Verfasserin: Dr. Anja Geretschläger, CEO und wissenschaftliche Leitung FERAGEN GmbH, Strubergasse 26, 5020 Salzburg
Der Rassehundezucht steht eine Revolution bevor. Eine Revolution des Wandels und der Anpassung, die unausweichlich ist, um auch in Zukunft gesunde und vitale Hunde zu züchten.
Die Zucht von Rassehunden hat sich über die Jahre hinweg entwickelt und steht heute vor neuen Herausforderungen, aber auch vor neuen Chancen. Im nachfolgenden Artikel tauchen wir in die spannende Welt des Zuchtmanagements ein und beleuchten Strategien, die es Züchtern ermöglichen, den Anforderungen einer sich verändernden Welt gerecht zu werden. Denn die Zukunft der Rassehundezucht hängt von der Fähigkeit ab, Tradition und Innovation in Einklang zu bringen, um sicherzustellen, dass wir gesunde Hunde züchten.
Die Zucht von Hunden hat über die Zeit hinweg eine faszinierende Vielfalt an Varietäten hervorgebracht. Innerhalb der Spezies Hund finden wir unterschiedlichste Erscheinungsformen bezüglich Größe, Gewicht, Fellbeschaffenheit, Fellfarbe aber auch Verhaltenseigenschaften, die ein breites Spektrum an Rassen definieren.
Wenn wir aus biologischer Sicht eine Rasse betrachten, so handelt es sich hierbei um eine Gruppe von Tieren, die sich in ihrem Erscheinungsbild soweit ähnlich sind, dass sie eindeutig einer definierten Rasse zugeordnet werden können. Werden diese Tiere miteinander verpaart, entstehen Nachkommen des gleichen Typs. Das bedeutet, Rassen sind beständige und vorhersehbare genetische Einheiten, die voneinander abgegrenzt sind. Bei Rassen handelt es sich um isolierte Populationen, in denen nur Individuen innerhalb der Rasse miteinander verpaart werden, sofern keine Hybridzuchten oder Einkreuzungen von Fremdrassen durchgeführt werden. Abhängig von der Gesamtpopulation einer Rasse sind es in der Regel aber nur wenige Tiere, gemessen an allen, die in der Zucht eingesetzt werden und somit das genetische Material an die nächste Generation weitergeben.
Verschiedene Faktoren haben im Laufe der Zeit dazu beigetragen, dass es zusehends zu einem Verlust der genetischen Diversität in Rassehunden kam. Hierzu zählen beispielsweise selektive Zuchtpraktiken in denen Rassevertreter mit bestimmten Merkmalen vermehrt in der Zucht eingesetzt werden/wurden. Wird nur eine begrenzte Anzahl von Hunden oder Linien bevorzugt, kann dies zu einer Verringerung der genetischen Diversität führen. Die Zucht von eng verwandten Tieren kann das Risiko von genetischen Defekten und Erbkrankheiten erhöhen. Durch die hervorgerufene Reduzierung der genetischen Vielfalt treten bestimmte Genvarianten in der Population häufiger auf, während andere Varianten verloren gehen. Um die Reduzierung der genetischen Diversität zu stoppen, ist es wichtig, verantwortungsvolle Zuchtpraktiken zu fördern, Inzucht zu vermeiden und die Gesundheit und das Wohlergehen der Hunde in der Zucht mit oberster Priorität zu behandeln.
Um das in die Realität umsetzen zu können, braucht es für jede Rasse individuelle und den Bedürfnissen dieser Rasse zugeschnittene Zuchtstrategien, die in entsprechenden Zuchtprogrammen umgesetzt werden. Jede Rasse hat ihre eigenen Besonderheiten, Eigenschaften und Probleme, weshalb es nicht die “Eine” Zuchtstrategie gibt, die allen Rassen übergestülpt werden kann.
