Traumhund, Buch von Emil Keller

Keller_Traumhund_Cover

Tagebuch von Jypsy de la Videmanette

Vorgeschichte

Ich hatte das Glück, meinen Rüden Ojo (aus dem Spanischen für „Auge“ und ausgesprochen Ocho) gemeinsam mit einer etwas älteren Hündin aufwachsen zu lassen, die im selben Haushalt lebte. So prägte nun Ojo zusammen mit mir diese junge Jypsy. Für die Prägungsphase war dies nicht ganz einfach, denn der junge Hund übernimmt zwangsläufig die Unzulänglichkeiten des älteren, gerade in Bezug auf das Jagen von Wild, Katzen, Vögeln, Rehen, Hasen und Füchsen. Denn Hunde verstehen sich und kommunizieren daher untereinander hervorragend. Andererseits war es natürlich sehr positiv, dass damit mein Welpe mit der Komponente „allgemein verträglich und friedlich“ ausgestattet wurde, denn er lernte auch die Kommunikation mit Hunden perfekt. Fehler der Prägung, Erziehung und Ausbildung machen ja nur Hundeführer und nicht der Hund, deshalb befasste ich mich im vorangehenden Abschnitt „Ich kauf mir meinen Traumhund“ mit der Auswahl und Prägung des Hundes. Im Herzen dankbar für das, was ich mit meinem Hund speziell im Alltag erlebe, wünsche ich dem Leser zu zeigen, dass eine gute Prägung durch Welpen-Spielstunden, Kontakt zu Menschen (vor allem Kinder) sowie Stadterfahrungen und durch Umwelterlebnisse in Feld, Wald und Wiesen sehr bereichert wird.

Tagebuch einer frühen Prägung

Es ist für mich eine tolle Aufgabe, den erst achtwöchigen Hund, geboren am 29.09.03, für die Prägungszeit zu übernehmen und auf das Leben vorzubereiten. Aus einem hervorragenden Wurf von 5 Rüden und 5 Hündinnen erhielt ich Jypsy, denn es war im Augenblick kein(e) geeignete(r) Hundeführer(in) für diese Hündin zu finden. Als Familienhund wäre diese Leistungshündin unterfordert. Deshalb wollten die Züchter sie zurückbehalten, bis eine geeignete Person gefunden wird. Welpen sollten weg von der Mutter, dann können sie sich besser entwickeln. Sie bleibt also nur während der Prägungsphase bis zur siebzehnten oder achtzehnten Woche bei mir, und wir suchen auf Ende Januar/Februar einen geeigneten Platz, um sie dann gut vorbereitet jemandem übergeben zu können, der mit ihr Sport treiben will.
So holte ich meine Schutzbefohlene Jypsy am vergangenen Mittwoch, dem 26.11.03 ab. Ich nahm noch ein paar ungewaschene Tücher, die die letzten Tage zuvor den Boden der Wurfkiste bedeckten, mit, legte diese in die zweite Box in meinem Auto zu dem Welpen und fuhr los. Eine halbe Stunde später waren wir bereits auf einem Hundeplatz. An langer Leine spazierte ich mit meinem Rüden Ojo und freute mich riesig, als Jypsy so mir nichts dir nichts folgte, eher dem Rüden hinterher als mir. Sie versäuberte sich, und ich lobte sie. Die Autofahrt meisterte sie ohne Probleme, da sie schon als Welpe in der Vorprägung bei der Züchterfamilie damit Erfahrung sammeln konnte. Wir blieben den ganzen Nachmittag am Ort und ich übte mit Ojo, während sie im Auto schlief. Als sie erwachte, konnte ich sie allen Freunden zeigen. Gut sozialisierte Malinois-Rüden begrüßten sie herzlich und rücksichtsvoll. Diese zeigten die gleiche soziale Kompetenz wie die Besitzer. Wie sagt man so oft: „Wie der Halter so sein Hund“ – stimmt auch in dieser Beziehung.
Spätabends erreichten wir meine Wohngegend, und so konnten sie sich nochmals versäubern. Danach fuhren wir endlich zum neuen Zuhause. Dort entnahm ich beide Tücher aus der Autobox und trug diese mit in die Wohnung, legte diese in die kleinere Flugbox, ebenso den kleinen Hund und das war’s für den Tag. Die Box steht natürlich neben meiner Bettstatt, und bis ich mich selbst fertig fürs Schlafen gemacht hatte, jammerte Jypsy. Sobald ich im Bett lag, wurde sie ruhig und schlief bis gegen 05.00 Uhr! Ein leises Fiepen und ich war gleich wach, trug das kleine Hündchen hinaus auf die Wiese, wo es sich versäubern durfte! Ich lobte sehr und ließ sie danach erstmals die Wohnung erkunden. Es war spannend, mit welchem Interesse ein Welpe alles untersucht und beschnuppert.
Nach kurzer Zeit steckte ich sie wieder in die Box, sie jammerte leise, denn sie wollte lieber mit Ojo frei in der Wohnung bleiben. Ich ließ das Gejammer einfach über mich ergehen, denn so laut war es auch wieder nicht, stellte das Radio ein und so beruhigte sie sich nach einer Viertelstunde, wobei ich in Sicht- und Hörweite blieb. Ojo lag auf seinem Schlafplatz und kümmerte sich kaum um die vorübergehend zugezogene Mitbewohnerin.
