher finde ich ihr Gehabe beinahe, als wolle sie fragen: „Darf ich jetzt diesen Schuh haben?“ Und wenn ich „Nein“ sage, dann ist alles vorbei, und sie überlässt ihn mir, ohne daran herumgezerrt zu haben. Wenn ich nur wissen könnte, was in so einem Hund vorgeht! Ich liebe ihn daher umso mehr, wenn ich über ihn nachdenke, und gebe mir alle Mühe, ihn zu verstehen. Es passieren zu viele wundersame Dinge, als dass man den Hund nur als nützlichen Begleiter betrachten dürfte. Selbst ganz gewöhnliche Hunde haben für Menschen, die zu ihnen einen „Draht“ haben, viel mehr Persönlichkeit, als wir uns vorzustellen in der Lage sind. Oft sind wir aufgrund von Eigennutz nur an Leistung, anstatt an der Verständigung interessiert, und dies ist schade für unsere liebenswerten Kreaturen. Ich möchte hier nicht moralisieren, denn Ojo hat selbst mit mir auch vieles erlebt, das nicht notwendig gewesen wäre, und ich zahlte dies teuer. Wenn man Probleme hat und diese nicht vollständig auflösen kann, ist es schwierig, das volle Vertrauen wiederzugewinnen. Man möchte etwas erreichen, jedoch die Voraussetzungen sind erschwert und die Konfliktlage zu breit, als dass man einfach tut, als wäre nichts gewesen. Das Gedächtnis des Hundes ist exzellent und die Wiederholung einer Gebärde, die Aussprache oder die Tonlage, mit welcher man spricht, bleibt samt Emotionen gespeichert, dass man glaubt, sie wären kleine Hellseher. Gerade dies veranlasste mich, über Jypsy zu schreiben, weil ich gelernt habe, wie sich ein „Ausrasten“ des Hundeführers auswirkt und wie schwer später seine daraus resultierenden Reaktionen zu „schminken“, oder zu eliminieren sind.
Nachdem einige Tage alles ruhig verlief, bemerkte ich, dass durch meinen operierten Fuß die täglichen Ausflüge kürzer sind und sich die Hunde nicht so richtig austoben können und nun haben beide, vor allem nach dem Fressen, einen ungeheuren Energieanfall. Es kam sogar dazu, als ich kurz einschlief, dass Jypsy die Kissen vom Wintergarten herumzerrte, ja selbst auf dem Tisch herumtanzte, noch ein Stück Zopf vom Küchentisch stibitzte, also alles in allem: Ich war sprachlos. Doch irgendwie verstehe ich solche Handlungen, denn ich denke, Tiere müssen ja auch ihren angestauten Bewegungsdrang abbauen. Ich fluchte mit den Kissen, über den Zopf konnte ich mich nicht mehr auslassen, denn der war ja weg, und knallte das Kissen wieder an den richtigen Platz.
Einen Tag später das gleiche Schauspiel und es wurde immer deutlicher, dass dies schon die Konsequenz des Bewegungsmangels war. Nachdem ich genügend Auslauf geboten hatte, blieb alles schön ruhig und an seinem Platz. In drei Wochen kann ich wieder normal gehen, und dann gehört hoffentlich diese Episode der Vergangenheit an. Ich finde Bewegungsmangel quittieren vor allem Welpen und Junghunde mit viel Übermut. Daher die irrsinnige Komik, die kleine Hündin tobt sich aus und Ojo liegt da, mit wachen Augen und gespitzten Ohren. So schaut er in mein verdutztes Gesicht, wenn Jypsy etwas tut, was mir als unordentlich erscheint. Jypsy tänzelt wie eine Primadonna herum und schaut mich stolz und triumphierend an, als wolle sie sagen, sieh nur, was ich fertigbringe, wenn Du nicht aufpasst! Sobald ich die Kissen nehme und diese lautstark „verwünsche“ oder traktiere, ohne sie dabei anzusehen, macht sie plötzlich einen Sprung gegen mich, um mich zu beschwichtigen. Sie folgt mir, schaut mich an, denn sie konnte bisher bestimmt mein Handeln nie richtig verstehen. Es wäre möglich, dass sie unbewusst bemerkt, dass alles nicht so gemeint ist, dass sie meine innerste Stimmung durchschaut und für sich denkt, was macht denn der nur für ein Theater!
