Traumhund, Buch von Emil Keller

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Jypsy mit zehn Jahren

Die dreijährige Pause durch mein Engagement mit Faust und nach dessen Tod ließen Jypsy in keiner Weise verdummen, und sie zeigte mir ihr früheres Können selbst nach einem langen Unterbruch ohne Probleme. Nach einem Unfall vor anderthalb Jahren habe ich mich wieder hochgerappelt, sodass ich mit Zuversicht und Training mich bereits wieder etwas sicherer fortbewege. Seit dem 4. August fühlte ich mich fähig, einen langsamen Laufschritt zu zeigen. So meldete ich mich selben Tags zur Prüfung am 15. September, denn ich verspürte wieder Lust, mit Jypsy zu arbeiten. Lange Spaziergänge sind keine Lösung für einen wachen und aktiven Sporthund, und so nutzte ich bereits zuvor meine Kontakte mit Gleichgesinnten, um mich einem neuen Verein in dieser Region anzuschließen.
Meine Jypsy wird im kommenden Monat zehn Jahre alt, und damit war IPO nicht mehr die richtige Option. Aus Rücksicht auf ihre Gesundheit, aber auch, weil die damalige Situation im Schutzdienst nicht auf Nachhaltigkeit beruhte, entschied ich mich für die Ausbildung zum Begleithund. Ich stellte schnell fest, dass viele Übungsbereiche bei anderen Prüfungsvorgaben in der Unterordnung identisch geübt werden, was mir Jypsy durch ihr tadelloses Verhalten bestätigte, indem sie selbst nach drei Jahren ohne jeglichen Hundesport noch problemlos die Unterordnung umzusetzen wusste. Ein Hund, der zuhören lernte und Befehle dadurch befolgt, vergisst nichts von einmal korrekt Gelerntem. Was der Hund nicht mehr gleich umsetzt, ist nur die Geschwindigkeit in den Bereichen, wo dies verlangt wird. Dies muss neu trainiert werden, sowie auch die Systemabfolge einzelner Übungen, denn dies ist wichtig, wollen wir den Hund zum Mitdenken animieren und sein Potenzial ebenso würdigen. Hunde sind keine reinen Befehlsempfänger, sondern mitfühlende und mitdenkende Wesen! Aus diesem Grunde sind klare Strukturen im Übungsablauf eine der Voraussetzungen, weil wir mit ihnen eine Zwei-Kanal-Kommunikation nutzen; nämlich die Körpersprache und die Verständigung über das Wort.
Stimmt eine nicht mit der anderen überein, hat der Hund ein Problem, und gerade dann wird seine Kenntnis der Abfolge zur großen Hilfe.
So meldete ich uns schon gleich nach geglücktem Laufschrittversuch zur Prüfung in sechs Wochen, und wir bestanden das BH2 mit 255 Punkten. Dies ist nicht besonders glanzvoll, aber in Anbetracht der Umstände ist dieses Resultat beachtlich, ist diese ja nur der Zwischenschritt zur BH3 Prüfung. Nun können wir diese ins Auge fassen und ich freue mich auf die Herausforderung.
Eine Kostprobe bekam ich knapp anderthalb Monate später, aber die Auslegung des Richters machte uns zusätzlich einen Strich durch die Rechnung. Ebenso schien es mir, dass meine Jypsy nicht in Form war. Auf der Fährte fraß sie krankhaft Gras, als müsste sie Ihren Magen beruhigen, aber was soll’s! Ich habe schon immer gesagt, der Weg ist das Ziel, und die Resultate kommen, sobald Hundeführer und Hund die Ausführungen in verschiedensten Variationen kennen. Weil ich die Vorgaben aus dem Internet nicht herunterlud, wurden wir überrascht vom Recht des Richters zu bestimmen, aus welcher Position das Apportieren und das Voran/Voran geschehen soll. Irrtümlich übten wir dies aus verschiedenen Positionen, aus ganz links das Apportieren und das Voran/Voran aus der Position ganz rechts. Dies brachte meinen Hund aus dem Konzept. Ich freue mich aber darüber, dass Jypsy mich korrigieren wollte und so haben wir diesen Teil der Übung eben nur knapp „bestanden“, anstatt ein „Vorzüglich“ zu erzielen. Aber auch im Revier verhielt sich mein Hund rätselhaft. Sie suchte kaum und zeigte sich äußerst hektisch. Fährte und Revier mit ungenügend hieß: Prüfung nicht bestanden.