Zuchtstrategie vs. Zuchtprogramm
Wenn wir von einer Zuchtstrategie sprechen, so bezieht sich diese auf einen Plan, der in weiterer Folge in einem Zuchtprogramm realisiert werden soll, um definierte Ziele zu erreichen. Diese Ziele werden von Rasse zu Rasse variieren und müssen demnach individuell erarbeitet/festgelegt werden. Zuchtstrategien können verschiedene Elemente umfassen, wie die Auswahl von Elterntieren, um die gewünschten Merkmale zu betonen, die Vermeidung von Inzucht, um genetische Vielfalt zu erhalten, die Gesundheitsüberwachung der Zuchttiere oder die Auswahl von Tieren für die Zucht basierend auf ihrem genetischen Profil. Ziel ist es, die genetische Qualität und die Gesundheit der Rasse zu verbessern und gleichzeitig genetische Defekte oder Erbkrankheiten zu minimieren. Eine Zuchtstrategie umfasst also die Festlegung von Prioritäten, die Auswahl von Zuchttieren, die Entscheidung über Zuchtmethoden und die Implementierung von Kontrollen zur Sicherstellung der genetischen Vielfalt und der Gesundheit der Tiere. Diese Strategien werden entwickelt, um zu gewährleisten, dass die Nachkommen bestimmte gewünschte Eigenschaften aufweisen bzw. gesund sind. Eine Zuchtstrategie kann sich im Laufe der Zeit ändern, je nach den sich ändernden Zielen, Bedingungen oder verfügbaren Ressourcen.
Im Gegensatz zu einer Zuchtstrategie beschreibt ein Zuchtprogramm den organisierten Ablaufplan zur Zucht einer bestimmten Rasse oder Population. Ein solches Programm stellt den praktischen nächsten Schritt der Zuchtstrategie dar und kann unterschiedlichste Ziele haben. In einem Zuchtprogramm werden spezifische Zuchtziele festgelegt, Methoden zur Auswahl von Zuchttieren entwickelt und Maßnahmen zur Kontrolle der Zuchtpraktiken umgesetzt.
Was ist das Ziel?
Es gibt verschiedene Zuchtstrategien, je nach Zielen und Prioritäten der Züchter und der Rasse, die gezüchtet wird. Diese Strategien sollen aber alles in allem dazu beitragen, gesunde und rassetypische Hunde zu züchten, die den Standards und Anforderungen der jeweiligen Rassestandards entsprechen.
Um eine Zuchtstrategie und in weiterer Folge ein Zuchtprogramm realisieren zu können, müssen zwei wesentliche Fragen beantwortet werden:
Was wollen wir erreichen?
Wie wollen wir es erreichen?
An oberster Stelle steht im ersten Schritt das WAS! Dabei sollte genau definiert werden, wo Probleme in der Rasse liegen oder wo exakt Verbesserungspotential besteht. Fakten unter den Teppich zu kehren findet hier keinen Platz. In vielen Fällen sind es genetische Erkrankungen, die Züchter und Clubs dazu veranlassen, Maßnahmen zu setzen.
Dabei muss hier nochmal klar zwischen der Art von genetischen Erkrankungen unterschieden werden. Nicht immer braucht es hochtrabende Zuchtprogramme für die Eliminierung von Erkrankungen. Im besten Fall handelt es sich um eine monogene rezessive genetische Erkrankung mit einem verfügbaren Gentest. Anhand des genetischen Nachweises lässt sich recht einfach feststellen, wie viele Träger oder gar betroffene Tiere sich in der Population befinden. In diesem Fall kann die Zuchtstrategie so aussehen, dass der genetische Status eines jeden Zuchttieres ermittelt wird und Träger der Erkrankung nur mit frei getesteten Hunden der gleichen Erkrankung verpaart werden dürfen. Anhand dieser Strategie kann in nur 2 Generationen der Defekt aus einer Zuchtlinie eliminiert werden, sofern aus dem Träger/frei-Wurf eine freie Hündin in die Weiterzucht geht und diese wiederum mit einem freien Rüden verpaart wird. Bei Strategien, die zu einem vollständigen Ausschluss von Trägern rezessiver Erkrankungen tendieren, sollte genau evaluiert werden, ob die effektive Zuchtpopulation einen rigorosen Ausschluss hergibt, ohne zu Lasten der Population zu gehen. Gibt es keine belegten Korrelationen zwischen einem Träger und anderen potentiellen gesundheitlichen oder wesensverändernden Zusammenhängen, würde ein derartiger Ausschluss zu einer unbegründeten Minimierung der Zuchtpopulation führen, was wiederum an anderer Stelle Probleme zu Tage fördern kann.
Ein weiteres Ziel kann sein, züchterische Maßnahmen zur Wiederherstellung der genetischen Diversität zu setzen oder die Eliminierung von komplexen Erkrankungen, wie Autoimmunerkrankungen, Epilepsie, Krebs, Herzerkrankungen etc. Ganz im Gegensatz zu monogenen rezessiven Erkrankungen können komplexe Erkrankungen nicht einfach über einen genetischen Test nachgewiesen und basierend darauf eine Zuchtstrategie aufgesetzt werden.
