Wenn der Himmel leuchtet und die Tiere leiden – Feuerwerk kritisch betrachtet

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Feuerwerk gilt vielen als Ausdruck von Lebensfreude, Freiheit und Gemeinschaft. Der Knall gehört für viele genauso zu Silvester oder dem Nationalfeiertag wie das Fondue oder die Raklette. Besonders der 1. August in der Schweiz ist dafür bekannt, dass vielerorts Raketen und Böller gezündet werden – ebenso wie an Silvester, teils auch an Hochzeiten, Geburtstagen oder Sportevents. Die Gründe sind vielfältig: Kindheitserinnerungen, Gruppendynamik, Traditionen – und ein starkes visuelles Erlebnis.

Feuerwerk erzeugt Reize, die das Belohnungssystem aktivieren: Licht, Knall, Adrenalin. Wer zündet, erlebt einen kurzen Moment der Kontrolle – was von manchen als Machtgefühl oder emotionaler Befreiungsschlag erlebt wird. Doch genau dieser Reiz steht im direkten Widerspruch zu den Auswirkungen.

Die Kehrseite: Angst, Stress und Todesgefahr für Tiere

Was für Menschen unterhaltsam ist, bedeutet für Tiere massiven Stress. Hunde verkriechen sich zitternd, geraten in Panik oder versuchen zu flüchten. Katzen ziehen sich über Tage zurück, Nager können vor Schreck sterben. In der freien Natur verlieren Vögel mitten in der Nacht die Orientierung, fliegen hektisch gegen Hindernisse oder aus ihren Brutplätzen – was insbesondere im Sommer zum Tod vieler Jungvögel führt. Wildtiere fliehen fluchtartig, wobei sie sich verletzen oder ihren Nachwuchs zurücklassen.

Auch Nutztiere wie Pferde, Kühe oder Schafe reagieren mit Panik. In Offenställen oder auf Weiden kann das lebensgefährlich werden – für die Tiere selbst, aber auch für Menschen in ihrer Umgebung.

Die Intensität der Reaktion hängt von Tier zu Tier ab. Doch selbst gut sozialisierte, ansonsten nervenstarke Hunde können durch den Lärm und die Gerüche des Feuerwerks nachhaltig traumatisiert werden.

Der Umwelteinfluss: Feinstaub, Schwermetalle und Müll

Feuerwerk belastet nicht nur Tiere, sondern auch massiv die Umwelt. An einem einzigen Silvesterabend wird in der Schweiz mehr Feinstaub freigesetzt als der gesamte motorisierte Verkehr an zwei Tagen produziert. Die Raketen enthalten Stoffe wie Kaliumperchlorat, Aluminium, Barium und weitere Schwermetalle – sie sorgen für Farbeffekte, landen aber nach dem Abbrennen ungefiltert in Böden, Luft und Gewässern.

Zudem bleibt jede Menge Abfall zurück: Plastik, Papier, Karton, verkohlte Holzstäbe. Vieles davon landet nicht im Abfall, sondern auf Wiesen, in Bächen, auf Feldern und am Waldrand – oft dort, wo am Tag darauf Wildtiere nach Futter suchen. Eine Kontrolle oder Reinigung findet in ländlichen Regionen kaum statt.

Die gesellschaftlichen Kosten: Wer zahlt den Preis?

Was oft als „einmaliges Vergnügen“ abgetan wird, ist auch finanziell alles andere als harmlos. Allein in der Schweiz geben Menschen jährlich mehrere Millionen Franken für Feuerwerk aus – zusätzlich zu den Kosten für Notfall-Einsätze, Reinigungen, Polizeieinsätze und tierärztliche Notdienste.

Gerade in Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit, Klimakrise und wachsender sozialer Ungleichheit wirkt es befremdlich, dass weiterhin so viele Mittel für eine so kurzlebige und schädliche Tradition aufgewendet werden. Während in vielen Bereichen Sparappelle laut werden, scheint beim Feuerwerk die Bereitschaft zu Verzicht kaum vorhanden.

Warum gibt es (noch) kein Verbot?

Ein allgemeines Verbot für privates Feuerwerk existiert bisher weder in der Schweiz noch in Deutschland oder Österreich. Einzelne Städte oder Gemeinden verbieten Feuerwerk auf öffentlichen Plätzen, aus Brandschutz- oder Tierschutzgründen. Doch ein flächendeckender Verzicht wäre politisch heikel.

Ein wichtiger Grund: die wirtschaftlichen Interessen der Feuerwerksindustrie. Diese erwirtschaftet mit dem Verkauf von Pyrotechnik jährlich hohe Umsätze und verfügt über eine gut organisierte Lobby. Viele Politiker:innen scheuen sich davor, klare Grenzen zu ziehen – aus Angst, unpopulär zu wirken.

Hinzu kommt die kulturelle Trägheit: Rituale wie das Zünden von Feuerwerk sind emotional tief verankert. Wer sie infrage stellt, wird oft als „Spassbremse“ wahrgenommen – obwohl es längst bessere Alternativen gäbe.

Die Rolle der Empathie – und warum sie oft fehlt

Die zentrale Frage bleibt: Warum fehlt so vielen Menschen die Empathie für das Leid, das sie verursachen?