Nun habe ich die Ursache über das „Versagen“ bei dieser Prüfung herausgefunden. Gerade ein paar Tage zuvor empfahl mir der Gärtner, um „Unkraut“ in meiner Gartenanlage zu mindern, eine dünne Schicht von „Choco d’Or“ innerhalb der Abgrenzungen der Pflanzen zu streuen, damit diese sich besser vom Rasen abheben einerseits und andererseits Unkraut gleichzeitig keine Chance erhält (im Fachgeschäfte erhältlich). Dies ist fabelhaft, sofern keine Hunde sich in der Anlage befinden. Diese lieben den Schokoladegeschmack, aber wie ich ein paar Tage später erfuhr, ist nicht nur das Schokoladenfertigprodukt für Hunde giftig, sondern selbst die Schalen und Kerne dieser Früchte. Diese enthalten nämlich das Purin Alkaloid Theobromin. Für den Menschen ist diese Substanz unschädlich und hat höchstens eine leicht anregende Wirkung. Beim Hund dagegen ist bereits eine Dosis von einhundert bis zweihundert Milligramm pro Kilo Körpergewicht tödlich. Auch geringere Mengen führen zu heftigsten Verdauungsstörungen. Dies veranlasste meinen Hund, auf der Fährte permanent Gras zu fressen und im Revier verhaltensgestört zu agieren. Ich entfernte diese Deckschicht und die Kontrolle der Blutwerte zeigen wieder normale Werte ohne bleibende Organschädigung. (Durch Zufall erfahren aus der Zeitschrift: „The Dog – Frühling 2013 „Bekömmlich & fein“)
Dies war Glück im Unglück, aber es zeigte mir, wie sich mein Hund trotz allem durchzukämpfen verstand, und war von ihr auch nicht enttäuscht, denn ich sah, dass einfach etwas nicht zu stimmen schien. So lobte ich sie trotz allem. Für mich ist und bleibt sie einfach die Beste der Welt. Aber nun machen wir eine kleine Pause, und so erfreue ich mich ihrer Lebensfreude, ihrem Schalk und ihrer Liebenswürdigkeit. Aber eines ist sicher, ein gut geführter IPO 3 Hund erlernt in drei Monaten die Anforderungen eines BH3 Hundes. Warum finden wir in dieser Sparte nur wenige ehemalige IPO Hunde? Werden diese Hunde nur überbewertet oder deren Halter als „zu hart“ für das sensible Training gehalten, obwohl auch bei der IPO-Unterordnung Ähnliches gefordert ist. So drängt sich die Frage auf: „Sollte nicht IPO durch eine schwierigere UO (Interordnung) aufgewertet werden, durch welche das Feingefühl des Halters genauer unter Beweis gestellt würde?“ So könnte man einem „Führungszwang“ in der Unterordnung entgegentreten. Ein breites Gebiet für Hundepsychologen. Das „Voran/Steh/Voran/Steh, danach Verschieben“ ist nur ein Gedanke, der mir dazu gekommen ist, aber sicher gibt es auch noch weitere Ideen. Je selbstständiger und erweiterter die Arbeit des Hundes in dieser Beziehung wird, umso weniger wird „Führungszwang“ zur unterstützenden Option. So erhalte ich noch heute meine Jypsy durch den BH-Sport mit Fährte, Reviersuche, Unterordnung und Führigkeit möglichst lange körperlich und geistig frisch.
Eine alte Verletzung der äußersten linken Zehe des Vorderlaufes bereitete ihr seit Jahren Probleme. Eine Arthrose bildete sich und schränkte ihren Bewegungstrieb ein. So entschied ich mich, diese Zehe operativ zu entfernen und erfreue mich nun wieder ihrer alten Arbeitsbereitschaft. Sie spielt auch wieder mit Hunden, hat bedeutend mehr Spaß bei Übungen und auch die Spaziergänge sind wieder aktiver mit längst vergessen geglaubten altem Forderungsverhalten, Schalk und Lebensfreude.