So denke ich, damit gelernt zu haben, dass der Hund genügend Bewegung braucht, um ausgeglichen zu sein. Wer dazu nicht bereit ist, muss beim jungen Hund mit Überraschungen rechnen. Diese brauchen Bewegung und Engagement, um Aggressionen oder ein Unbefriedigt zu sein abzubauen. So benötigen soziale Hunde Betätigung, und möglicherweise gerade deshalb entstehen bei Sporthunden grundsätzlich weniger Unfälle mit Bissverletzungen, weil man sich mit diesen zwangsläufig durch die Weiterbildung im Sport weitaus mehr beschäftigt und auch bewegt.
Ich war lange am Telefon. Dies unterbrach meine Aufmerksamkeit, was Jypsy sofort nutzte und versuchte, kleinen Kinder gleich, durch ungebührliches Benehmen das Gespräch zu beenden. Genauso verhielten sich meine Hunde gestern Abend und am Ende einer Rangelei erkannte ich plötzlich, wie Jypsy ihr „Nuschi“ unter Mithilfe von Ojo zerriss. Wir alle tragen in uns ein Stück Natur, und da gibt es immer wieder auffallend viele Ähnlichkeiten, die uns staunen lassen. Auch der Reifeprozess, den der Hund vollzieht, ist es wert, genauer betrachtet zu werden. So bin ich überzeugt, dass mit diesem „Nuschi“ ein erster Reifungsprozess zum Abschluss gebracht wurde. Ich möchte nur noch nachtragen, dass Jypsy ab dem siebten Monat nie mehr Kissen, Schuhe oder sonst etwas zu Hause kaputt oder herumgezerrt hat und heute stets frei in der Wohnung lebt. Sie kann selbst über Stunden allein gelassen werden. Was nicht unerwähnt bleiben darf, ist, dass ich mich um Jypsy sehr sorgsam und mit viel Bedacht gekümmert habe, scharf beobachtete, analysierte und im Zweifelsfalle eher nicht korrigierend eingriff, als etwas falsch zu machen, um das Vertrauen des Züchters und des damalig angedachten künftigen Besitzers nicht zu verletzen. Dies ist vielleicht auch ein kleiner Bestandteil meines Erfolges. So konnte ich hautnah erleben, wie sich das Bindungsverhalten entwickelte, das mich fesselte, denn dieses Gefühl, vom Hund etwas zurückzubekommen, eine solche Vertrautheit, war für mich mehr als berührend. Als Erfolg betrachte ich nicht nur den sportlichen, sondern auch den täglich gegenseitig respektvollen Umgang mit dem Hund. Ihre Bedürfnisse musste ich zweifellos respektieren lernen, was dazu beigetragen hat, dass sie danach auch mir in vielem problemloser folgte und mich auch besser in vielen Dingen zu verstehen lernte.
Das Fremdgeben eines Welpen kam für mich nie infrage, denn es kann vieles passieren, und so sollte der Halter sich darauf einrichten. Im Notfall den Hund lieber dem Züchter bringen, der ihn kennt und keine Experimente wagt, oder in ein vertrautes Hundeferienheim, das man stundenweise zuvor schon geübt haben sollte, bevor man sein Hündchen für einen Tag oder auch nur ein paar Stunden weggeben muss.
Hiermit schließe ich das Tagebuch von Jypsy und werde später, wenn ich mit ihr weitergearbeitet habe, selbst sehen und mitteilen, was aus uns geworden ist. Ich danke allen für die Aufmerksamkeit und wünsche einem jeden viel Glück, viel Zeit, Einfühlungsvermögen, Selbstbeherrschung und viel Erfolg in der Erziehung und Prägung des eigenen Hundes.