Nach dem Frühstück ging es wieder hinaus in die Natur und danach zum Fachmann für Hundesportartikel. Dort kauften wir das noch ein, was mir zu fehlen schien. Ich entschied mich für eine Roll-Leine (8 m), einige Spielsachen wie Ball, Beißwurst, dickes, farbiges Seil, Leine und ein zusätzliches Wasser-/Futtergeschirr fürs Auto. Einiges hatte ich ja noch aus der Jugendzeit von Ojo, und dies lag zu Hause bereits am richtigen Ort für Jypsy bereit.
Dann auf den Hundeplatz, wobei sie in der Box im Auto lange schlief. Um 14.00 Uhr fuhren wir zur ersten Spielstunde für Welpen. Die Straße führte nach Wyden zu Vreni Reding, selbst Hundeführerin und Ausbildnerin mit großem Fachwissen. Eigentlich wäre dies bereits am zweiten Tag noch zu früh für Jypsy, doch der Welpe war durch die Vorprägung der Züchter schon so selbstsicher, dass hier absolut nichts zu befürchten war. Noch war die Leine für sie ungewohnt und ich bemerkte auch, wie sie nach einigen Metern zum Auto zurückstrebte. Dass dies ganz natürlich sei, erklärte man mir auf dem Hundeplatz. Das Auto wurde nun in kürzester Zeit zur sicheren Höhle, und der Welpe entfernt sich zu Beginn seinem Wolfs-Erbe entsprechend nur ungern von diesem geschützten Platz. Mit einigen Lockrufen folgte sie mir an langer, loser Leine, denn wegziehen, also den Hund zum Nachfolgen zu zwingen, bringt ja nichts. Locken anstatt Zwingen ist die Devise bei allen Welpen. Auch ein Stück des Weges unter den Arm nehmen hilft, diese erste „Blockade“ zu überbrücken. Wir sahen dort viele Geräte und Spielgegenstände und natürlich die verschiedensten Welpen, also sicher so über zwölf junge Geschöpfe und einen größeren MalinoisRüden. Wir wurden angewiesen, die Hunde zu beruhigen, sie vor uns hinzusetzen, und schon diese Übung war für mein Temperamentbündel eine kleine Herausforderung. Hatte der Welpe zu mir ja noch wenig Vertrauen, und Vreni sagte richtig, dass man den Welpen die ersten Tage nur bei sich haben und erst danach in die Schule für Welpen kommen sollte. Es wurde fachlich kompetent auf die wichtigsten Probleme – wie erziele ich Stubenreinheit, Leinenführigkeit, wie soll man strafen usw. – eingegangen, und am Ende der Stunde waren wir gut eingedeckt mit nützlichen Hinweisen. Hunde frei: Und ich überließ alles dem Schicksal. Die Hunde wurden losgelassen und jeder schaute beinahe ausschließlich auf den Seinigen. Ein Welpe benahm sich etwas zu forsch, beinahe aggressiv und wurde gekonnt von Vreni auf den Rücken gelegt, beruhigt und danach wieder springen gelassen. Dies zeigte große Wirkung, doch es ist sehr wichtig, dass dies nie vom Hundeführer selbst gemacht wird (Vertrauensverlust)!
Meine Jypsy verliebte sich sogleich in den Malinois und rannte ihm nach. Wie er ihrer gewahr wurde, stellte sie sich ihm entgegen, knurrte und gab zu verstehen, er möge sich benehmen, sonst …, aber er glaubte ihr nicht und schon hackte sie mit ihren Zähnchen auf ihn ein, sodass er wegrannte, sich aber immer wieder mit der Geste „Fang-mich-doch“ annäherte. Jypsy ist in dieser Beziehung sehr unerschrocken und ich selbst so überrascht über ihr Verhalten, sich verteidigen zu wollen, dass die Vreni meinte, sie wäre vielleicht etwas überfordert und reagiere deshalb unsicher respektive aggressiv. Aber schon frühmorgens auf dem Spaziergang trafen wir eine ältere Tervueren-Hündin, und als diese sich meiner kleinen „Hexe“ näherte, stellte sie sich vor diese und knurrte schon gut hörbar. Diese witterte, dass dies ein Welpe sein musste, und wich beschwichtigend zurück.
Heute, am dritten Tag bestimmten die kurz gehaltenen Spaziergänge den Ablauf des Tages. Zu Hause war dann das Spielen, das Beobachten und das Verstehen der Bedürfnisse angesagt. Vor allem brauchte sie noch viel Schlaf. Heute Abend, als ich sie in die Tagesflugbox legte, war sie sofort still, nachdem sie sich auf der Dachwiese großartig versäubert hatte und danach mit Ojo noch etwas herumtollen durfte. Wie sie heute Nachmittag am Teppich zu nagen begann, fasste ich sie wortlos am Nacken, indem ich von hinten her über sie hinwegschritt und mich bückend sie etwa dreißig Zentimeter zurückschubste. Kommentarlos ging ich weiter. Sie realisierte noch nicht, dass ich der „Bösewicht“ war, und glaubte sehr wahrscheinlich, es sei vom Teppichnagen verursacht worden. Als ich wieder aus dem Büro kam, lag sie neben Ojo, dem großen Schäferhund und beschäftigte sich mit einem großen Blatt aus dem Garten und war restlos zufrieden. Ojo konnte nun, nachdem er so wunderbar von der Hündin Arca geprägt worden war, all das weitergeben, was er von seiner „Prägungshündin“ erfahren durfte. Er ist äußerst geduldig, liebevoll und zärtlich mit dem wirbeligen Wesen, das mit ihm machen kann, was es will wie Ohrenkneifen, Lefzen lecken, auf ihn springen und vieles andere mehr.