Was eine solch unscheinbare Verletzung doch über die Zeit ausmacht, ist kaum zu glauben. So erhöhte sich ihr Körpergewicht, obwohl ich fälschlicherweise glaubte, dass die Ursache an ihrem Alter läge und sie dadurch alles automatisch etwas gemächlicher angehe. Alles war falsch angedacht. Meinen Hund wieder mit voller Aufmerksamkeit und Arbeitsfreude laufen zu sehen, ist ein beglückendes Gefühl. Dazu kommt, dass sie bereits beginnt, durch den natürlichen und nun wiedergefundenen Bewegungsdrang ihr Übergewicht abzubauen. Allerdings musste sie vorerst die neue Technik der Belastungsverteilung durch das Fehlen der kleinen Zehe neu koordinieren lernen, was sie anfänglich durch eine gewisse Schonung anzeigte. Selbst die Muskulatur und Sehnen bedürfen einem Aufbautraining. Ältere Hunde brauchen, wie wir Menschen ja auch, einiges mehr, um die Koordination und Kraft wieder zu aktivieren. So litt sie anfänglich unter dem uns allen wohlbekannten „Muskelkater“. Damit erkannte ich, dass auch hier der Aufbau angepasst werden musste. Mir tut es leid, sie nicht früher dieser Operation unterzogen zu haben, da die Beeinträchtigung beim täglichen Spaziergang eben nur minimal auffiel. Sie zeigte bis kurz vor Sommer 2013 weder ein (lahm gehen) Hinken noch anderes, sondern war nur irgendwie kontrollierter in ihren Bewegungen. Beim Spiel mit anderen Hunden zeigte sie seit Jahren bereits Hinweise durch nachträgliches leichtes Lahmen. Nun habe ich die Frühjahrsprüfung im BH 3 beim SKG Bischofszell mit einem SG abgeschlossen und freue mich auf die Zeit, in der alles etwas gemütlicher angegangen wird. Jypsy zeigt über all die Jahre bis heute so viel Arbeitswille und Lebensfreude, und es fällt mir schwer, sie nicht mehr fordern zu dürfen. Selbst ich war ja eher zu „faul“ für meine Jypsy, aber gerade diese Symbiose erwies sich am Ende als erfolgreicher für mein Energiebündel. Geistige Schonung wird es kaum geben, aber die körperliche Rücksichtnahme ist Pflicht, und somit breche ich das Ballwerfen oftmals einfach ab, weil ich Angst habe, sie könnte sich überanstrengen. Mit einem bald elfjährigen Hund gibt es noch viel zu erleben, und ich wünsche mir, noch lange in ihre weisen, wissenden, wachen, auffordernden, verstehenden und aufmunternden Augen sehen zu dürfen, ist sie mir doch während all der Jahre unglaublich ans Herz gewachsen. So entwickelte sie sich zu meiner großen Liebe mit Wertschätzung und Respekt. Wenn ich bedenke, wie wenig ich das Fährten übte, wie wenig Unterordnung, so überzeugte mich ihre Leistung umso mehr bei der letzten Prüfung, und ich darf behaupten, was ein Hund mit Liebe und Einfühlungsvermögen fair gelernt hat, bleibt für unendliche Zeiten problemlos abrufbar!!!
Es ist auch wunderbar anregend, mit einem Hund zusammenzuleben, der nicht nur „ausgehalten“ wird, sondern täglich Überraschungen bereithält. Gerade deswegen erlebe ich eine intensive Kommunikation. Der Hund wird nie dümmer oder einfach „alt“, sondern fordert mich zum Beispiel durch sein Verhalten in unendlich vielen Situationen, ob ich wohl nichts vergessen habe. Jypsy erkennt aus meinem Benehmen, „was ich vergessen könnte“ und schaut genau hin, wenn ich ein Ritual zu ignorieren versuche. Dies antizipiert sie sogar, indem sie z. B. nicht ins Auto einsteigt, wenn ich selbst nur den Versuch wage, ihr nicht die ihr zustehende Belohnung auf den Spaziergang mitnehmen zu wollen. Indem ich auch schon nur „scheinbar“ in die Futtertonne greife, befolgt sie das „Einsteigen bitte“ wie gewünscht. Unsere Zuneigung zueinander ist so gewachsen und beweist mir, dass etwas zwischen uns ist, das unendlich stärker ist als einfacher Gehorsam. So wird der respektvolle Umgang zueinander zu einer weiteren Dimension des Zusammenlebens, und ich wünsche einem jeden Hundehalter, er möge dies ebenso erleben, denn so wird das Altern des Hundes zum gleich starken Erlebnis wie ein Aufbau in der Jugendzeit, das es zu genießen gilt. Es mag alternde Hunde geben, die Einschränkungen haben, aber meine Jypsy ist so vif wie eh und je! So genieße ich unsere Spaziergänge, ihr heutiges Verhalten, ihren Instinkt, ihre Aufmerksamkeit weiter in vollen Zügen und wünsche mir eine solche Beziehung würde nie enden. Ihre Augen scheinen zu sprechen und erkennen oft meine Gedanken, indem sie z. B. auch ihren Wunsch, nach draußen zu gehen, mir klar und deutlich vermittelt. Dies gilt auch Aufforderungen, die auf eine von ihr aus gesehene gute Tat hinweisen, um dafür eine Belohnung zu erhalten. Ein auf dem Rasen liegendes Blatt zu bringen, um zu sagen: „Hab ich es gefunden und dir gebracht, also gib mir was dafür“, oder „Komm mit, ich muss raus, ich will mich nicht in unserem Garten versäubern“, indem sie den Gartenausgang meidet und gegen die Eingangstüre schreitet, usw.