Die Antwort ist unbequem: Viele Menschen handeln erst dann, wenn sie selbst betroffen sind. Wer keinen Hund hat, sieht das Zittern nicht. Wer nicht draussen lebt, hört die Vögel nicht. Wer nicht hinschaut, spürt nicht, was zerstört wird. Emotionale Distanz führt zur Verdrängung – und zur Ignoranz.

Gleichzeitig fehlt in vielen Diskussionen der Perspektivwechsel. Feuerwerk wird als Ausdruck von Freiheit und Individualität gesehen – dabei werden die Bedürfnisse von Tieren, Kindern, Natur und sensiblen Menschen systematisch übergangen. Der Wunsch nach Lichtershow wiegt oft schwerer als das Leid im Hintergrund.

Doch Empathie ist lernbar – und sie beginnt mit Information. Wer versteht, was Feuerwerk auslöst, beginnt früher oder später, Fragen zu stellen. Und wer Fragen stellt, findet Wege, Dinge zu verändern.

Was es jetzt braucht – und was wir tun können

Ein gesellschaftlicher Wandel ist längst überfällig. Dazu braucht es mutige Entscheidungen, politische Verantwortung – und zivilgesellschaftliches Engagement. Immer mehr Städte zeigen, dass es auch anders geht: mit Drohnenshows, stillen Lichtinstallationen oder gemeinschaftlichen Feiern ohne Lärm und Feinstaub.

Auf individueller Ebene kann jede:r Verantwortung übernehmen: durch Verzicht auf privates Feuerwerk, durch Gespräche mit Nachbar:innen, durch Aufklärung im Freundeskreis oder durch Unterstützung von Organisationen, die sich für Tiere und Umwelt einsetzen.

Der erste Schritt beginnt mit einer einfachen Entscheidung: Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch richtig.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema Feuerwerk und Tierschutz

Wie stark leiden Hunde unter Feuerwerk wirklich?

Sehr stark. Viele Hunde reagieren mit panischer Angst, Stresssymptomen, Fluchtverhalten oder sogar körperlichen Beschwerden wie Erbrechen, Zittern oder Inkontinenz. Besonders betroffen sind geräuschempfindliche oder traumatisierte Tiere.

Was macht Feuerwerk so gefährlich für Wildtiere?

Wildtiere können die plötzlichen Geräusche und Lichtblitze nicht einordnen. Viele flüchten kopflos, verlieren ihre Jungtiere, verletzen sich oder sterben an Erschöpfung. Besonders betroffen sind Vögel, Rehe, Hasen, Füchse und andere dämmerungs- oder nachtaktive Tiere.

Gibt es leisere oder tierfreundliche Alternativen zu Feuerwerk?

Ja. Drohnenshows, Lichtprojektionen, stille Feuerwerke oder gemeinsame Rituale ohne Pyrotechnik bieten stimmungsvolle Alternativen – ohne Lärm und Umweltbelastung.

Warum wird Feuerwerk nicht einfach verboten?

Feuerwerk ist wirtschaftlich relevant, gesellschaftlich tief verankert und wird politisch oft nur zögerlich reguliert. In der Schweiz liegt die Verantwortung bei den Kantonen oder Gemeinden – ein flächendeckendes Verbot gibt es bisher nicht.

Kann ich meinem Hund die Angst vor Feuerwerk abtrainieren?

Teilweise. Mit gezieltem Training, Gegenkonditionierung und Ruhetraining lassen sich die Symptome mildern. In schweren Fällen helfen Verhaltenstherapie, tierärztliche Beratung oder medikamentöse Unterstützung – aber ein vollständiger Stressabbau gelingt selten.

Wie kann ich mein Haustier an Silvester oder dem 1. August schützen?

Bleib am besten zu Hause, zieh Vorhänge zu, schaffe Rückzugsorte und halte Deinen Hund angeleint – auch im Garten. Beruhigende Musik wie braunes Rauschen, sichere Boxen, Kauknochen oder eng anliegende Schutzwesten (wie z. B. der Thundershirt) können zusätzlich helfen.

Wie belastet Feuerwerk die Umwelt?

Sehr stark. Feuerwerk produziert grosse Mengen Feinstaub, setzt Schwermetalle frei und hinterlässt Plastik- und Papierrückstände in der Natur. Besonders problematisch: Diese Schadstoffe gelangen in Böden und Gewässer.

Darf ich auch ausserhalb von Silvester oder dem 1. August Feuerwerk zünden?

In der Schweiz ist Feuerwerk ausserhalb dieser Tage meist bewilligungspflichtig – z. B. bei Hochzeiten oder Dorffesten. Die genauen Regelungen variieren kantonal und kommunal. In vielen Orten sind Böller das ganze Jahr verboten oder nur mit Sonderbewilligung erlaubt.

Was bringt ein Feuerwerksverzicht wirklich?

Mehr Ruhe für Tiere, weniger Umweltbelastung, geringere Kosten für Gemeinden – und ein respektvollerer Umgang mit unserer Mitwelt. Jeder einzelne Verzicht wirkt. Wenn viele mitziehen, kann daraus ein neuer gesellschaftlicher Standard entstehen.

Wie kann ich mich für ein Verbot oder Alternativen engagieren?

Sprich das Thema in Deinem Umfeld an, unterstütze Tierschutzorganisationen, unterschreibe Petitionen wie die Feuerwerksinitiative oder fordere Deine Gemeinde zum Umdenken auf. Öffentliches Interesse und Engagement sind oft der erste Schritt zur politischen Veränderung.

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