Heute Abend geht es zu einem Anlass und die Hunde nehme ich immer mit. Versäubern, Abfahrt, dann im Auto an Ort zu fressen geben, Wasser bereitstellen und so schliefen sie dann auch, bis wir nach Hause fuhren. Danach nochmals hinaus ins Freie und dann aber ab ins „Körbchen“!
Den vierten Tag bei mir. Vorerst mal gute fünf Stunden durchgeschlafen, Jypsy meldete sich erst, nachdem ich aufgestanden war. Ob sie vielleicht nicht noch weiter durchgeschlafen hätte, weiß ich daher nicht. So nahm ich sie einfach auf und trug sie in den Garten. Danach in die Box, die tagsüber im Wintergarten platziert ist, doch nun reklamierte sie wohl über eine halbe Stunde winselnd, bellend und wieder fiepend. Ich dachte, jetzt zieht sie alle Register, um mein Herz zu erweichen, das wohl arg litt, aber ich durfte nicht nachgeben. Würde ich darauf reagieren, würde sie lernen, mit Bellen, Winseln und großer Unruhe gibt mein Chef schon nach und holt mich heraus. Wie sie eine Viertelstunde still war, erlöste ich sie aus der Hundeflugbox.
Nach den Spaziergängen fuhren wir noch in die Stadt, und direkt vor der Bahnhofhalle in Zürich parkierten wir unser Auto. Der Straße entlang – großes Staunen über den „Stahlkoloss Tram“, über Lastwagen und die vielen Autos — spazierten wir in die beeindruckende Halle. Menschen mit Koffern, vor allem auf kleinen Rädchen gezogen, Taschen, Elektrofahrzeuge, Radfahrer …, alles betrachtete sie mit Staunen, etwas vorsichtig aber ohne Angst. Jypsy suchte nicht einmal meine Nähe, nein, sie war interessiert an Wänden, Markierungen von anderen Hunden und stolzierte mal rechts, mal links; selbst zu Menschen war sie freundlich. Sie beugten sich zu ihr hinunter und streichelten sie – also nach gut zehn Minuten dachte ich, dass es für heute genug sei, und wir steuerten wieder zu unserem Auto.
Noch immer löst sie sich schlecht vom Auto und freute sich, wenn sie eine offene Heckklappe sieht, selbst bei fremden Autos, um dort ihren Höhleneingang zu vermuten. Zu Hause schlief sie gut und fest, und den heutigen Tag beendeten wir, denn all die Eindrücke müssen ja auch seelisch vom Welpen verarbeitet werden, und wie macht er dies? Im Schlaf natürlich.
Der fünfte Tag bei mir. Um 05.30 Uhr aufgestanden, Jypsy schlief durch, und so fuhren wir frühmorgens, nach kurzem Spaziergang Richtung Westschweiz. Um 09.00 Uhr waren wir in mir bekannter Umgebung, und Ojo durfte Fährten und Gehorsam üben. Jypsy traf zu meinem Erstaunen und zur Freude vieler ihren Bruder Joy. Es war interessant, dass Jypsy selbstständiger war, Joy schien aber das bessere Zutrauen zu seiner Besitzerin Silvia zu haben. Hier stellte ich fest, dass möglicherweise ein verstärktes Sich Abgeben mit dem Welpen ein diesbezüglich besseres Ergebnis zeigt, doch ich hatte Jypsy ja auch zwei Tage weniger bei mir. Es war ziemlich kalt (3°), und Jypsy zitterte leicht. Sie ist eine kleine „Schlotter-Liesel“, dies deshalb, weil ihr Fell noch nicht so dicht ist. Hier lernte sie den ersten Schnee kennen und stapfte uns wacker nach, doch ob es ihr Spaß machte, war nicht zu erkennen. Schnell hatte sie genug und wollte wieder an die Wärme und betrachtete die Welt lieber aus ihrer Höhle. Außer der neuen Umgebung war nichts speziell an diesem Tag, und auch der folgende brachte nur wenig Abwechslung. Alle Freunde, für sie wildfremde Menschen, durften sie streicheln und freuten sich mit mir an ihrer Aufgewecktheit. 23.00 Uhr Bettruhe!