Seit etwa zehn Monaten schläft sie nicht mehr durch. In der Nacht, zwischen 02.00 Uhr und 03.00 Uhr weckt sie mich durch ein leises und freundliches Knurren auf und will hinaus. Dies zeigt sie mir durch ihr erwartungsvolles Vorangehen. Damit sie im Garten sich nicht „herrisch“ benimmt, werfe ich stets ein paar kleine Futterstücke auf den Rasen und verhindere so, dass sie bellt. Nach kurzer Zeit kommt sie wieder in die Stube und legt sich in meinen Fernsehstuhl und bleibt dort bis kurz nach 05.00 Uhr. Dann kommt sie immer in mein Schlafzimmer und weckt mich freundlich auf, indem sie einfach ihre Nase flüchtig an mein Gesicht drückt oder meine Innenhand leckt, als würde sie mich kurz küssen, und legt sich danach in ihre Schlafhöhle. Manchmal höre ich sie kommen und erwache bereits. So weiß ich dann, dass es Zeit wird aufzustehen und streichele sie kurz zur Begrüßung zum neuen Tag. Will ich mich nicht erheben, so schläft auch sie weiter, aber ich gehöre eher zu den Frühaufstehern. Auf das störende Wecken während der Nacht hin ließ ich sie gründlich untersuchen, aber nichts deutete auf eine Veränderung ihrer Gesundheit hin. So nehme ich dies hin, ja ich genieße ihren zurückhaltenden und freundlichen Weckruf und freue mich an aller Kurzweil, die ich durch sie erlebe. Ich denke, dass ein Hund selbst nach erfülltem Leben im Sport, wenn gut geprägt, am Ende seines Lebens viel mehr zurück gibt an Einfühlungsvermögen und gegenseitigem Verstehen, das man selbst erleben muss, um dies zu wissen und erfahren zu dürfen. So beschäftigt mich immer wieder ein Ausspruch eines Hundesportlers, der mir einmal sagte: „Das schönste wäre, der Hund könnte vierzehn Tage nach der letzten Prüfung sterben!“ Für mich wirft dies die Frage auf, was für ein Mensch muss dies denn sein, der so denken kann, aber auf der Welt gibt es Tausende von Meinungen, und so muss jeder mit sich selbst zurechtkommen. Vielleicht brauchte dieser Mann den Erfolg mit seinem Hund, um erfolgreich zu scheinen. Aber so geht es ja mit Tausenden von Hunden, die nach einer Hunde-Sportkarriere einfach abgeschoben werden. Ich kann die Enttäuschung der Tiere nachfühlen, die durch einen jungen Hund ersetzt werden und nur noch auf ein paar Worte, ihr Fressen und kurze Ausläufe hoffen dürfen. Zuwenig werden Hunde als Wesen mit Herz und Seele wahrgenommen und nur gezüchtet und gehalten, um sportliche Erfolge für Menschen zu generieren. Zum Glück gibt es auch Menschen, die sich dieser armen Kreaturen danach noch annehmen, diese pflegen und umsorgen. Dies verwehrt jedoch seinem Ex-Halter die gesamte Spannweite des Hundeherzens zu erleben. Die Vielfalt an Kommunikation, die Hunde zu bieten in der Lage sind, die ehrlich und glücklich geprägt, aufgezogen und bis zum Lebensende in ihrem Rudel (Familie) gehalten werden, bleibt unübertroffen. So erscheint es mir wichtiger, mehr das Wissen über erfolgreiches Prägen zu verbreiten, um selbst weitere Empfindungen und Ausdrucksweisen ihrer Intelligenz und wahren Werte für jedermann aufzuzeigen. Dies könnte ihnen das Altern in Würde sichern, sofern deren Halter das Durchhaltevermögen besitzen, um das für ein komplettes Hundeleben effektiv notwendige und lange Engagement zu erfüllen.

