Viele zukünftige Hundehalter suchen nach dem perfekten Anfängerhund – eine Rasse, die leicht zu erziehen ist, sich gut anpasst und wenige Herausforderungen mit sich bringt. Doch nicht jede Rasse, die als „anfängertauglich“ gilt, ist in der Realität wirklich unkompliziert. Manche Hunde beeindrucken mit Intelligenz, Freundlichkeit oder ihrem charmanten Aussehen, haben aber Eigenschaften, die Einsteiger schnell überfordern können. In diesem Mythencheck werfen wir einen genaueren Blick auf acht Hunderassen, die oft als gute Wahl für Anfänger gehandelt werden – aber tatsächlich einige Tücken mitbringen.
Der Border Collie – Genialer Hütehund oder nervöser Herausforderer?
Der Border Collie wird oft als hochintelligenter, leicht erziehbarer Anfängerhund gehandelt. In Ratgeberlisten taucht er regelmässig als ideale Wahl für aktive Menschen auf – schliesslich ist er gehorsam, lernfreudig und arbeitet eng mit seinem Halter zusammen. Doch diese Beschreibung lässt eine entscheidende Tatsache ausser Acht: Der Border Collie ist ein Spezialist, gezüchtet für anspruchsvolle Hütearbeit, die ihn körperlich und geistig auslastet.
In der Realität bedeutet das: Ein unterforderter Border Collie kann schnell problematische Verhaltensweisen entwickeln. Statt brav auf dem Sofa zu liegen, beginnt er, Schatten oder Autos zu jagen, Menschen in der Wohnung zu „hüten“ oder gar nervös und zwanghaft zu werden.
Seine enorme Auffassungsgabe macht die Erziehung nicht leichter, sondern anspruchsvoller – denn er merkt sich Fehler ebenso schnell wie Erfolge. Wer keinen echten „Job“ für diesen Hund hat, sei es im Hundesport oder in der Arbeit mit Nutztieren, sollte sich gut überlegen, ob er einem so energiegeladenen, sensiblen Hund gerecht werden kann.
Der Jack Russell Terrier – Kleiner Hund, grosse Ansprüche
Der Jack Russell Terrier wird oft als kompakter, fröhlicher Anfängerhund beschrieben. Sein handliches Format, seine Intelligenz und sein aufgewecktes Wesen lassen ihn wie die perfekte Wahl für Familien oder sportliche Einsteiger erscheinen.
Doch wer nur seine Grösse betrachtet, unterschätzt, was in diesem kleinen Hund steckt: ein Energiebündel mit Jagdtrieb, Selbstbewusstsein und einem nahezu unerschöpflichen Bewegungsdrang. In der Realität zeigt sich der Jack Russell oft als Dickkopf. Er wurde ursprünglich als Jagdhund gezüchtet, speziell für die Fuchs- und Baujagd – und genau diese Arbeitsbereitschaft trägt er noch heute in sich. Ein unterforderter Jack Russell sucht sich schnell eigene Aufgaben: Er buddelt Löcher im Garten, jagt Radfahrer oder testet permanent seine Grenzen. Zudem neigt er dazu, sich mit anderen Hunden anzulegen, da er seine Kräfte gerne misst.
Ohne konsequente Erziehung und genügend geistige wie körperliche Beschäftigung kann der charmante Terrier schnell zur nervenaufreibenden Herausforderung werden.
Der Sibirische Husky – Kein blauäugiger Anfängerhund
Der Sibirische Husky fasziniert viele mit seinem wolfsähnlichen Aussehen, den eisblauen Augen und seinem freundlichen Wesen. Er gilt als menschenbezogen, verspielt und sozial – perfekte Eigenschaften für einen Anfängerhund, oder?
In der Realität sieht es jedoch anders aus: Huskys sind Hochleistungssportler mit einem ausgeprägten Laufdrang und einer ordentlichen Portion Eigenständigkeit. Ursprünglich als Schlittenhunde gezüchtet, brauchen Huskys enorme körperliche und geistige Auslastung. Ein kurzer Spaziergang reicht ihnen nicht – sie wollen rennen, ziehen und Kilometer machen. Wer ihren Bewegungsdrang unterschätzt, riskiert zerstörte Möbel oder einen ausbruchfreudigen Hund, der sich durch Gärten und Zäune gräbt. Zudem sind Huskys eher unabhängige Hunde, die nicht unbedingt darauf brennen, Kommandos auszuführen.
Ihre Erziehung erfordert Geduld, Konsequenz und viel Verständnis für ihren ursprünglichen Arbeitswillen.
Der Dalmatiner – Kein Hund für nebenbei
Der Dalmatiner zieht mit seinem einzigartigen gefleckten Fell viele Blicke auf sich und gilt oft als eleganter Familienhund. Seine Darstellung in Filmen hat das Bild eines freundlichen, lebhaften und anpassungsfähigen Hundes geprägt, was ihn als vermeintlich perfekten Anfängerhund erscheinen lässt.
Doch in der Realität bringt die Rasse einige Herausforderungen mit sich, die Einsteiger schnell unterschätzen. Dalmatiner sind temperamentvoll, ausdauernd und ursprünglich als Kutschenbegleithunde gezüchtet worden – sie lieben es, sich zu bewegen und haben einen enormen Energiebedarf. Ein paar Gassirunden am Tag reichen ihnen nicht, sie brauchen viel Auslauf, Beschäftigung und geistige Herausforderungen. Ausserdem neigen sie zu Eigenwilligkeit und brauchen eine konsequente, aber faire Erziehung.