Ich brauche kaum zu erwähnen, dass zu Hause der Welpe entweder Ojo oder mich sucht, um sich geborgen zu fühlen. Auch ganz einfache Spiele wie „Fang-mich-doch“ gehen zwischen den zwei Hunden ab, oder der Versuch, an einer Pflanze zu zupfen. Doch sobald ein klares „NEIN“ erklingt, hält sie augenblicklich inne und merkt, dass dies nicht gewünscht ist. Der Einfallsreichtum eines Welpen ist vielschichtig und bedarf eines großen und auch erfüllenden Engagements, stets mit viel Wohlwollen darauf zu achten, dass sie sich benehmen lernt, natürlich ohne viel Nachdruck. Wichtig ist aber auch, dass sie etwas hat, womit sie sich beschäftigen darf. Eine alte papierne Einkaufstasche und ein paar Kartons stellte ich bereits hin. Spielgegenstände sind hier von großem Nutzen. Zu diesem Zeitpunkt brauchen wir Toleranz betreffs der Dinge, die da plötzlich herumliegen. Je mehr der Welpe vom Halter zu spielen bekommt, umso weniger Unfug macht er. Je ruhiger und gelassener wir zweckentfremdetes „Spielzeug“ wegnehmen, umso weniger interessant ist es für den Hund, und er beschäftigt sich mit dem, was wir ihm eben überlassen. Außer dem ständigen Aufräumen haben wir so keine Probleme und der junge Hund kann sich selbst beschäftigen. So fühlt sich Jypsy sicher und wohl und lernt dadurch, sich mit etwas auch konzentrierter auseinanderzusetzen. Das Zerlegen eines Kartons wird auch laufend effizienter, und ihr Eifer überrascht. Auch erkenne ich ihr Beobachten der Umgebung, indem sie, wenn sie wach ist, vor allem mich aufmerksam verfolgt und immer genau hinschaut, was ich tue. Ist dies Misstrauen oder Neugier? Das weiß man noch nicht so genau.
Am siebten Tag war bereits um 06.15 Uhr Tagwache. Jetzt hat sie schon über sieben Stunden durchgeschlafen! Zuerst versäubern, dann Spiel mit Ojo und mir, dann Frühstück und wieder ab in die Flugbox, damit ich mich in Ruhe ebenso bereit machen kann. So beginnen die Tage und es ist für mich bequem, denn sie benutzt zur Überbrückung der Wartezeiten Spielzeuge wie Tragetaschen und Bierkartons und zusätzlich noch das dicke Seil. So bin ich immer dabei und nichts lasse ich sie benagen oder sonst wie beschädigen außer das ihr Zugeordnete. Sie ist ja ständig unter Kontrolle und wird notfalls von mir abgelenkt, sofern sie etwas tun will, das unerwünscht ist.
Wir fuhren zu einem weiteren Übungsplatz, lernten eine neue Umgebung und weitere Menschen kennen und sahen dem Schutzdienst fortgeschrittener Hunde zu. Sie verhielt sich neutral, d. h., sie war unbeeindruckt und verhielt sich auch entsprechend. Überhaupt finde ich, diese Hündin strahlt viel Ruhe aus im Auftreten, ist absolut nicht schutzbedürftig, sondern zeigt sich selbstbewusst. Mir ist nun klar, warum der Züchter diesen Hund nicht in eine Familie geben wollte, denn dazu wäre er von der Veranlagung her wohl geeignet aber schnell auch unterfordert, denn diese Zuchtlinie braucht mehr Engagement, rein von der temperamentvolleren Veranlagung her gesehen. Diese Sporthündin, was nichts aussagt über deren zusätzliche Fähigkeiten, denn nun ist sie ja noch ein Hund wie jeder andere, muss erst noch richtig und gut geprägt werden, um sich zu einem angenehmen Hund für unsere Gesellschaft zu entwickeln. Nun wechseln sich Hundeplatz und Prägungskurse für Welpen ab. Dies ist halt so, wenn man zwei Hunde hat. Ich bin so stolz auf sie, dass ich nicht daran denken mag, sie eines Tages wegzugeben, um einen oder eine gute Hundesportler(in) glücklich zu machen. In der Spielstunde für Welpen geht‘s locker zu, die Leiterin hat für jeden Hund ein gutes Gespür und erkennt Verhaltensänderungen, auf die sie auch hinweist. So war Jypsy bereits nicht mehr so aggressiv wie das erste Mal und als ich wünschte, dass sie sich hinsetzt, drückte ich aus alter Gewohnheit mit der linken Hand das Gesäß herunter. Sie reagierte recht zickig, und die Leiterin wies mich an, den Hund nicht zu drücken, sondern zum Aufsehen zu bewegen und dadurch das „Sitz“ zu erreichen. Sehr richtig … es funktionierte, und ich musste nur noch bestätigen „Brav Sitz; feine Jypsy“. So vermeiden wir Konflikte gerade zu Beginn der Prägungszeit. Auch wenn der Hund an der Leine zieht, nicht zurückziehen, sondern nur mit feinem Zupfen dem Hund ein störendes Gefühl vermitteln und ihn freundlich auffordern, das zu tun, was wir wünschen, nämlich das Bei-mir-bleiben. Sofern wir nur ziehen, und dazu braucht es nicht viel bei dem „Fliegengewicht“ eines Welpen, lernt er das Entgegenstemmen. So müssten wir später oft mehr Kraft aufwenden, denn sie hätte, anstatt zu mir zu kommen, das Entgegenhalten gelernt.
Zu Hause habe ich ein altes Frottiertuch bereitgelegt und damit das Spiel eröffnet. Es ist eine Freude, wenn man daran ziehen konnte und vor allem, wenn es dann mit einem „Ratsch-Geräusch“ zerriss und jeder sich ein Stück eroberte. Der große Schäferhund hat seine Liebe für dieses Spiel wiederentdeckt und half tüchtig mit, das Tuch in hundert kleine Stücke zu zerteilen. Auch kleine Hölzchen, aus dem Wald nach Hause getragen, liegen herum, und auch hier hat die Kleine großen Spaß, vor allem, wenn sie diese von Ojo stibitzen kann. Dann trägt sie diese wie eine Trophäe herum und rennt damit um Tisch und Stühle. Ojo lässt alles sofort los, wenn sie ihm einen Gegenstand aus seinem Fang zerrt, und überlässt ihr diesen genauso, wie er es zu seiner Zeit von seiner „Ziehmutter“ lernte.
