Der Bernhardiner zählt mit seiner massigen Statur und dem breiten Kopf zu den Hunderassen mit besonders markantem Aussehen – doch ebendiese Merkmale sind häufig mit gesundheitlichen Beschwerden verbunden. In der Beitragsserie «Qualzucht oder nicht?» werfen wir einen genauen Blick auf einzelne Hunderassen: Wie sah die Rasse ursprünglich aus? Welche Merkmale gelten heute als Qualzucht? Und gibt es überhaupt noch gesunde Vertreter dieser Rasse – oder ist sie inzwischen untrennbar mit Gesundheitsproblemen verbunden?
Entstehung und Geschichte der Rasse
Der Bernhardiner, oft auch St. Bernard genannt, ist eine der bekanntesten und imposantesten Hunderassen – vor allem wegen seiner Rolle als legendärer Alpenretter.
Die Wurzeln des Bernhardiners reichen zurück ins 11. Jahrhundert, als Mönche im Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard-Pass, an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien, Hunde hielten, um Reisende und Pilger vor Lawinen und Schnee zu schützen.
Der Bernhardiner war vor allem als Such- und Rettungshund im alpinen Gelände im Einsatz. Schnelligkeit, Ausdauer, ein wachsames Wesen und ein robuster, aber nicht zu massiger Körperbau waren wichtige Eigenschaften.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Bernhardiner zu einem beliebten Ausstellungshund. Besonders im 19. und 20. Jahrhundert veränderte sich das Erscheinungsbild der Rasse. Das Bild eines massigen, grossen und schweren Bernhardiners prägte zunehmend die Zuchtziele.
Das Titelbild dieses Beitrags zeigt einen schlankeren, drahtigeren Hund mit einem längeren, feineren Kopf – eine Form, die funktionaler war und besser zu den ursprünglichen Aufgaben passte. Die früheren Bernhardiner waren in der Regel nicht so massiv und schwer wie die heutigen. Ihr Körperbau war besser auf lange Rettungseinsätze im Gebirge abgestimmt – schlanker, mit längeren Läufen und einem schmaleren Kopf. Diese Merkmale sorgten für mehr Beweglichkeit und Ausdauer, was im rauen Gelände überlebenswichtig war.
Die Rasse heute
Heute sehen viele Bernhardiner sehr massig und gedrungen aus. Die Kopfform ist breiter und bulliger, der Kopf riesig mit einer breiten Schnauze. Der Körper wirkt schwer und voluminös, mit einem breiten Brustkorb und kräftigen Knochen. Diese Erscheinung entspricht dem heutigen Rassestandard, der weniger auf Funktionalität als auf ästhetische Wirkung setzt.
Aus Tierschutzsicht problematisch sind dabei vor allem folgende Merkmale:
- Massiger Körperbau: Er belastet Gelenke und Herz-Kreislauf-System stark.
- Breiter, kurzer Kopf: Kann die Atmung erschweren und zu Schnarchen, Hitzestress oder Atemnot führen.
- Schwere Knochen und hohe Masse: Erhöhen die Gefahr von Hüft- und Ellbogendysplasien (Gelenkfehlstellungen).
- Fell und Haut: Dichte Unterwolle und Falten erhöhen das Risiko für Hautprobleme, auch wenn Bernhardiner weniger faltig sind als andere Qualzuchtrassen.
Masse statt Klasse: Häufige gesundheitliche Probleme der Rasse
Der Bernhardiner ist aufgrund seiner Grösse und seines Körperbaus anfällig für verschiedene gesundheitliche Probleme, die direkt mit den heutigen Zuchtzielen zusammenhängen.
Gelenkfehlstellungen
Ein besonders häufiges und belastendes Problem bei Bernhardinern sind Gelenkfehlstellungen, zu denen vor allem die Hüftdysplasie (HD) und die Ellbogendysplasie (ED) zählen. Beide Erkrankungen entstehen durch eine Fehlentwicklung der Gelenke, bei der die Knochen nicht richtig zueinander passen oder sich zu locker bewegen.
Bei der Hüftdysplasie passt der Gelenkkopf nicht korrekt in die Hüftpfanne, während bei der Ellbogendysplasie die Gelenkflächen des Ellbogens beeinträchtigt sind.