Exkurs über den Sinn und Unsinn eines Hundehalterbrevets, Sachkundenachweis

Es erscheint mir bedeutend wichtiger, mehr Wissen über erfolgreiches Prägen zu verbreiten, als mich über Sinn oder Unsinn eines früheren Hundehalterbrevets und SKN zu echauffieren, das vor Kurzem noch in der Schweiz, in einigen Kantonen, obligatorisch war. Es kommt mir vor, wie ich in einem meiner Verse über Bindung schrieb, dass viele zu spät erkennen, worauf es ankommt und was wesentlich ist. Es wäre bedeutend gescheiter, eine Regelung zu schaffen, welche Hundehalter vor dem Kauf eines Tieres zu einem Kurs verpflichtet würden, indem man eine Informationsstunde zusätzlich zum nachfolgenden Prägungskurs vorschiebt. In dieser Veranstaltung könnte man erklären, wie die Bindung zum Welpen entsteht, damit man diesen vom ersten Augenblick der Übernahme an richtig behandelt. Wird die Verpflichtung zu diesem Kurspaket nicht akzeptiert, würde keine Zulassung zur Hundehaltung erteilt. Durch dieses System könnte man einen Ausweis erstellen, der dem Halter bestätigt, dass er über alles genau in Kenntnis gesetzt worden ist. Tritt asoziales Fehlverhalten beim Hund auf, würde dieser Ersthalter zum Mithaftenden und könnte (müsste) ebenso zur Verantwortung gezogen werden. Es ist doch allgemein bekannt, dass sich ein falsches Verhalten gegenüber dem Welpen während der ersten sechs Monate prägend auf seine Zukunft und sein Grundverhalten auswirkt. Jeder Hundeführer sollte ebenso wissen, dass, wenn die bis zu diesem Zeitpunkt geübte „Frühkonsequenz“, die sich nach sechs Monaten zur absoluten Konsequenz wandelt, und was dies heißt, habe ich bereits beschrieben, fehlt, der Hund damit nur ausweichen lernt und sich somit dieses Verhalten immer weiter verstärkt. Dies birgt späteres Konfliktpotenzial und die Ausbildung, selbst die Erziehung zum einfachen guten Begleit- und Familienhund wird bedeutend schwieriger. Der Hund lernte ja, ich kann machen was ich will, mein Führer setzt sich ja nie durch. Dass sich dies ebenso absolut ohne Gewalt machen lässt, ist selbstverständlich, aber wenn ich „Komm zu mir!“ sage, muss das nach dem 6. Monat einfach durchgesetzt werden. Nur so behalten wir die Bindung und die Lernbereitschaft unseres Hundes, und man vergesse dabei nie die lange Leine, welche die Einflussnahme und die Konsequenz unterstützt, indem wir ihn motivieren zu uns zu kommen, dadurch, dass wir ihn einfach nur an der Leine zurückhalten, um ihn mit Feingefühl und Überzeugung zur Rückkehr zu bewegen. Ein Zurückreißen ist kontraproduktiv, denn den Schmerz, den wir hierdurch dem Hund zufügen, bezieht er auf das Objekt, das er gerade betrachtet. Somit wird er aggressiver gegen Hunde oder andere Mitbürger dieser Welt, und seine Leinenführigkeit wird längerfristig immer problematischer.
Die Verpflichtung zur Prägung eines Welpen würde somit zum Fundament der Hundeausbildung und dies würde ich zum obligaten Kurs erklären, sofern dieser kompetent ist, wie ich es mit meiner Jypsy erfuhr. Oft behaupten Menschen, ich kann doch ein Kind erziehen, ergo ist die Hundeerziehung etwas viel Einfacheres … und wursteln gedankenlos drauf los … in alter Manier, ohne sich Gedanken zu machen: Könnte nicht Wesentliches, wie auch mein persönliches Verhalten einen Einfluss auf die heranwachsende Psyche und geistige Entwicklung eines Hundes haben? … und siehe da, der Mensch ist gegenüber dem Hund sehr ähnlich einzustufen! Ergo lohnt es sich doch hierüber etwas mehr nachzudenken. Je größer das Vertrauen des Hundes, umso bereitwilliger wird er sich entwickeln, mit uns die Lernziele zu erreichen, sofern wir ihn stets mit Respekt und Einfühlungsvermögen ihn anleiten und führen. Ausgeglichenheit ist ein ebenso wichtiges Ziele für uns selbst, wie Selbstbeherrschung und das Ablegen unserer Emotionen. Dagegen hilft uns die Fantasie und unser Denkvermögen über nicht verstandene Reaktionen unserer Hunde diese zu deuten, um sie leichter dahin zu führen, dass sie es korrekt lernt und dazu noch mit viel Freude!
Diese Maßnahme führt zu verantwortungsvolleren Hundehaltern, und wenn schon Tiere geschützt werden sollen, so ist dies nur mit einer guten Schulung in der Prägungszeit möglich. Hier wird der Grundstein für gegenseitigen Respekt und Einfühlungsvermögen gelegt. Auch wüssten die Halter dann um die Auswirkungen falscher Führung und würden mit entsprechenden Informationen versorgt. Hiervon würden alle profitieren.

