Absagen bei der Tiervermittlung: Haben Tierheime zu hohe Ansprüche?

Schäferhund, einsam und traurig auf Bank

Immer wieder lesen und hören wir von enttäuschten Tierheim-Besuchern, man würde ihnen bei der Suche nach einem Haustier eine Abfuhr erteilen. Sind die Auflagen für die Tiervermittlungen aus Tierheimen wirklich derart hoch? Sind deren Auswahlverfahren tatsächlich neutral?

Schlechte Neuigkeiten verbreiten sich schneller

Auch viele Tierheime nutzen soziale Medien, um ihre Tiere vorzustellen oder auf besondere Notfälle aufmerksam zu machen. Doch die Kommentare auf derartige Offerten sind nicht selten negativ. Immer öfter monieren Menschen z.B. auf Facebook Posts von Tierheimen, die Auswahlkriterien für den neuen Halter seien unrealistisch bis utopisch. Die Schlussfolgerung: der Vorwurf, die Tierheime wollen ihre Hunde, Katzen und Co. lieber behalten.

Leider liegt es in der menschlichen Natur, negative Erfahrungen eher mit der Welt zu teilen als positive. Dieses Mitteilungsbedürfnis äussert sich aufgrund Enttäuschungen, Frust, Ungeduld oder anderen Emotionen. Und dass der Wunsch nach einem Haustier ohnehin oft eine emotionale Angelegenheit ist, liegt wohl auf der Hand.

Das Tierheim in Moers (NRW, Deutschland) reagierte kürzlich mit einer Klarstellung auf diesen Pauschalvorwurf . So betonen auch diverse andere Tierheime immer wieder aufs Neue, dass es vorrangig um das passende Verhältnis des Tier-Halter-Gespanns geht. Doch warum erweist sich in der Praxis besagtes Verhältnis scheinbar ständig als nicht stimmig?

Haben Tierheime zu hohe Ansprüche gegenüber den Haltern?

In Wahrheit haben sehr viele Tierheime recht ähnliche Auflagen, die es zu “erfüllen” gilt, wenn man sich ein Haustier zulegen möchte. Dennoch bleibt die Tiervermittlung ein individueller Prozess, der eben manchmal mit einer Absage endet. Oder doch eher viel zu oft? Wir haben einige Tierheime hinsichtlich ihrer Anforderungen an die neuen Halter verglichen und stellen besonders oft folgende Gemeinsamkeiten fest.

  • Eigenheim sticht Mieter: viele Mietverträge erlauben keine Hundehaltung (obwohl ein pauschales Verbot rechtswidrig wäre!) oder gehen nicht konkret darauf ein. Unklarheiten darüber bremsen den Tiervermittlungsprozess.
  • Die Frage nach dem Platz: noch einmal punkten Eigenheimbesitzer mit Haus und Grundstück, am besten inklusive Freilaufflächen. Der Mieter in der kleineren Wohnung hat demgegenüber schlechtere Chancen auf grössere Haustiere oder solche, die viel Auslauf brauchen.
  • Faktor Zeit: Ein Tier braucht Aufmerksamkeit, Beschäftigung und Bewegung. Vollzeit-Berufstätige haben es hier schwerer.
  • Der Kostenfaktor: Neben der Tiervermittlungsgebühr kommen hohe finanzielle Belastungen auf Tierhalter zu. Dementsprechend prüfen Tierheime auch, wie es um die finanzielle Situation des Interessenten bestellt ist.
  • Altersdiskriminierung? Vor allem an ältere Menschen hagelt es bei der Tiervermittlung offensichtlich Absagen. Natürlich ist zu prüfen, inwiefern die Situation des Interessenten der des zu vermittelnden Tieres entspricht. Die Meisten sehen jedoch kein Problem, einen ausgewachsenen Hund in die Hände eines gesundheitlich uneingeschränkten Senioren zu geben.

Machen Nase und Ton die Musik?

Theoretisch ist die Tiervermittlung ein Prozess, bei dem die Tierheime einen halbwegs neutralen Standpunkt einnehmen und grundsätzlich zum Wohle des Tieres entscheiden. Falls sich zwei Interessenten um ein Tier “streiten”, gewinnt vermutlich derjenige, der bei den oben genannten Anforderungen die meisten Punkte einfährt. In der Realität ist es wohl aber wahrscheinlich eher so, dass nicht zu viele, sondern zu wenige Interessenten für ein bestimmtes Tier auftreten. Goldene Ausnahme bilden vermutlich Rasse- und Jungtiere (Kitten/Welpen).

Ob ein Tierheim eine Absage erteilt, weil ihm einfach “die Nase des Interessenten nicht passt”, kann wohl niemand sagen. Menschlich wäre es wahrscheinlich. Wir dürfen nicht vergessen, dass bei der Tiervermittlung nun mal Menschen agieren. Demzufolge ist es auch möglich, dass Tierheime zu Absagen (oder gar fehlender Reaktion auf Anfragen) tendieren, falls der Interessent etwas zu forsch auftritt.

Ein paar Tipps für die erfolgreiche Tiervermittlung

Dennoch halten sowohl Tierheime als auch die meisten Organisationen, die sich Tierschutz auf die Fahne schreiben, an der Empfehlung fest, Vierbeiner eher aus dem Tierheim als anderen Quellen (Züchter, Zoohandel…) zu beziehen. Adoption vor Kauf” lautet die Devise. Seriöse Tierheime stellen Interessenten bereits im Vorfeld ausgiebige Informationen über die ansässigen Tiere als auch die zu erfüllenden Auflagen bereit. Informiere dich gewissenhaft darüber, so bist du schon vor dem ersten Besuch bestens vorbereitet.

  • Konstruktives Brainstorming: Du hast dich in ein Tier verliebt, erfüllst aber ein paar der Ansprüche nicht? Sei im Dialog mit den Tierheim-Mitarbeitern offen und ehrlich. Gemeinsam findet sich eher eine Lösung (oder ein Kompromiss?) als allein im Stillen.
  • Die Entscheidung für ein Haustier braucht bestenfalls Zeit, ähnlich wie die artgerechte Tierhaltung selbst. Nimm dir also Zeit für (mehrere!) Tierheimbesuche, die Kommunikation rundherum, Überlegungen und die Anfrage an sich. Zeigst du dich zu ungeduldig oder aufdringlich, reagieren viele Tierheime mit Punkteabzug.
  • Sei genauso offen für Feedback, wie du sie vielleicht gegenüber dem Tierheim, das dir eine Absage erteilt, geben würdest. Überprüfe noch einmal die beiderseitige Erwartungshaltung. Sind die Differenzen wirklich derart gross, dass sie unüberwindbar sind?
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