Ihr freundliches Wesen macht sie zwar grundsätzlich sozialverträglich, doch ohne klare Führung können sie überdreht oder fordernd werden.
Der Shiba Inu – Freigeist statt Anfängerhund
Der Shiba Inu fasziniert viele Hundeliebhaber mit seiner fuchsartigen Optik, seinem stolzen Auftreten und seiner katzenhaften Eleganz. Gerade durch Social Media hat er den Ruf eines coolen, selbstständigen Begleiters bekommen, der scheinbar problemlos im Alltag funktioniert.
Doch dieser Eindruck täuscht – denn der Shiba Inu ist alles andere als ein klassischer Anfängerhund. Als ursprüngliche japanische Jagdhunderasse ist der Shiba extrem eigenständig, intelligent und oft wenig interessiert daran, seinem Menschen bedingungslos zu gehorchen. Seine Unabhängigkeit zeigt sich besonders beim Rückruf: Viele Shibas entscheiden selbst, ob sie kommen oder lieber weiter ihrer eigenen Nase folgen. Ihr ausgeprägter Jagdtrieb kann Spaziergänge ohne Leine schwierig bis unmöglich machen. Wer mit Druck oder Strenge arbeitet, verliert schnell das Vertrauen dieses sensiblen Hundes. Auch in der Sozialisierung ist Vorsicht geboten: Shibas sind nicht immer offen für fremde Hunde oder Menschen. Sie wählen ihre Kontakte sehr bewusst und reagieren oft distanziert oder sogar abweisend.
Unerfahrene Halter können diese Eigenheiten leicht falsch interpretieren und riskieren, dass ihr Hund sich immer weiter zurückzieht oder Verhaltensprobleme entwickelt.
Der Australian Shepherd – Arbeitsmaschine statt entspannter Familienhund
Der Australian Shepherd ist mit seinem wunderschönen Fell und seinem freundlichen Wesen eine der beliebtesten Hunderassen. Viele Halter wünschen sich einen sportlichen Begleiter, der gerne mit ihnen arbeitet, intelligent ist und sich gut erziehen lässt.
Doch hinter dieser Faszination steckt eine enorme Herausforderung: Der Aussie ist ein hochleistungsfähiger Arbeitshund, dessen Bedürfnisse oft unterschätzt werden. Ursprünglich als Hütehund für grosse Viehherden gezüchtet, bringt der Australian Shepherd eine schier unerschöpfliche Energie und eine hohe Arbeitsmoral mit. Das bedeutet: Spaziergänge alleine reichen nicht aus – er braucht geistige und körperliche Beschäftigung auf hohem Niveau. Wer ihm keine Aufgabe gibt, riskiert, dass er sich selbst eine sucht, was oft in unerwünschtem Verhalten endet.
Zudem sind Aussies extrem menschenbezogen, was bedeutet, dass sie ungern allein bleiben und sich bei Unterforderung schnell problematische Verhaltensweisen wie Hyperaktivität oder Nervosität entwickeln. Auch ihre hohe Intelligenz kann für Anfänger eine Herausforderung sein – sie lernen zwar schnell, aber eben nicht nur das Gewünschte, sondern auch das Unerwünschte.
Der Deutsche Schäferhund – Loyal, aber nicht ohne Ansprüche
Der Deutsche Schäferhund gilt als Inbegriff des gehorsamen, zuverlässigen Familienhundes, der seinem Halter treu ergeben ist. Sein intelligentes und gelehriges Wesen macht ihn zu einem der vielseitigsten Arbeitshunde der Welt – er wird in Polizei, Rettungsdiensten und als Schutzhund eingesetzt. Doch genau das zeigt, dass er keine einfache Rasse für Anfänger ist.
Schäferhunde haben eine enorme Lernfähigkeit und einen starken Willen zu arbeiten. Sie sind hochsensibel für die Körpersprache ihres Menschen und benötigen eine klare, konsequente, aber faire Führung. Unsicherheit oder inkonsequente Erziehung können dazu führen, dass sie entweder unsicher oder überkontrollierend werden – beides kann problematisch sein.
Wer sich für einen Deutschen Schäferhund entscheidet, sollte also nicht nur konsequente Erziehungserfahrung mitbringen, sondern auch die Zeit und den Willen, den Hund körperlich und geistig auszulasten. Ein Anfängerhund ist er daher nur mit Einschränkungen.
Der Bernhardiner – Sanfter Riese mit besonderen Anforderungen
Der Bernhardiner wird oft als liebevoller, geduldiger Familienhund dargestellt, der sich durch seine ruhige Art perfekt für Anfänger eignet. Sein sanftmütiges Wesen und seine ausgeglichene Persönlichkeit sind definitiv Pluspunkte – doch seine Grösse und seine speziellen Bedürfnisse machen ihn nicht automatisch zum idealen Anfängerhund.
Mit einem Gewicht von bis zu 90 kg ist der Bernhardiner eine wahre Naturgewalt. Seine Erziehung muss daher früh beginnen, denn was als tapsiger Welpe niedlich ist, kann bei einem ausgewachsenen Hund schnell zum Problem werden. Wer es versäumt, ihm von Anfang an die richtigen Grenzen zu setzen, könnte später Schwierigkeiten haben, ihn zu kontrollieren.
Ein Bernhardiner kann ein wunderbarer Familienhund sein, wenn seine Grösse und sein Pflegeaufwand nicht unterschätzt werden. Für absolute Anfänger ist er jedoch allein wegen seiner physischen Präsenz eine Herausforderung, die wohlüberlegt sein sollte.