Hier noch schnell die Auflösung zum nächtlichen Wecken: Ein Freund brachte mich auf die Lösung. Es waren Füchse, die in der Gegend herumstreichen, die sie gehört hat und vertreiben wollte, und daher weckte sie mich. Später sah ich sogar deren Spuren in unserem Garten. Danach sagte ich nur zu ihr, wenn sie mich wecken wollte, „Lass die Füchse sein“, drehte mich um und wir beide konnten ab diesem Zeitpunkt wieder durchschlafen.
In den vergangenen Wochen besuchte ich den Ausbildungskurs eines FCI-Weltmeisters (Mario Verslipe), um zu lernen, wie professionelle Hundetrainer heutzutage einen Welpen prägen, und vor allem wie und wann diese mit einer Ausbildung beginnen. Diesen Kurs besuchte ich nicht, weil ich einen jungen Hund kaufen will, sondern einfach um vorbereitet zu sein, wenn ich diesen Schritt in Zukunft irgendwann vielleicht doch noch einmal tätige. Meine Jypsy ist mir zu schade, als dass ich einen jungen Hund dazu nehme, nicht weil ich zu alt wäre, aber sie soll Gewissheit haben, dass ich ihr treu bin. Auch würde dies dem jungen Welpen nicht gerecht, der gleich einem Kind viel wichtige Zeit von uns beansprucht, und so müsste meine Jypsy dies in irgendeiner Weise büßen, und dies hat sie nicht verdient. So kenne ich heute bereits schon viele Möglichkeiten, meinen künftigen Hund einer positiven Ausbildung entgegen zu führen, und vielleicht wird hierdurch der Abschied von meiner besten „Freundin“ eines Tages etwas leichter. Nun, so hoffe ich, wird dies noch lange nicht der Fall sein, und ich bemühe mich sehr, sie in allen Belangen in Form zu halten. Ich hoffe, sie möge mir weiterhin solch glückliche Jahre des harmonischen Zusammenseins schenken, denn unser gegenseitiges Verständnis ist so stark gewachsen, dass ich nicht wüsste, wer mir diese Lücke füllen könnte. Ein gut geprägter Welpe ist halt nicht nur ein Hund, sondern er wird mit der Zeit ein Stück von uns mit unzähligen Facetten, die nur wir kennen und nachempfinden können. Jeder Hund hat einfach eine einzigartige Persönlichkeit, die wir im Verlaufe unseres Zusammenlebens modellieren, ganz nach dem Motto: „Zeige mir Deinen Hund, und ich sage Dir, wer Du bist“. So ist gerade die Prägungsphase äußerst wichtig und ebenso die Vorkenntnisse des Halters, was ein riesiger Vorteil gegenüber denen ist, die einen Hund einfach bei guter Gelegenheit kaufen und dann enttäuscht sind, wenn so vieles nicht gelingen mag. Ja, dies hört man viel zu wenig propagiert und man glaubt, ein guter Hund könne alles einfach lernen, ohne dass wir selbst zuvor lernen müssten. Einfach kaufen und sich nicht damit befasst zu haben, dass er irgendwann zwar vieles kann, aber nicht genügend schnell, nicht genügend konzentriert und mit vielen Missverständnissen zwischen Halter und Hund. Ein Hund ist viel zu wertvoll, als dass man hier einfach konzeptlos drauflos erzieht. Ein Hund soll nicht leidend erzogen werden müssen, sondern die Freude und das Erfolgserlebnis sollen das Maß der Dinge sein. Was habe ich nicht schon alles gesehen; wie Hunde qualvoll lernen mussten, nur weil man ihnen zu Beginn vieles nicht richtig beigebracht hatte.
Ich pflege seit Jahren den Ausspruch „Ein Hund ist kein Kauf, sondern eine Investition in die Zukunft“! Deshalb an alle, die sich einen Hund wünschen: Informiert Euch für seine Art zu lernen, sein Wesen, seine Eigenschaften, über die beabsichtigte Prägung, wie sieht die künftige Umgebung aus, wie viel Zeit steht Euch für den Hund zur Verfügung … also stellt ihn Euch vor, als lebe er bereits mit Euch.