Komplexe Krankheiten haben eine komplizierte genetische Basis. Das bedeutet, dass oft nicht nur ein einzelnes Gen beteiligt ist, sondern mehrere Gene zusammenwirken können. Manchmal spielen auch äußere Faktoren eine Rolle. Eine Zuchtstrategie braucht in diesem Fall etwas mehr Kreativität. Eine könnte zur Bekämpfung komplexer genetischer Erkrankungen der Erhalt der genetischen Diversität sein. Mittlerweile ist bekannt, dass eine hohe genetische Diversität verschiedenste positive Effekte hat. Dazu gehören eine Reduzierung der Inzuchtdepression, sowie eine Verminderung genetischer Defekte. Ein breiter Genpool führt zu einer Verdünnung schädlicher Gene, sodass sich die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass schädliche Gene in homozygoter (reinerbiger) Form aufeinandertreffen. Insbesondere im Bereich von Autoimmunerkrankungen spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle. Hohe Diversität trägt zu einer robusten Immunantwort aufgrund einer breiteren Palette an Immunsystemvariationen bei, was wiederum die Bekämpfung von Erkrankungen verbessert.
Lange Zeit mussten wir uns in Bezug auf Aussagen zur genetischen Diversität auf Pedigree-basierte Berechnungen stützen, was in gewisser Art und Weise auch Limitierungen mit sich brachte. Pedigrees sind oft unvollständig, sodass nur eine eingeschränkte Anzahl von Generationen für Berechnungen zur Verfügung steht. Da Abstammungsanalysen erst ein paar Jahre, wenn überhaupt, durchgeführt werden, muss die Korrektheit der Pedigrees entsprechend hingenommen werden. Dank des technologischen Fortschrittes lassen sich mittlerweile Verwandtschaften bzw. Inzuchtgrade von Hunden oder ganzen Rassen/Populationen sehr einfach ermitteln. Hierfür werden tausende genetische Marker verwendet, die mittels bioinformatischer Auswertungen in genomische Inzuchtkoeffizient-Werte bzw. Heterozygotie-Werte umgerechnet werden. Dank dieses Verfahrens ist es möglich, sehr genau den Grad der genetischen Diversität festzustellen, aber auch zu beobachten.
Datenerhebung
Um Entscheidungen treffen zu können, ist eine solide Datenbasis notwendig und keine subjektiven Wahrnehmungen. Dies setzt voraus, dass über die Jahre hinweg entsprechende Aufzeichnungen geführt wurden, die in der Regel auch gesundheitliche Belange umfassen. Es sollten Daten zu vorgeschriebenen Untersuchungen in einer Rasse vorliegen, die unter anderem im Rahmen der Zuchtordnung geregelt sind. Daten zu sammeln ist allerdings nur die halbe Miete. Diese müssen regelmäßig ausgewertet und beurteilt werden. Maßnahmen, die vor Jahren gesetzt wurden, können mittlerweile überholt sein. Wurden beispielsweise Richtlinien erstellt, die die Zucht mit Trägern einer bestimmten rezessiven Erkrankung regeln, sollte evaluiert werden, inwieweit die entsprechende Erkrankung in der Population nach einer gewissen Zeit überhaupt noch von Relevanz ist. Denn genau das ist es, was solche Maßnahmen erreichen sollen. Krankheiten aus einer Population zu eliminieren. Im Umkehrschluss muss ermittelt werden, ob nicht an anderer Stelle mehr Aufmerksamkeit benötigt wird. Wie schon erwähnt, sind Zuchtstrategien dynamische Vorgaben, die basierend auf den Bedürfnissen entsprechend angepasst werden müssen.
Zucht Clubs haben nun auch erkannt, wie wichtig es ist, Daten zu sammeln und länderübergreifende Datenbanken zu erstellen, um genetische Informationen auszutauschen und die Zuchtpopulation zu erweitern. So konnte über die myFERAGEN Onlineplattform ein Datenaustausch von Belgischen Schäferhunden zwischen dem VBSÖ in Österreich und dem DKBS und DMC in Deutschland erreicht werden. Dies lässt eine länderübergreifende Beurteilung des Diversitätsgrades sowie eine internationale Erhebung genetischer Daten zu. Dieser Zusammenschluss nimmt eine absolute Vorreiterstellung, was die Beurteilung von Zuchtpopulationen angeht, ein.
Strategien
Keine Rasse ist wie die andere und jede hat eine individuelle Historie. Dementsprechend braucht es eine individuelle Beurteilung der Rasse, ihrer Probleme und ihrer Bedürfnisse. Nicht jedes Ziel, das erreicht werden soll, braucht umfangreiche Zuchtprogramme, sodass kleine Anpassungen oft schon Großes bewegen können. Oftmals kann es eine Kombination mehrerer Strategien sein, die zu einem erfolgreichen Zuchtprogramm führen. Nachfolgend sind Beispiele aufgeführt, wie solche Zuchtstrategien aussehen können.