Am zehnten Tag sah ich ein, dass ich unbedingt auf vermehrte Ruhepausen achten muss, denn Welpen brauchen noch viel Schlaf. Trotzdem postierten wir uns, weil eine Schule so nahe liegt, nach Schulschluss in der Nähe des Ausgangs derselben, welcher über den Pausenplatz direkt zu unserem Standort führte. Absolut nicht ängstlich, sondern vorerst nur fixiert auf einen zerquetschten Apfel und auf ein angegessenes Stück Brot erwartete sie trotz allem interessiert die Kinderschar. Ein Lehrer war dabei und ich sagte, dass es sich um einen Welpen handle und dass die Kinder sie, ohne Angst zu haben, streicheln dürfen. Der Lehrer ging in die Hocke und Jypsy küsste ihn sogar, durfte an ihm aufstehen und auch die Kinder streichelten die niedliche kleine Jypsy. Ich riet ihnen, die Händchen nicht von oben herab zum Hund zu bewegen, sondern von vorne unten. Manch ein Hund könnte ja meinen, man wolle ihn packen und wäre verängstigt. Auf der anderen Straßenseite lag mein Schäferhund auf dem Gehsteig und wartete. Das Kind einer Frau mit einem kleinen Hund, die ebenfalls vorbeikamen, wollte aber zum großen Hund. Ich rief Ojo herbei, das Kind umarmte ihn. Er reagierte ganz liebevoll mit einem Stups mit der Nase auf die Wange.
Nachmittags fuhren wir zum Tierarzt, wo Jypsy die letzte Impfung erhielt. Dieser war erstaunt über meine aufgeweckte Hündin, die die Praxis genau untersuchte, alles beschnupperte und sich so zwanglos benahm, als wäre sie in ihrem Revier. Nach der Impfung, die sie ohne Reaktion über sich ergehen ließ, untersuchte der Arzt Augen und Ohren, Herztöne, Gelenke und Muskulatur und attestierte mir ihren guten Zustand, also ein gesunder, junger Welpe.
Bereits am elften Tag ein Hurra!!! Voll durchgeschlafen!!! Von abends 10.00 Uhr bis morgens um 06.45 Uhr!!! Welche Leistung von meinem Hündchen! Zuerst hinaus, dann Frühstück, sodann kurzer Schlaf und danach erneut aufs Feld. Wir trafen noch verschiedene Hunde, doch Jypsy benimmt sich bereits wie eine erfahrene Hündin. Interessiert aber nicht aggressiv, freundlich zu den Menschen, also alles in allem ein Hündchen wie aus dem Bilderbuch. Wenn sie dem Ojo nachrennt und ich sie aus einer gewissen Distanz rufe, dann kommt sie wie der Blitz zu mir, wo ich sie, ohne mit Leckerli zu locken, lobe, indem ich streichle und sie gleich wieder springen lasse. Wenn ich dann Ojo rufe, rennt sie ihm entgegen, als wollte sie sagen: „Wir haben doch gesagt, du sollst sofort kommen!“ Sie kneift ihn in sein dickes Fell, was Ojo nie beeindruckt. Nach dem Spaziergang legte ich sie ins Auto, und ich machte noch eine interessante Runde mit Ojo allein. Man muss schon sehr aufpassen, dass der Welpe keine Vorzugsbehandlung genießt, denn damit könnte man möglicherweise Eifersucht erwecken, oder der ältere Hund würde möglicherweise resignieren, aber eben das wollen wir ja verhindern. Er knurrt wohl hin und wieder, was ich bei ihm sonst nicht beobachtete, doch mir kommt es vor, als wäre dies wie ein großväterliches, liebevolles Knurren, um mit Jypsy auf seine Art zu kommunizieren. Es ist schon speziell, einen großen Hund mit einem Welpen spielen zu sehen, der bewusst gefühlvoll und mit Rücksicht reagiert, um die feingliedrige Jypsy ja nicht zu verletzen. Ich empfinde im Betrachten dieses gemeinsamen Spiels ein überdurchschnittliches Glücksgefühl, was ich in der Jugendzeit bei Ojo bereits schon mal erlebte, als ich zusah, wie gefühlvoll auch er von der älteren Hündin umhegt und gehätschelt wurde.
Wie reagiert sie wohl auf den Staubsauger, dachte ich mir. Ojo wollte stets in die Saugdüse beißen, und ich musste ihn zurückrufen. Jypsy hingegen ging hin, beschnupperte den „Luftheuler“. Und? Ja, ich hab’s gesehen, nichts Interessantes für mich; und entfernte sich. Nervenstärke zeigt sie! So, nun aber wieder in die Flugbox, Trinkwasser hat sie drinnen und ohne zu fiepen oder zu bellen, akzeptiert sie dies und schläft in Minuten so, dass alles Übrige schon weit weg erscheint. Das rechte Ohr ist jetzt fest und gut geformt, beim linken kippt noch leicht die Spitze, aber in ein paar Tagen trägt sie bestimmt beide Ohren aufrecht, die sich später noch weiter festigen werden.