Sport – ein weiter Weg

Nun haben wir die Prägung hinter uns gebracht. Markant zeigte sich Jypsys verändertes Verhalten nach der ersten Läufigkeit mit nicht ganz sieben Monaten. Auf einen Schlag verhielt sie sich aggressiver im Auto und beim Schutzdienst, wo sie sich zuvor umgänglich und vertraut gab, quittierte sie nun jegliche Annäherung von Personen gegen das Auto mit drohendem Gebell und im Schutzdienst in kaum erwarteter Aggression.
Mit der Zeit versucht sich unser Hund naturgemäß mehr Freiheiten zu nehmen. Er wird schlauer, kennt uns bereits viel besser und nutzt dies bei Möglichkeit aus. Daher wird aktives und motivierendes Führen des Hundes täglich wichtiger. Liegt der Hund auf dem Sofa oder Fernsehsessel, und dies wollen wir nicht, heißt es, dies sofort zu verhindern. Wollen wir es tolerieren, so achten wir wenigstens darauf, dass, wenn ich komme, der Hund unverzüglich flieht, was heißt, wir übernehmen wortlos unseren Platz. Der Hund ist programmiert, sich sein Leben lang Vorteile zu verschaffen. Deshalb versucht er jeden Tag neu, ob es ihm nicht auf die eine oder andere Weise gelingt, unsere Konsequenz aufzuweichen. Aus diesem Grund hat die Arbeit mit dem Hund auch nie ein Ende, und ein stetes klares und faires Durchsetzen unserer Anordnungen bleibt die Basis unserer Gemeinschaft. Opportunismus ist ebenso seine Eigenschaft und Leidenschaft, genau wie so oft beim Menschen.
Bei Ojo habe ich mich nach der Prägung oft gefragt, was nun? Bei Jypsy ist es mir nun klar: Alles geht im gleichen Schritt weiter wie zuvor. Wenn man sich umhört und fragt: „Was machst du nun nach der Prägung?“, so hört man oft „Leben lassen!“ Soll man also den Hund tun und machen lassen, was er will? Erst heute weiß ich, dass dies falsch ist. Die ganz „Schlauen“ sagen: „Ich mache gar nichts, der soll noch leben, er braucht doch noch ein wenig Freiheit!“, aber arbeiten für sich weiter, zu Hause und auf den Spaziergängen, um die anderen bei Übungen in Gehorsam danach weit hinter sich zu lassen!
Oft glaubt der Laie: Ja, dies kommt mir gelegen; und es sei richtig, den Hund nach der Prägung praktisch sich selbst zu überlassen und es genüge, hin und wieder eine kleine Fährte zu machen oder ein wenig beim Hundeclub zu üben. Doch weil sich Hund und Hundeführer noch nicht gut verstehen, wirkt alles meist ungeschickt. Man hört dann oft auf den Übungsplätzen: „Ja, das kommt dann schon, musst halt ein wenig Geduld haben.“ So kommt oftmals die falsche Meinung auf, dass es später mit etwas mehr Zwang sicher besser gehen wird. Das Gegenteil ist der Fall! Hier ist zu unterscheiden, was „Man(n)“ unter „gar nichts tun“ versteht. Ich habe gelernt, dass dies heißt: keinen Druck, keinen Zwang und keine Härte ausüben. Nur mit Ermunterung, Einfühlungsvermögen und durch das Spiel kann alles, so z. B. das Halten der Positionen, das Angehen der Verstecke, das Apportieren von Gegenständen respektive Halteübungen mit einem echten Apportierholz geübt werden. Alles soll in einer Situation der Freude und des Lobes geschehen, und dieser Aufbau geschieht nur mit dem Herzen. Verlieren wir bei Übungen die Nerven, gehen wir emotionsgeladen zu unserem Hund, so flüchtet er oder misstraut uns. Dies ist absolut zu vermeiden. Der junge Hund ist noch sehr leicht beeindruckbar und emotionsempfindsam. Daher müssen wir mit ihm gerade in der jetzigen Phase stets mit Bedacht umgehen. Ist er inzwischen sechs und acht Monate alt und bedeutend belastbarer, sofern die Bindung stimmt, und zu diesem Zeitpunkt können wir uns bereits mit fairer Konsequenz durchsetzen. Wir erkennen diese Entwicklung im Spiel, im Körperkontakt, indem wir ihn etwas härter anfassen. Weicht er zurück, braucht es vielleicht noch etwas Zeit, ist er aber bereit, mit uns fair zu kämpfen und zu balgen, so können wir uns problemlos durchsetzen. Dies heißt, die Übung, die wir verlangen, kann mit mehr Nachdruck durchgesetzt werden, ohne dass der Hund zurück- oder ausweicht.