Einkreuzung
Einkreuzungsprojekte gehören sicherlich mitunter zu den komplexesten und aufwändigsten Zuchtstrategien zur Erhaltung/Sanierung von Rassen. Nicht überall stoßen sie auf Begeisterung, da so manch einer der Ansicht ist, dass damit Mischlinge gezüchtet werden. Einkreuzungsprojekte mit Fremdrassen führen zu einem Anstieg heterozygoter Genorte und somit zu einer Erhöhung der genetischen Diversität. Das Erscheinungsbild und die Eigenschaften der Hunde werden zwar weniger einheitlich, aber die Fitness der Hunde steigt. Solche Projekte sind nur dann sinnvoll, wenn Hunde aus Einkreuzungslinien weiter in der Zucht eingesetzt werden und die eingebrachten Gene auch an den Rest der Rasse weitergeben. Ein Einkreuzungsprojekte der Rasse Kromfohrländer mit dem Dansk-Svensk Gårdshund hat diesen Weg eingeschlagen, um die genetische Diversität zu erhöhen und gleichzeitig das Risiko für Inzucht geschuldete Erkrankungen in der Rasse zu reduzieren. Der Kromfohrländer gehört zu jenen Rassen, der aufgrund seiner Entstehungsgeschichte eine sehr enge genetische Basis aufweist, entstand die Rasse doch lediglich aus 2 Gründertieren.
Eine der großen Herausforderungen bei Einkreuzungsprojekten ist es, eine geeignete Fremdrasse zu finden. Hierbei stehen nicht nur der Phänotyp und das Verhalten dieser Rasse im Vordergrund, sondern ganz klar auch die gesundheitlichen Aspekte. Mit Einkreuzungen sollen schließlich keine neuen Krankheitsrisiken in die Rasse eingeschleust werden. Zu guter Letzt braucht es vernünftige Rückkreuzungsstrategien, die einerseits den Phänotyp der Hunde wiederherstellen, andererseits das eingebrachte genetische Material möglichst lange in der Population halten. Im genannten Beispiel der Kromfohrländer wurde auf eine Rückkreuzung mit reinrassigen Hunden gesetzt. Wie sich der Phänotyp von Generation zu Generation verändert, ist in der Abbildung 1 dargestellt. Zudem wurden die Heterozygotiewerte und die genomischen Inzuchtkoeffizienten jeder Generation mitdokumentiert. Details hierzu folgen im Abschnitt “Bestehenden Genpool nutzen”.
Phänotypische Veränderungen nach Einkreuzung und Rückkreuzung mit reinrassigen Kromfohrländern. Die Generationen wurden phänotypisch und genetisch dokumentiert durch Ermittlung von genomischen Inzuchkoeffizienten (COI) unter Berücksichtigung von 6 Generationen und Heterozygotiewerten (HET).
F1-Generation: COI – 0 %, HET – 47%
F2-Generation: COI – 13%, HET – 36%
F3-Generation: COI – 13 %, HET – 40%
F4-Generation: COI – 19 %, HET – 36%
Reinrassiger KFL: COI – 22 %; HET 34 %
Outcross
Der Begriff „Outcross“ bezieht sich auf eine Zuchtpraxis, bei der zwei Hunde der gleichen Rasse, aber unterschiedlicher Linien, gekreuzt werden, um die genetische Vielfalt zu erhöhen und die negativen Auswirkungen von Inzucht zu verringern. Im Gegensatz zur Inzucht, bei der eng verwandte Hunde miteinander gepaart werden, um bestimmte Merkmale zu verstärken, zielt der Outcross darauf ab, die genetische Diversität zu erhöhen, indem neue Gene in die Linie eingebracht werden.
Der Vorteil im Vergleich zu Einkreuzungsprojekten mit fremden Rassen besteht darin, dass hier auf unverwandte Linien der gleichen Rasse zurückgegriffen wird. Häufig werden hierfür ausländische Linien verwendet, wo die Gefahr bestehen kann, dass nicht alle Gesundheitsinformationen zugänglich sind. Oft haben selbst FCI unterstellte Clubs in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Zuchtanforderungen. Der Einsatz ausländischer Deckrüden kann zudem einen nicht unerheblichen Aufwand mit sich bringen. Im Umkehrschluss stellt sich die Frage, wie groß der genetische Benefit tatsächlich ist. Denn weit weg bedeutet nicht zwangsläufig großer Unterschied. Bevor derartige Mühen auf sich genommen werden, kann es hilfreich sein, die genetische Diversität in Form von Heterozygotie und genomischen Inzuchtkoeffizient feststellen zu lassen. Zudem kann die genetische Verwandtschaft beider Hunde im Detail ermittelt werden, was dann eine sehr genaue Aussage über die Sinnhaftigkeit dieses Outcross zulässt.