Danach informiert Euch über die idealen Zuchtstätten, Vorprägung, Abstammung und Gesundheit des Hundes, bevor ihr auswählt. Habt ihr noch wenig Erfahrung, so wäre eine triebschwächere Variante des Hundes lehrreich, denn mit einem Sporthund sind viele, die wenig Erfahrung besitzen, schnell überfordert. Wenn man mit einem Familienhund gewisse Erfolge verbucht, und die Szene des Hundesportes kennt, sieht man, sofern man sich weiterbildet, worauf es ankommt. Nur so soll man sich heranwagen an die Herausforderung, einen Sporthund zu führen und auszubilden. Während meiner Zeit sind zahlreiche Techniken entwickelt worden, und diese muss man kennen, denn jeder Hund ist verschieden, und darauf muss man sich einstellen. Menschen wie Hunde können nicht über einen Leist geschoren werden, aber mit Herz, Verstand, Gelassenheit und Erfahrung lernen wir, zielgerichtet und human unseren Hund zu führen. So entsteht nicht unbedingt ein Hund, der Weltmeister wird, aber sich mit ihm weltmeisterlich zu verstehen, ist ja gerade das, was wir anstreben und gleichwohl Stolz, Freude und eine tiefe Befriedigung in uns auslöst. Aus einem genetisch vortrefflichen Wurf verfügen nicht alle Welpen über eine außergewöhnliche Genetik, aber gut ausgebildet können auch Mängel in einigen Belangen wettgemacht werden, sodass alle ihre Chancen haben. Selbst meine Jypsy war „nur“ durchschnittlich, aber wir harmonierten zusammen, und sie tut alles, um mir zu gefallen. Legt ab die altertümlichen Meinungen, man müsse sich auf Teufel komm raus durchsetzen, sondern bleibt einfühlsam, gleich wie in meinem Vers über Welpen: Jedes Geschöpf sucht seinen Wert urteile nie mit einem Schwert überprüfe alles, oft ist’s verkehrt Gelassenheit hat oft Chancen vermehrt Dies war stets mein Leitsatz.
Konsequenz heißt nicht „Härte“, sondern nur fest in der Vorstellung und beharrlich in der Ausführung zu sein. Aber diese soll freundlich sein, und nur so bleibt der Halter für den Hund verständlich. Sobald dieser unseren Wunsch herausfindet, wird er bestätigt und belohnt. Es ist alles einfach, aber es braucht Geduld, Fantasie und Einfühlungsvermögen; ist doch unser Welpe noch neugierig und unerfahren. Lassen wir ihn, zumindest durch uns selbst, keine schlechte Erfahrung machen und erst später erkennen wir, was wir mit dieser Einsicht geleistet respektive erreicht haben, denn gerade dies widerfuhr mir in der Erziehung mit möglichst wenig Bindungsverlust. Dies dürfte der Schlüssel ganz allgemein zu einer erfolgreichen Hundeausbildung sein. Eine Korrektur, die der Hund mit etwas anderem als unserer Person verknüpft, ist sinnvoller und beschädigt die heranwachsende Bindung nicht. Man muss achtgeben, den Hund trotz allem nicht zu verunsichern und nur gut überlegt, indirekt und sinnvoll eingreifen, denn auch hier gilt „weniger ist mehr“. Keiner weiß bis heute, wie viel ein Welpe aufnimmt, erkennt, durchschaut oder zu fühlen in der Lage ist, und daher entwickelt sich möglicherweise wie beim Menschen ein sogenanntes „Bauchgefühl“, eine unbewusste Beeinflussung seiner Grundstimmung, (seelisches Gleichgewicht) in künftigen Lebenssituationen.

