Cortisol ist ein lebenswichtiges Steroidhormon aus der Gruppe der Glukokortikoide. Es wird in der Nebennierenrinde produziert und spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von Stoffwechsel, Immunsystem und Stressreaktionen. Beim Hund ist Cortisol sowohl ein Schlüsselhormon für die Anpassung an Belastungen als auch ein wichtiger Marker in der tiermedizinischen Diagnostik.
Biochemische Grundlagen
- Produktion: Cortisol wird in der Zona fasciculata der Nebennierenrinde gebildet.
- Steuerung: Die Freisetzung erfolgt über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse):
CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) → ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) → Cortisol. - Transport: Cortisol zirkuliert im Blut zum Teil gebunden an Proteine (CBG – Corticosteroid-Bindungs-Globulin), teils frei (biologisch aktiv).
Funktionen von Cortisol
- Stoffwechsel: Erhöht Glukoseverfügbarkeit (Gluconeogenese), fördert Fett- und Eiweissabbau.
- Immunsystem: Unterdrückt überschüssige Immunreaktionen und Entzündungen.
- Kardiovaskulär: Unterstützt Blutdruckregulation und Kreislaufstabilität.
- Stressreaktion: Hilft dem Organismus, akute Belastungen zu bewältigen („Stresshormon“).
- Verhalten: Einfluss auf Aufmerksamkeit, Angst und Lernprozesse (z. B. Stresslernen).
Cortisol und Stress beim Hund
Cortisolspiegel steigen bei Hunden in Reaktion auf Stressoren wie Trennung, Lärm, Tierarztbesuche oder soziale Konflikte. Kurzfristig ist dies ein Anpassungsvorteil. Chronisch erhöhte Cortisolwerte können jedoch gesundheitliche und verhaltensbezogene Probleme verursachen:
- geschwächtes Immunsystem,
- Verzögerung von Wundheilung,
- Muskelabbau und Gewichtszunahme,
- ängstliches oder aggressives Verhalten.
Pathologische Veränderungen
- Morbus Cushing (Hyperadrenokortizismus): Überproduktion von Cortisol; Symptome: starker Durst, vermehrtes Wasserlassen, Haarausfall, Muskelschwäche, hängender Bauch.
- Morbus Addison (Hypoadrenokortizismus): Unterproduktion von Cortisol; Symptome: Mattigkeit, Durchfall, Kollaps. Oft akut lebensbedrohlich.
- Chronischer Stress: Dauerhaft erhöhte Cortisolwerte mit negativen Effekten auf Verhalten und Gesundheit.
Diagnostik
- ACTH-Stimulationstest: prüft, ob die Nebennieren ausreichend Cortisol produzieren.
- Dexamethason-Suppressionstest: dient der Diagnose von Cushing.
- Speichel– oder Haarcortisol: zunehmend in der Forschung genutzt, um chronischen Stress bei Hunden zu messen.
Therapeutische Ansätze
- Hyperadrenokortizismus: Medikamente wie Trilostan hemmen die Cortisolproduktion.
- Hypoadrenokortizismus: Gabe von Glukokortikoiden (Cortisol-Ersatz) und Mineralokortikoiden.
- Stressmanagement: Training, Ruhephasen und Anpassung der Lebensumstände zur Senkung chronisch erhöhter Cortisolwerte.
Forschung und aktuelle Erkenntnisse
- Studien belegen, dass Haarcortisol ein zuverlässiger Marker für chronischen Stress bei Hunden ist (Accorsi et al., 2008; Roth et al., 2016).
- Enge Mensch-Hund-Bindung kann Cortisolspiegel senken – wechselseitige Stresspufferung ist nachweisbar (Schöberl et al., 2017).
- Cortisolspiegel variieren individuell stark, abhängig von Genetik, Temperament und Lebensumfeld.