Bestehenden Genpool nutzen
Die Nutzung des bestehenden Genpools ist die einfachste und wahrscheinlich am schnellsten realisierbare Strategie in Bezug auf genetische Diversität. Dies setzt allerdings voraus, dass eine Rasse umfangreich genetisch getestet wurde, um die relevanten Schlüsselfaktoren wie genomischer Inzuchtkoeffizient und Heterozygotie zu ermitteln. Mittels entsprechender bioinformatischer Auswertungen lassen sich Aussagen über potenzielle Zuchtpaare machen, sodass der Züchter für sich beurteilen kann, ob die Verpaarung einen Mehrwert für die Welpen und/oder die Population bringt. Eine kluge Wahl von Zuchtpartnern kann dazu führen, den Inzuchtgrad in einer Rasse zu senken und ein langfristiges vernünftiges Zuchtmanagement aufzubauen.
Es gibt also unterschiedlichste Möglichkeiten, welche Strategien beispielsweise zu einer Verbesserung der genetischen Diversität beitragen können. Dabei kann es auch eine Kombination von mehreren Strategien sein, die zum Erfolg führen. Um dies beurteilen zu können, braucht es aber, wie schon erwähnt, eine solide Datenbasis, auf der Entscheidungen getroffen werden. Nur so lässt sich beurteilen, ob ein sehr aufwändiges Einkreuzungsprojekt bereits notwendig ist, oder Verbesserungen bereits mit einfacheren Methoden erreicht werden können. Unsere Bestrebungen für die Zukunft müssen also sein, unsere Rassen auf genetischer Basis noch besser kennenzulernen und das dadurch erworbene Wissen nicht als eine Gefahr zu sehen, sondern als eine Chance, auch in Zukunft noch gesunde Hunde zu züchten.
Mit den uns heute zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und der langjährigen Erfahrung der Züchter können wir die Hundezucht neugestalten. Dazu brauchen wir aber den Mut, Neues anzunehmen. So wie die Züchtergenerationen vor uns nach bestem Wissen und Gewissen der damaligen Zeit Hunde gezüchtet haben, sollten wir das auch heute tun und unsere Möglichkeiten wahrnehmen.
Unsere Hunde haben einen enormen Einfluss auf unsere menschliche Kultur ausgeübt. Die Vielfalt unserer heutigen Rassen spiegelt die Vielfalt der menschlichen Kulturen wider, in denen sie gezüchtet wurden. Jede Rasse trägt ihre eigene Geschichte und Bedeutung. Sie sind ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaften und haben eine tiefgreifende und komplexe Beziehung zu uns Menschen entwickelt, die weit über ihre Rolle als Haustiere hinausgeht. Um dies auch in Zukunft behaupten zu können, liegt es in unserer Verantwortung, die Vielfalt der Rassen zu erhalten. Zuchtentscheidungen, die wir heute treffen, werden die Population der Zukunft beeinflussen. Hunde zu züchten, bedeutet in Generationen zu denken und den Hund als Ganzes zu betrachten.
Für Interessierte gibt es ein zweiteiliges Webinar zum Thema “Zucht- und Populationsmanagement”. Dieses findet im Mai 2024 statt und kann über Caniva gebucht werden.
Begriffserklärungen
Genetische Diversität
Genetische Diversität beim Hund bezieht sich auf die Vielfalt der Gene innerhalb einer Hunderasse oder -population.
Effektive Zuchtpopulation
Die effektive Zuchtpopulation bezeichnet die Anzahl der Hunde in einer Rasse, die in der Zucht eingesetzt werden und das genetische Material an die nächste Generation weitergibt.
Genomischer Inzuchtkoeffizient
Ist der Inzuchtwert, der basierend auf genetischen Markern errechnet wird und nicht auf Pedigree-basis.
Heterozygotie-Wert
Der Heterozygotie-Wert bezieht sich auf die Vielfalt von Genvarianten im Erbgut. Ein höherer Wert bedeutet mehr genetische Vielfalt und potenziell bessere Anpassungsfähigkeit.