Denken wir nur an die Prägung. Hier entsteht das Grundmuster seines Verhaltens, das unbewusste und reflexartige, welches ein ganzes Leben eingeprägt bleibt und sich gerade in Situationen zeigt, wo der Hund leicht unter Druck kommt. Je positiver die Prägung, umso stabiler die innere Sicherheit und das Nervenkostüm des Hundes. So wird er Stresssituationen besser gewachsen sein. Aber wir sehen ja aus unseren bisherigen Erfolgen, dass wir nichts, aber gar nichts aufs Spiel gesetzt haben. Also ist eines ganz klar; je besser die Bindung bis zu diesem Zeitpunkt, umso einfacher ist die Kommunikation und gleichzeitig stabiler das gegenseitige Verständnis und Vertrauen. Nur auf diese Weise können wir unserem Hund vermitteln, was wir von ihm wollen. So erhalten wir im Gegenzug eine steigende Lernfähigkeit und entsprechend stabilere Aufmerksamkeit, und selbst die Konzentrationsfähigkeit wächst ganz langsam mit.
Der Hund entwickelt sich bekanntlich sehr rasch, und es ist wichtig, dass wir stets mit ihm entsprechend seinem jugendlichen Übermut umgehen und gleichzeitig selbst im Spiel ihn respektieren und fair bleiben. So lernen wir verstehen, dass der Hund seine Freude uns auch dadurch mitteilt, indem er an uns mal kurz aufspringt, mitunter ein wenig zwickt und zwackt, wir andererseits ihm dies verzeihen, ihn zu uns nehmen und streichelnd loben, das ist die Musik, die es zu Beginn braucht, um zu einem Team zusammenzuwachsen. Wir haben aber selbst in der Welpen-Prägungsstunde gelernt, dass wir „Au!“ rufen oder abbrechen können, wenn das Spiel in Grobheit ausartet. So kommt nun die Zeit, wo wir ungestümes Verhalten langsam abbauen, vor allem allzu triebfördernde Spiele unterlassen, was der Hund auch akzeptiert. Nie strafen in überbordenden Situationen, denn dies könnte das Vertrauen belasten. Beim Familienhund ist es vielleicht not wendig, etwas Trieb im Spiel aufzubauen, aber man sollte wissen, wo das hinführen kann.
Es ist erstaunlich, wie erfahrene Hundeführer in einem Jahr plötzlich diese oder jene Übung auf einfachste Weise mit anderen Komponenten zu einem Ganzen zusammensetzen und alles stimmt, obwohl diese uns sagten, sie hätten nichts „ernsthaft“ trainiert. Man kann auf dem Spaziergang spielend lernen oder zu Hause spielend üben, doch wer täglich zu viel und monoton übt, vernichtet Motivation und Lernpotenzial. Wichtig wird hier speziell die persönliche freudige Einstellung zum Hund, die wir manifest machen sollten. Dies motiviert auch unseren Hund, der daran Spaß findet. Etwas zu tun, was ich für meinen Sport kaum gebrauche, heißt nicht, dass dies unnütz ist. Irgendwann können diese Spielformen ebenso genutzt werden, da sie zu einem Mehr an Verständnis zwischen Führer und Hund führen (z. B. Dog-Dancing usw.).
Man kann Hunde auch „konditionieren“ durch Strenge, mit übermäßiger Härte als Konsequenz getarnt, doch was bringt uns ein Hund, der bei gewissen Bewegungen oder Kommandos zusammenzuckt, ängstlich oder verwirrt reagiert und dadurch nichts versteht? Das kann es nicht sein, und ich selbst beobachtete, dass manche der Hunde Reaktionen zeigten, die darauf hinwiesen, dass etwas zwischen Hund und Halter nicht stimmte. Man soll hier selbstkritisch sein und nicht auf „falsche Komplimente“ hören, denn nur wenige „Freunde“ sagen uns, was zu sagen wäre und wenn doch, dann zumeist nur hinter unserem Rücken!