Diese Fehlstellungen führen nicht nur zu Schmerzen und Entzündungen, sondern können im Verlauf auch Arthrose verursachen, was die Beweglichkeit und Lebensqualität der Hunde erheblich einschränkt.
Da Bernhardiner grosse, schwere Hunde sind, wirken starke Belastungen auf die Gelenke, die die Beschwerden verschärfen und die Heilung erschweren.
Herzkrankheiten
Neben den Gelenkproblemen treten bei Bernhardinern auch Herzkrankheiten recht häufig auf. Besonders Herzklappenfehler sowie eine sogenannte Kardiomyopathie, eine Erkrankung des Herzmuskels, können die Lebensqualität und Lebenserwartung der Hunde negativ beeinflussen.
Durch das hohe Körpergewicht und die oft eingeschränkte Beweglichkeit wird das Herz zusätzlich belastet, was die Risiken weiter erhöht.
Magendrehung
Ein weiteres ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko ist die sogenannte Magendrehung. Dabei dreht sich der Magen, was die Blutzufuhr unterbricht und unbehandelt innerhalb kurzer Zeit tödlich enden kann.
Diese Erkrankung tritt bei grossen, tiefbrüstigen Hunden wie dem Bernhardiner besonders häufig auf und erfordert sofortige tierärztliche Behandlung.
Übergewicht
Schliesslich sind Bernhardiner auch anfällig für Übergewicht. Aufgrund ihrer Grösse und Bewegungseinschränkungen fällt es vielen Hunden schwer, ihr Idealgewicht zu halten.
Übergewicht wirkt sich wiederum negativ auf die Gelenke und das Herz aus und kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
Kurze Lebenserwartung
All diese Faktoren führen dazu, dass die durchschnittliche Lebenserwartung eines Bernhardiners mit etwa 7 bis 9 Jahren vergleichsweise kurz ist.
Im Vergleich zu anderen, ähnlich grossen Hunderassen ist das eine deutliche Einschränkung, die den Stellenwert von Gesundheitsvorsorge und verantwortungsvoller Zucht unterstreicht.
Gibt es überhaupt gesunde Vertreter der Rasse?
Es existieren noch Bernhardiner-Linien, die dem ursprünglichen Typ näherkommen – beispielsweise in Arbeits- oder seltenen Ausstellungslinien, die weniger stark auf Masse gezüchtet werden. Auch Züchter, die Wert auf Gesundheit legen, versuchen, den Typ schlanker und funktionaler zu erhalten.
In der Zucht gibt es inzwischen Bestrebungen, den Körperbau wieder funktionaler zu machen und Gesundheitsprobleme zu reduzieren. Dazu gehören:
- Selektion auf HD-Freiheit und Herzgesundheit.
- Vermeidung von Überzüchtung auf extreme Grösse und übermässige Masse.
- Förderung von Ausdauer und Beweglichkeit.
Gesunde Linien erkennen
- Schlanker, athletischer Körperbau im Vergleich zu massigen Exemplaren.
- Längere Schnauze, weniger breiter Kopf.
- Keine Gelenkprobleme (belegt durch HD-Röntgen).
- Gesunde Herzwerte und normale Atemfunktion.
- Züchter, die Gesundheitsnachweise erbringen und verantwortungsvoll arbeiten.
Fazit zum Bernhardiner: Qualzucht oder nicht?
Der Bernhardiner ist ein eindrucksvoller Hund mit einer faszinierenden Geschichte als Bergretter. Ursprünglich schlank, robust und funktional gezüchtet, zeigt die heutige Form vieler Vertreter deutliche Anzeichen von Qualzucht: Übermässige Masse, gesundheitliche Probleme und eingeschränkte Beweglichkeit. Dennoch gibt es Hoffnung, denn es gibt Zuchtlinien und Initiativen, die auf gesündere, funktionalere Bernhardiner setzen.
Wenn Du Dir einen Bernhardiner anschaffen möchtest, solltest Du sorgfältig auf die Herkunft achten und auf Züchter setzen, die Wert auf Gesundheit und Funktion legen.
Der Bernhardiner ist also nicht per se eine Qualzuchtrasse – doch die Tendenz zu übertriebenen Merkmalen ist klar erkennbar. Mit bewusster Zucht und aufgeklärten Käufern kann diese Rasse aber wieder zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden zurückfinden.