Eine interessante Feststellung machte ich. Sie betrachtet wohl die Wohnung als ihre Höhle, doch der Eingang des Hauses sowie die Garagenhalle bezieht sie nicht mit ein. An diesen Orten versuchte sie regelmäßig, sich zu versäubern, und ich komme bald nicht mehr darum herum, sie bis zum Auto zu tragen, damit sie sich am richtigen Ort von ihren Bedürfnissen befreien lernt.
Wenn wir irgendwo allein sind, also Jypsy und ich keine Gefahr erkennen, lasse ich sie frei laufen und gehe zügig vorwärts. Ich schaue mich nicht um, und so lernt sie, auf mich zu schauen, denn in der Wildnis ist ein Welpe, der den Anschluss an sein Rudel verliert, verloren, und genauso folgt sie uns auch. Der Wald ist dazu ideal, denn Bäume sind gute Verstecke, und so verfolgt uns der Welpe mit aller Intensität. Dies wirkt in vielerlei Hinsicht positiv, da es auch die Aufmerksamkeit des Hundes auf den Hundeführer fördert.
Sonntag, den 7.12.03 – Welpen-Spieltag bei einer der bekanntesten Welpen- und Prägungsschulen in Zürich, bei Dina Berlowitz und Claudia Oberer, begleitet von Heinz Weidt.
Gut vorbereitet, nach langem Schlaf von 22.00 Uhr bis 06.15 Uhr, begann der Tag mit Frühstück, einem kurzen Spaziergang und dann mit Zusatzpause für Jypsy bis zur Prägungsstunde. Wenn man auch glaubt, alles richtig zu machen, ist man immer wieder froh, Tipps zu erhalten. Wann und wie strafen, wann loben usw. Man vergisst alles so schnell, sobald der Hund groß ist. Bei mir ist es doch erst gute vier Jahre her, seit ich am selben Ort mit Ojo die Prägung absolvierte. Über neueste Erkenntnisse informiert zu sein, kann ich jedermann nur empfehlen. Durch das Auffrischen seines Wissens und das Aufzeigen wichtiger Entwicklungsschritte helfen diese Kurse, unsere neuen Begleiter konfliktlos auf ein harmonisches Zusammenleben vorzubereiten. Man lernt vor allem, den eigenen Hund mit all seinen Stärken und Schwächen, auch im Vergleich zu anderen, zu sehen. Zeitliche Abstände zwischen leichtester Korrektur und Lob sind bei einem Welpen anders als beim erwachsenen Hund. Man soll nicht so schnell nacheinander loben oder tadeln, denn dies verwirrt ihn, und er weiß deshalb oft nicht mehr, ob er gelobt oder eben getadelt wurde. Auch bin ich überzeugt, dass sämtliche Korrekturen sehr gut überlegt sein sollten, und behaupte: Weniger ist mehr! Alles aber sollte gelassen, klar und emotionslos ausgesprochen werden und man bedenke, auch Hunde müssen unsere Ausdrücke erst mal verstehen lernen (Die Züchterfamilie sprach Französisch und ich Deutsch und zu alledem noch alles in einer anderen Klangfarbe!). Wenn eine solche Prägung etwas kostet, so ist dies nichts im Verhältnis zum Nacherziehen im Junghundealter. Dies kostet später viel mehr Nerven und verursacht mehr Knatsch mit dem Hund, als wir uns vorstellen wollen. Durch eine Leiterin wurde mir, nachdem meine Jypsy sich überaus dominant und teilweise aggressiv zeigte, empfohlen, meinen Hund zu disziplinieren, indem ich meine Jypsy auf den Rücken legen sollte. Ich machte dies, ohne genau zu überlegen, doch meine Hündin lernte damit nur, dass dieser Platz für sie gefährlich ist, vor allem das „Zumir-Herkommen“. Ich konnte sie kaum mehr einfangen und an die Leine bringen. Dieser falsche Zugriff verband mein Hund mit der Örtlichkeit und kam an den folgenden Kurstagen (wöchentlich nur einen) auf diesem separaten Sektor des Übungsplatzes vorerst nicht mehr zu mir, das heißt, sie kreiste wohl um mich, doch sie ließ sich nicht fassen. Draußen und auf anderen Spielplätzen des Welpen-Prägungsareals blieb ihr Verhalten völlig normal, und sie kam immer, wenn ich sie rief. Dies zeigt, dass Welpen sehr sensibel reagieren, also lieber zuerst denken und erst dann handeln. Hätte die Leiterin diszipliniert, wäre möglicherweise überhaupt nichts passiert, außer einem leicht größeren Misstrauen zu fremden Personen. Wir erhielten noch zusätzliche Unterlagen, was aufzeigt, wie komplex das Thema Hund respektive Welpe doch ist, wollen wir eines Tages einen erzogenen, ausgeglichenen, selbstsicheren und glücklichen Begleiter mit uns führen. Die Broschüren helfen enorm im Alltag und enthalten allesamt wichtiges Wissen rund um das Thema Hund.