So komme ich auf die Nachprägungszeit und will hier beschreiben, was und wie ich gewisse Dinge mache und gemacht habe. Es ist ganz klar, wie auch das Resultat sein wird, ich will offen und ehrlich zu allem stehen und dem Leser vermitteln, dass ich mir Mühe gebe und gemäß meinem Verständnis das Erlebte und Erreichte in dieser Form als Anreiz, es vielleicht besser zu machen, weitergebe. Ich werde ohne Probleme auch Fehler aufzeigen.
„Es führen viele Wege zum Ziel“ oder besser: „Nicht das Ziel ist der Weg, sondern der Weg ist das Ziel“. So setzen wir uns nicht unter Druck und können nach Herzenslust uns sachte an die sportlichen Herausforderungen heranwagen. Dies ist also kein Kurs und ich betone, dass ich den Weg als sehr lang betrachte, doch bemüht bin, meinen Hund nicht durch eine „Schnellbleiche“ zu schicken. Ich will mir die Zeit nehmen, um meinen Hund in absoluter Ruhe auf die sportlichen Herausforderungen einzustellen. Dass ich dies alles zur Schau stelle, hat nichts mit Belehrung zu tun, sondern ist meine Überzeugung. Ich wünschte, manch Hundebesitzer zu animieren, seinen Hund mit mehr Respekt zu sehen und gleichzeitig sich die Zeit zu nehmen, die es braucht, um mit ihm auch wirklich in aller Ruhe fröhlich zu arbeiten. Viele denken viel zu früh an die Perfektion, doch gut Ding will auch hier Weile haben. Der Hund lernt langsam durch Wiederholungen und nur, wenn er innerlich nicht verspannt ist. So kann er die „Stellungen“, also ein rasches „Sitz/Platz/Steh“ zeigen und später auch ausführen.
Oft hatte ich das Gefühl, wenn etwas auf Anhieb klappte, dass ich mich scheute, es sogleich zu wiederholen. Wichtig ist, dass wir alles, was wir tun, nur dann tun sollten, wenn wir unseren Hund ganz speziell lieb haben. Alleine spielend zu üben, ist zu Beginn gerade aus diesem Grunde wichtig, denn oft erlebe ich, dass Übungsleiter uns dies und jenes folgerichtig erklären, aber wir nicht in der Lage sind, dies mit unserem Hund umzusetzen. Daher kämpfen viele mit sich und dem Hund, anstatt innezuhalten, um sich das Neue demonstrieren zu lassen, dies im Kopf zu verarbeiten und in glücklichen Augenblicken, also vielleicht am morgigen Tag im Spiel mit dem Hund umzusetzen. Wenn wir wirklich dann zur spielerischen Übung auf einem kleinen Spaziergang schreiten, kann es sein, das etwas anderes auf einmal auch noch geht, das wir gar nicht zu lernen beabsichtigt hatten und doch funktioniert es einfach. So lernen wir, unser Spiel mit dem Hündchen langsam und folgerichtig auf Ausbildungsziele hinzulenken. Es ist vielleicht ebenso wichtig zu wissen, dass Motivation und positive Emotion das Benzin für den Motor des Hundes sind, aber übertreiben sie es nicht, denn ein triebstarker Hund ist schnell außer Kontrolle. Dies erneut in kontrollierte Bahnen zu lenken, braucht dann immer wieder Zeit. Ein Hund, der zu schnell beinahe vor Eifer explodiert, sollte eher behutsam mit viel Ruhe und langsam aufgebaut werden.
Nach der zwanzigsten Woche hatte sich bei Jypsy überhaupt nichts geändert. Ich machte weiterhin stets dasselbe wie während der Zeit als Welpe, mit dem Unterschied, dass die Spielvielfalt größer wurde und damit zusätzliche Anlagen gefördert wurden, wie Konzentration und Aufmerksamkeit.
Wichtig ist zu wissen, was für einen Hund wir auch führen, zu welchem Typ Hund er gehört. Ist er aktiv normal, so darf ich ohne Probleme üben, sofern die Motivation stimmt und stabil ist. Ist er hyperaktiv, so würde ich empfehlen, etwas weniger oft und gelassener Übungen zu gestalten, und ist er hyperreaktiv, so würde ich behaupten, dass das Spiel auch im Vordergrund stehen muss, doch beim hyperreaktiven Hund ist weniger mehr, und er muss mit ausgeprägter Gelassenheit und Ruhe geführt werden. Dies zu erkennen ist wichtig.