Heute, wo die Menschen nur wenig Zeit haben, kastriert man Rüden am „Laufmeter“, und dies oft viel zu früh! Wenn ich diese vom Stolz verlassene Kreatur mir ansehe, überkommt mich Wut und Bitterkeit. Man will scheinbar nur einen Rüden, weil er imposanter ist, aber gleichzeitig soll er mit weniger Engagement zu führen sein, eben ein „Schlappschwanz“ der nur noch zu wenig taugt. Er soll nur „in die persönliche Schublade des Halters passen“, die heißt: Er darf ums Haus herum streunen, muss reinlich sein und wird auch mit wenig Bewegung nicht aggressiv, macht weniger Unsinn selbst bei Unterbeschäftigung, weil „triebamputiert“. Man wünscht nur noch einen Hund, wie es die Eunuchen seinerzeit im Harem waren. Er darf keine Persönlichkeit mehr haben, keine Händel mehr ausleben, denn sonst wäre der Halter überfordert, noch darf er sich an Hündinnen erfreuen. So verkommt er zum Liebesobjekt nicht kastrierter Rüden, aber entspricht das der Natur? Dass normale, gute Hündinnen solche Hunde missachten und verjagen, ist klar, aber zu wenig bekannt. Selbst deren Halter wissen dies zumeist nicht einmal und kommt es auf ein Aufeinandertreffen Hündin/kastrierter Rüde, so schlagen deren „Halterinnen“ mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln oft hysterisch und kopflos auf die Hündin ein. Weil Hunde im Kampf untereinander immer vom Hund her taxieren, bedeutet dies, je mehr man dreinschlägt, umso härter fällt die Reaktion der Hündin gegen den kastrierten Hund aus, und schon wird der Halter der Hündin zum „Aggressor“ respektive seine Hündin als asozial taxiert. Dies, weil der Schmerz immer mit dem eben betrachteten Objekt verbunden wird. Man lernt nicht ohne Grund bereits im Grundkurs der Hundehaltung, man möge sich bei Streitigkeiten zwischen Hunden nicht einmischen, sondern sich entfernen, doch damit überfordern wir bereits viele Hundehalter. Diese sind selbst für eine Hundehaltung nicht gelassen genug (ungeeignet), geschweige zur Erziehung von Kindern. Die Erfahrung zeigt, dass Hündinnen Rüden selten verletzen. Ohne fremde Einwirkung lassen diese von alleine vom Raufen und Verjagen ab. Ein Hund an der Leine fühlt sich stark, doch ohne Leine und frei wird auch dieser unsicherer und muss sich der Körpersprache des anderen unterordnen. Diese Unkenntnis über den Umgang mit kastrierten Rüden herrscht in weiten Kreisen, aber Tierärzte empfehlen das Kastrieren mit viel Lust, weil sie damit enorm Geld verdienen, aber sie sind kaum bereit, die Hundehalter auf die Konsequenzen hinzuweisen, wie triebgebundener Lernfähigkeitsverlust und alle damit zusammenhängenden Auswirkungen. Liegt dies vielleicht auch an der Ängstlichkeit der sogenannten Hundeführer, nicht einmal mehr im Privatbereich Verantwortung übernehmen zu wollen oder zu können?
Nun ist meine Jypsy älter geworden. Die Operation an ihrem Fuße vorne links wurde leider mangelhaft ausgeführt oder einfach nicht korrekt nachbehandelt, und so entstanden zusätzliche Schmerzen, denn der Verband drückte damals, den sie deshalb mehrmals entfernte, sodass ich gezwungen war, die Wunde mit all den dadurch entstandenen Entzündungen zu reinigen, denn die gefundenen Fremdkörper verursachten Irritationen. Die Untersuchung einer anderen Arztpraxis und die Analyse des Gewebes zeigten Materialien, die nicht körpereigen sind, sodass dies eine Notwendigkeit war. Nun wurde alles korrekt gesäubert und vernäht und sie ließ den Verband an Ort und Stelle. Trotz noch möglicher Phantomschmerzen ist ihr Herz und Geist immer noch jung, und so freue ich mich jeden Tag, mit ihr die Natur zu erleben. Ja, ihr Triebverhalten ist nach wie vor typisch für einen Malinois, und so vergisst sie oft, dass sie nicht mehr die Jüngste ist. Jagdgelüste machen sie zu einem faszinierenden Begleiter, denn nur vereinzelt sind Hunde in der Natur dermaßen angespannt und aufmerksam. Sie registriert alle Veränderungen, sodass für mich Spaziergänge noch heute kurzweilig sind.
Hiermit schließe ich den Werdegang von Jypsy und freue mich, belegen zu können, dass ein Hund mit sorgfältigster Prägung zu Erlebnissen führt, die unerreichbar schienen. So führte die Prägungsphase mit breiter Spannweite gekoppelt mit dem ach so wichtigen Bestreben nach gegenseitigem Vertrauen (Bindung) unseren Weg zum Erfolg. Wenn ich selbst als pensionierter Amateur auch Fehler machte, so steckte sie doch vieles weg, weil wir uns gegenseitig vertrauten und so zu einem guten Team zusammenwuchsen. Jeden Tag kann sie mich überraschen durch gelebtes Vertrauen und Aufmerksamkeit. Sie horcht und durchschaut meine Signale und Befehle selbst über große Distanzen, und es ist für mich immer wieder bewegend, wie sie mir auch in kniffligen Situationen vertraut. Was man nie mit Worten ausdrücken kann, ist das Gefühl der Dankbarkeit gegenüber einem Wesen, mit welchem man ehrlich und echt verbunden ist!