Nach der Prägungsstunde war Jypsy „hundemüde“ und schlief gleich im Auto, während ich mit Ojo noch einen Spaziergang machte, um dann zusammen nach Hause zu fahren. Danach Verpflegung für Jypsy und Mittagsschläfchen, wobei ich sie zum ersten Mal nicht in die Box legte, sondern sie frei ihren Platz zum Ruhen auswählen ließ. Zuerst spielte sie noch mit dem großen Karton, den sie schon seit einigen Tagen bearbeitete, um sich kurz danach zum großen Schäferhund auf die Liegematte zu legen. So schliefen sie gemeinsam ausgiebig. Als sie erwachten, trotteten beide zu mir, ich schnappte mir die Kleine und trug sie auf die Wiese, wo sie innerhalb von Minuten ihre Geschäfte verrichtete. Ich habe sie heute beim Scharren im Erdreich korrigiert, denn wer will schon große Löcher im Rasen. Ich unterbrach ihre Tätigkeit lediglich mit einem lauten „Nein!“ und bin heute überzeugt, dass viele allzu schnell beim Korrigieren die Hände zu Hilfe nehmen, doch der Hund lernt hierbei nur, dass die Hände „gefährlich“ für ihn sind. Ein schlauer Welpe lernt so das Ausweichen oder Fliehen vor dem Halter. Also Hände weg vom Hund beim Strafen, denn bestimmt gesprochene Worte bringen zu Beginn ebenso viel Wirkung. Zu Hause allenfalls einen kleinen Ruck mit einer am Halsband oder Brustgeschirr befestigten losen Schleppleine geben; das ist genug, um einen Hund zu verblüffen, denn er bringt eine Korrektur (Zurückzupfen) meist mit dem Objekt in Verbindung, mit welchem er sich gerade unerlaubt oder unerwünscht beschäftigt.
Jypsy ist jetzt genau zehn Wochen alt und hat seit gestern von 21:00 Uhr bis heute früh um 06:30 Uhr geschlafen. Ich bin echt stolz und erfreue mich jeden Tag ihrer Fortschritte. Heute auf dem Morgenspaziergang begegneten wir einem Rudel von fünf kleineren Hunden. Ich ließ sie frei, und sie begab sich dazwischen, als hätte sie schon immer dazugehört. Ich bin selbst überrascht, was dies für ein Hund ist. Eine Kollegin wollte sie streicheln, doch dies wollte sie nicht und reagierte zickig. Sie schnappte in ihren Ärmel, diese packte sie am Kragen und wollte sie entfernen, aber dies verstärkte ihre Gegenwehr, und sie knurrte bedrohlich. Ich nahm sie ihr vom Ärmel, denn zögerlich darf man nicht sein. Sie lässt sich nur etwas gefallen, wenn man es richtig macht, kurz, zackig und bestimmt. So fasste ich sie am Nacken, griff mit der anderen Hand nach ihrem Unterkiefer plus Lefzen, zog diese über die Zähnchen und öffnete ihr den Fang, zog sie zurück und schubste sie neben der Person auf den Boden. Auf ein Gerangel sollte man sich nicht einlassen. Das ist ein Welpe, der rasch mit Aggression reagiert. Zeigen wir uns zögerlich, würde er sofort glauben: Ja, ich bin ja stark! Und gerade dies gilt es zu verhindern. Ein solcher Sport-Hund braucht Führung, Verständnis, und nur so kann er sich zu einem ausgeglichenen Hund entwickeln. Deshalb wären Unerfahrene mit solchen Hunden rasch überfordert. Jeder Hund ist auf seine Weise ein Edelstein, nur allzu viele gute Eigenschaften schüttet man frühzeitig durch Unkenntnis auf Nimmerwiedersehen zu. Mit diesen Zeilen möchte ich dieses Wissen vermitteln, obwohl auch mir sicher Fehler unterlaufen, aber immerhin – die augenblicklichen Resultate zeigen, dass ich viele positive Reaktionen erkenne und in vielen Dingen wohl richtig liege.
Heute setzte sie sich zum ersten Mal gegen meinen großen Rüden durch. Sie lässt sich nicht bevormunden. Hierin sehe ich, dass sie sich schon früh zu einer Persönlichkeit entwickelt und sich ihm nicht so mir nichts dir nichts unterordnet. Dies zeigt ihre Stärke und verweist auf eine unbeschädigte Jugendzeit. Das sind Eigenschaften für den Sport, wo der Hund selbstbewusst sein muss, um bestehen zu können, und diese Veranlagung tragen sie alle in sich. So hängt es von uns ab, ob wir das noch junge Wesen respektieren wollen und damit umzugehen lernen, oder ihn in seiner Persönlichkeit schwächen. Sind wir unsicher und zögerlich, so ist dies für den Hund, als ob wir Angst hätten und er uns mit seiner Aggression beeindrucken könnte. Dies wäre absolut falsch, denn wir haben die Vorbildfunktion. Brachiale Gewalt versteht der Hund so wenig wie ein Ignorieren, und so bleiben wir einfach gefühlvoll und konsequent, denn schon nach Sekunden lebt er wieder im Jetzt, und daher sind wir gefordert, gelassen, großmütig und verständnisvoll zu sein.