Wenn ich nach Jypsy rief und sie zögerte, zu mir zurückzukommen, so nahm ich sie zum Korrigieren an die lange Leine, um mit störendem leichten Zupfen ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Es blieb mir nicht viel anderes übrig, als immer Futter in der Tasche bereitzuhalten, und jedes Kommando mit prompter Ausführung wurde belohnt. Selbst Ojo begann, sofort zu mir zu kommen, und wollte ebenso eine Belohnung. Man kann nicht nur den einen Hund belohnen. So pflege ich praktisch eine „Nacherziehung“ meines Ojos, was sich ebenso positiv auch auf ihn auswirkte. Aber dies zeigt natürlich auch gleichzeitig, dass die Prägung und Ausbildung mit zwei Hunden bedeutend schwieriger ist. Sie ist eine riesen Herausforderung, denn diese schauen vermehrt aufeinander als auf mich, und die zusätzliche Gefahr besteht darin, dass sie ebenso schlechte wie gute Eigenschaften aneinander weitergeben wie leider auch das aktive Wildern.
Nimmt mein Hund auf dem Spaziergang einen kleineren Ast und trägt ihn, so rufe ich ihn zu mir, halte ein Futterstück in Händen, entnehme den Ast aus dem Fang, halte diesen, füttere und überlasse ihm seine Eroberung und sage dazu stets: „Schön halten, so ist brav, halten …“ Lässt er diesen fallen, lass ich dies geschehen und gehe einfach weiter. Wenn es nicht klappt, ist gar nichts passiert, einfach keine Belohnung geben und zu Hause vielleicht das Halten des Gegenstandes üben mit etwas, das der Hund gerne herumträgt. Dann sage ich zu ihm, „na was hast du Schönes …, Sitz …, Schön Halten …“ und, „Oh, jetzt hole ich dir aber was ganz Feines, Sitz, Warten“, und begebe mich in die Küche, um die Belohnung zu holen. Auf dem Rückweg sage ich rechtzeitig „Brav Sitz, Halten“, dann fasse ich den Gegenstand, sage „Aus“ und belohne. Wäre der Hund, oder erscheint mir meine Jypsy für irgendein Experiment noch nicht bereit oder überfordert, so breche ich einfach ab. Dann aber mache ich eine Übung, die sie absolut beherrscht, lobe und bestätige sie und damit enden wir immer mit einem Erfolg. Dies alles erledigt man in wenigen Minuten.
Lehre ich sie das Bringen gegen Belohnung, so entwickeln sich spezielle Verhaltensweisen. Wenn mir zum Beispiel beim Ausräumen der Waschmaschine eine Socke auf den Boden fällt, sie diese aufnimmt und sich vor mich hinsetzt und damit auffordert: „Hab ich gefunden, jetzt gib mir was!“, dann tue ich dies. Sie kommt auf die Idee, mir Papiertaschentücher aus der Hosentasche zu zupfen, um sie zwischen ihre Zähnchen nehmend, sich vor mich hinzusetzen mit der deutlichen Aufforderung nach Belohnung, so werte ich dies alles sehr positiv. Oft muss ich mich aus dem bequemen Sessel erheben, um zu tauschen. So bringt sie auch Teile einer zerrissenen Kartonschachtel, hält sie mir vor die Nase, doch immer darauf reagieren kann man nicht. Dann ignoriere ich sie einfach eine Zeit und plötzlich macht sie wieder etwas anderes. Aber eines muss ich dazu sagen, man darf zu Beginn nicht zu bequem sein. Ich verstecke hinter alledem die Absicht, ihr etwas beizubringen und dabei durch ihre Erwartungshaltung ein ruhiges Halten des Gegenstandes zu erreichen. Hin und wieder verlange ich nach dem „Aus“ auch noch ein „Fuß“, ein „Hier“, ein „Steh“ oder weiß ich was, und so hoffe ich, dass hierdurch ebenso gelernt wird, nur auf das „Wort“ zu hören. Dies alles ohne Druck und in absolut ermunternder und freudiger Atmosphäre. Am Ende freuen wir uns, hat sie doch alles gegeben, um zur Belohnung zu gelangen, und hat zusätzlich gezeigt, dass sie meine Wünsche nach dem Wortlaut zu erkennen und entsprechend auszuführen gelernt hat. Auf diese Weise verhindere ich, dass sie sich zu stark auf meine Körpersprache fixiert und wirkliches Zuhören und Verstehen lernt.