Dies ist echtes und wahrhaftiges Glück, wenn man mit einem naturnahen Hund eine ehrliche Bindung lebt!

So ist man immer wieder überrascht, wie witzig, opportunistisch und trotz allem rücksichtsvoll diese Tiere zu reagieren in der Lage sind und mit uns aktiv unser Leben teilen. Jede Faser meiner Zuneigung zieht mich hin zum Versuch, die Bedürfnisse meines Hundes möglichst zu verstehen, und ich erlebe so meine glücklichste Zeit mit ihm. Ich fürchte den Tag der Trennung, und somit genieße ich jeden Augenblick. Nie im Leben glaubte ich an solch echte Gefühlswelten und verstehe daher immer weniger, wie ehrgeizige Hundesportler einen Hund austauschen können wie ein kaputtes, altes Fahrrad. Mit dem Erfolg im Sport hört das Leben eines Hundes nicht auf, sondern nach kurzem Verschnaufen beginnt ein neuer, wunderbarer Abschnitt. Ein Hund hat viel mehr zu bieten als nur Sport. Er schenkt uns mit seinem Verhalten weitaus differenzierteres Können. Manchmal möchte man seinen Hund von ganzem Herzen gleich einer Trophäe hochhalten, um aller Welt zu zeigen, was dieser Teampartner für einen bedeutet, aber dafür muss man etwas tun. Und gerade dieses Wissen ist es, weshalb ich meinen Hund so ausführlich beschrieb. So führt diese Erfahrung zur Erkenntnis, indem man von frühester Jugend eines Wesens alles vorerst mit Ruhe kennenlernt und somit weiß, dass auch der einfachste Hund außergewöhnlich wird, sofern wir ihm mit Respekt und Edelmut begegnen. Nur so erleben wir echtes Teamwork. Er wird im Zeitraffer zum Partner, selbst wenn gewisse Zwänge ihn während der Ausbildung auch belastet haben. Wichtig ist eben die echte Bindung, und wie fragil diese ist, erkennt jeder nur allzu schnell. Daher plädiere ich

für eine sorgfältige Vor-Ausbildung und wünschte mehr Verständnis und Toleranz gegenüber dem Sporthundeführer und seinen Hilfsmitteln. Es gibt noch viel zu viele Scheinheiligkeiten in unseren Führungsgremien, und somit beherrscht die Schattenszene weiterhin die Prüfungslandschaft. Mit Verboten wurde noch nie eine Gesellschaft „entkriminalisiert“! Aber ich gebe zu, wenn es so viele unfähige Tierschützer und Hundehalter gibt, überlasse ich es ihnen, ihren Traum vom „Kinder-Ersatz“ zu leben. Aber damit werden Hunde weder schutz- noch einsatzfähig für Polizei, Militär, oder den Spitzensport. Die hohe Sport-Hunde-Ausbildung ist die Basis unserer Hundezuchten, welche (noch) belastbare und gute Hunde zu selektionieren verstehen.
Was habe ich doch schon alles erlebt! Hundeführer bei einer Feld-, Wald- und Wiesenprüfung in niedrigeren Kategorien, deren/dessen Hund erhielt hinter dem Auto einen Tritt, und die Antwort auf meinen fragenden Blick lautete, „heute hat er mir wieder einmal den Stinkefinger gezeigt.“ Ja, so funktioniert keine Bindung. So gibt es wie überall menschliche Unzulänglichkeiten.
Jeden Tag wächst mir mein Hund stärker ans Herz. Dies ist auch der Grund, weshalb ich mich für diesen Sport einsetze. Ich freu mich jedem zu sagen, wie herrlich es ist, einen gescheiten, erfahrenen, gut ausgebildeten Hund als Begleiter zu haben. Ich könnte mir keinen besseren und ehrlicheren Teampartner vorstellen, obwohl dies jeder selbst durch eine sorgfältige Ausbildung in der Hand hat. Nur man muss sich die Zeit nehmen, wie bei allem im Leben, gute und wetterfeste Kleidung haben und die Natur lieben. Ich wünsche allen viel Glück auf diesem Weg und eines Tages, ja eines Tages werde ich dies alles vermissen. Aber es dauert ja noch – und damit auch mein größtes Glück!

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