Zumeist ohne Leine durch den Wald, schon erkannte Jypsy wieder den Baumstamm, der um des großen Lobes, das sie dort geerntet hatte, ihr vertraut war. Schnell versuchte sie, selbstständig erneut auf diesen der Länge nach daliegenden Stamm zu klettern. Ich half ihr, das war aber nicht genug, sie sprang auf den nächsthöheren, danebenliegenden und rannte bis zum Ende. Ich spurtete neben ihr, sagte: „Schön Warten!“, Ojo auf dem kleineren Stamm stand still, ebenso auch Jypsy, und so konnte ich die Kleine mit viel Lob und Belohnung wieder auf den Boden stellen. Zu hohe Sprünge schaden einem Welpen. Aber hier erkennt man, wie schnell ein Hund ein Forderungsverhalten entwickelt und somit gehört stets das gute Beobachten mit dazu, um entsprechenden Nutzen aus solch einem Verhalten zu ziehen. Auf diese Weise kommunizieren wir aktiv und können dies in der weiteren Ausbildung immer wieder fördern und nutzen. Wichtig ist vor allem das Erkennen der Situationen, in welcher unser Hund entsprechendes Verhalten anzeigt, also selbst vielleicht erwartet, dass er belohnt wird. Eine Belohnung zu fordern treibt fast jeden Hund zu einer Leistungssteigerung. So lernt der Hund freudig und dies unterstützt die Ausdauer.
Mit dem Versäubern klappt es ganz ordentlich, hin und wieder mal ein ganz kleiner See, aber das ist absolut irrelevant. Es braucht seine Zeit und von uns die Einsicht, dass nur wir die Fehler machen. Aber eines ist sicher, praktisch jeder Hund ist bisher stubenrein geworden.
In meinem Büro beschäftigt, überließ ich beide Hunde sich selbst im Wintergarten, dessen Türe sich durch einen Luftzug selber schloss. Zu Beginn schliefen sie friedlich nebeneinander, doch jetzt nach einiger Zeit stand ich auf und wollte mal sehen, was die so treiben. Du meine Güte, welcher Anblick! Die Blumenvase auf dem Tisch ausgeleert und natürlich alles Wasser über Tisch und das Sitzpolster der Bank und die Stühle. Aus den Pflanztöpfen war Erde ausgebuddelt, ein Kissen am Boden, eine zerrissene Zeitung lag verstreut; also es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Wie ich herantrat, hetzte die Kleine in die Stube, ich war gerade am Aufräumen und dachte, ach hätte ich sie doch in die Wiese hinaus gelassen, schaute nach ihr, sie hetzte wieder an mir vorbei, ich öffnete die Schiebetür zum Garten, beide hinaus und ich sah, wie sie sich mit nur ein paar Tröpfchen versäuberte. Rasch in die Stube und gleich erkannte ich den kleinen See. Na ja, wenn man nicht aufpasst, dann hat man eben die Bescherung. Ich dachte, sie hätten beide geschlafen, aber nein, sie glaubten wahrscheinlich, sie wären im Wintergarten eingesperrt, und Jypsy verhielt sich deshalb so. Jetzt, wo wieder geputzt und aufgeräumt ist, habe ich das Schreiben wieder aufgenommen und die Hunde schlafen neben mir und vielleicht träumt Jypsy von der lustigen Party und Ojo von der kleinen, übermütigen und wirbligen Jypsy.
Jetzt ist sie schon einige Zeit bei uns, und ich finde ihre Lebensfreude, ihren Übermut, ihre Neugierde und ihr Temperament total bezaubernd. Es gibt Dinge, die ich nicht will, so soll sie meine Schuhe nicht zum Spielen nutzen. Doch der kleine Aufwischbesen, den sie irgendwann mal sich schnappte und darauf herumknapperte, überlasse ich ihr nebst den Kartonschachteln. Sie hat die Nase überall dort am Boden, wo Ojo gefressen hat, und kontrolliert die Umgebung auf eventuelle Krümel gleich einem Staubsauger! Sie schläft nun durch, von abends 21:00 Uhr bis morgens 07:00 Uhr ohne den kleinsten Piepser.
Die ersten paar Wochen bei mir zu Hause waren geprägt von großer Skepsis. Was ich tat, wo ich stand, wie ich mich bewegte, beobachtete sie haarscharf. Doch nun schien sie mir endlich zu vertrauen und so bemerkte ich erstmals, wie sich Bindung im Grunde des Herzens anfühlt. Es bestätigte meine Überlegung, die ich mir vor der Übernahme gemacht hatte, und hatte doch noch keine Ahnung, wie sich Bindung überhaupt anfühlt und wie sich diese über die Zeit entwickelt. Es schien mir wie ein vertrauensvolles Band das zwischen ihr und mir gespannt war. Dieses neue Gefühl durfte ich nun genießen und ich verspüre dies noch heute. Ich ließ sie weitestgehend gewähren, machte nie Jagd auf sie und beobachtete sie ebenso wie sie mich. So erkannte ich einen großen Unterschied zu Ojos Anfangszeit. Ihr Vertrauen schien enorm gewachsen zu sein und gerade dies war mein Ziel. Wie verhält sich dieses Vertrauen, wenn man es zementiert während der Ausbildung? Doch eines muss hier gesagt sein: Das gegenseitige volle Vertrauen ist die Basis eines konfliktlosen Zusammenlebens und beflügelt schlussendlich die Ausbildung. So verspürte ich förmlich: kein Misstrauen, kein Flüchten, keine Vorsicht mehr, sondern nur reines vertrautes Verharren und Erwarten. Dies berührte mich so sehr und ich bin überzeugt: Hier begann die Bindung und ich erkannte erstmals, wie sich dies anfühlt!

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