Wie viele Male erhebe ich mich aus dem bequemen Sessel. Aber die freudige Erwartung einer Belohnung in ihren Augen, ihr Ziel, mit einer neuen Idee eine Belohnung mir abzuluchsen, überträgt sich auch auf mich, und ich weiß, eines Tages macht uns das Apportieren auf dem Sportplatz viel Spaß, und die kleinen Mühen zahlen sich aus. Ist dies nicht ein guter Lohn? Mit Ojo hatte ich mich schon frühzeitig durch emotionale Reaktionen beim Hundetraining nicht gerade beliebt gemacht, und es war danach schwierig, ihm ein überzeugtes, freudiges Bringen und Halten wieder beizubringen.
Mit der linken „Futterhand“ zeige ich Jypsy, was „Fuß“ ist, und führe sie korrekt dahin. Hin und wieder braucht sie vermehrt Hilfe, und wenn ich erkenne, dass sie mich nicht verstanden hat, dann heißt das auch, dass unter Umständen meine Worte wohl gesprochen wurden, mein Hund aber auf die Körpersprache geachtet hat, die möglicherweise etwas anderes ausdrückte. Ich praktiziere mit dem linken Arm einen Kreis, um die vor mir stehende Hündin über meine linke Seite außen herum zu meinem linken Knie zu führen. Das Futter erhält sie aber nur, wenn sie ganz korrekt sitzt, und gar nie, wenn sie etwas schräg, zu weit hinten, zu weit weg oder zu weit vorne sitzt. Mit der Zeit, es geht nur ein paar Wochen, machte sie es schon so gut, dass man getrost beginnen konnte, die Belohnung mit der Hand von den Lippen fallen zu lassen, damit der Hund schön aufschaut. Hat er dies kapiert, motiviere ich ihn und zeige durch ein kleines Geräusch von den Lippen, wo sich die Belohnung befindet, und lasse dies fallen respektive vom Hund auffangen. Kann er dies, verzögere ich die Belohnung, und sobald er wegschaut, animiere ich ihn erneut und bestätige nur dann, wenn er über einige Sekunden konzentriert zu mir aufgeschaut hat. So kann die Konzentration gefördert werden, und man lobt danach ausgiebig. Jetzt, mit über acht Monaten, habe ich auch begonnen, ein paar Schritte mit ihr „bei Fuß“ zu laufen, aber logischerweise geht das noch nicht immer oder auch nur zufällig ein paar Meter. Ist auch noch nicht wichtig. Alles braucht seine Zeit, doch es kommen plötzlich Momente, wo der Hund neben uns läuft, zu uns aufschaut, und wenn wir nun geistesgegenwärtig genug sind, nehmen wir ganz flink ein Futterstückchen zwischen die Lippen und lassen es einige Schritte später als Belohnung fallen und animieren voller Freude durch Wort und Gestik, wie geschickt er dies gemacht hat. Gerade solche Situationen sollten wir nutzen, wenn der Hund Futter fordert, dann wird ihm diese Technik mit der Zeit zur Selbstverständlichkeit. Dies ist das A und O, und wenn dies so einfach gelernt werden kann, wird er durch dieses Verhalten in einem Jahr bereits in der Lage sein, diese Fähigkeit über eine immer größer werdende Strecke aufrechtzuerhalten. Aber es kommen auch Momente, in denen einfach nichts mehr richtig passt. Na dann, üben wir uns eben in Geduld. Das ausdauernde „Fordern“ erlernt der Hund erst zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr.
Das ist eigentlich das Ziel, und so sehen wir, dass es zum Fußlaufen gar nicht so viel braucht. Es bräuchte im Grunde nicht mal eine Leine, doch ist es besser, man benutzt eine dünne, leichte und stets durchhängende Leine, damit sich der Hund nie angezogen fühlt. Ziehe ich den Hund zu mir, so macht er Gegendruck und will weg, das ist zu vermeiden.
Beim gewöhnlichen Leinenlaufen auf dem Spaziergang, da sage ich nie „Fuß“, sondern, „komm zu mir“, „da bleiben“ oder „kehren“, wenn sie zu weit vorne ist. Fußlaufen ist nur für den Hundesport und nicht für den gewöhnlichen Spaziergang. Sie muss auch überall schnüffeln dürfen, muss auch hin und wieder von der Leine zum Spiel mit anderen Hunden, damit die soziale Komponente ebenso stets aufgefrischt und erhalten bleibt.

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