Viele Hunderassen, die wir heute kennen und lieben, haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Manche wurden kleiner, flacher, faltiger oder rundköpfiger gezüchtet – oft aus ästhetischen Gründen oder weil bestimmte Merkmale als besonders „niedlich“ gelten. Doch was auf den ersten Blick goldig und harmlos erscheint, kann für die betroffenen Hunde schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
In der Beitragsserie «Qualzucht oder nicht?» werfen wir einen genauen Blick auf einzelne Hunderassen: Wie sah die Rasse ursprünglich aus? Welche Merkmale gelten heute als Qualzucht? Und gibt es überhaupt noch gesunde Vertreter dieser Rasse – oder ist sie inzwischen untrennbar mit gesundheitlichen Problemen verbunden? Heute im Fokus: Der Chihuahua.
Entstehung und Geschichte der Rasse
Der Chihuahua gilt als die kleinste Hunderasse der Welt – und gleichzeitig als eine der ältesten. Seine Ursprünge reichen zurück bis ins präkolumbianische Mexiko. Bereits die Tolteken hielten kleine Hunde namens Techichi, die als direkte Vorfahren des modernen Chihuahuas gelten. Ursprünglich waren die Hunde deutlich robuster, grösser und kräftiger gebaut als viele ihrer heutigen Vertreter.
In Europa wurde die Rasse erst im 19. Jahrhundert bekannt, vor allem durch ihre Exotik und Grösse – oder besser gesagt: durch ihre Winzigkeit. Der Trend zur „Mini-Version“ wurde im Laufe der Zeit immer stärker betont, bis schliesslich sogar sogenannte Teacup-Chihuahuas gezüchtet wurden – besonders kleine Tiere, die teilweise nicht einmal ein Kilogramm wiegen.
Die Rasse heute
Der heutige Chihuahua ist ein zierlicher Hund mit grossem, rundem Kopf (oft als „apfelförmig“ beschrieben), grossen Augen und Stehohren. Er kommt in zwei Fellvarianten vor: langhaarig und kurzhaarig. Viele Chihuahuas wiegen unter zwei Kilogramm – besonders die, die aus extrem kleinen Zuchtlinien stammen.
Diese Miniaturisierung ist jedoch mit grossen Nachteilen verbunden: Je kleiner der Hund, desto grösser oft die gesundheitlichen Risiken.
Häufige gesundheitliche Probleme
- Hydrocephalus (Wasserkopf): Viele Chihuahuas leiden unter einem zu grossen oder offenen Fontanellenspalt im Schädel, was zu Hirndruck und neurologischen Symptomen führen kann. Besonders häufig tritt das bei sehr kleinen Zuchtexemplaren auf.
- Patellaluxation: Ein weit verbreitetes Problem ist die Verrenkung der Kniescheibe – schmerzhaft und oft nur operativ dauerhaft zu beheben.
- Trachealkollaps: Die Luftröhre vieler Chihuahuas ist extrem schmal oder instabil, was zu Atemproblemen, Husten oder Atemnot führen kann.
- Zahnprobleme: Aufgrund des sehr kleinen Kiefers haben viele Chihuahuas zu viele Zähne auf zu wenig Platz – was Zahnstein, Parodontitis und Zahnverlust begünstigt.
- Herzkrankheiten: Die Mitralklappeninsuffizienz, also ein Herzklappenfehler, kommt vergleichsweise häufig vor.
- Exophthalmus (hervorstehende Augäpfel): Bei vielen Chihuahuas – besonders bei sehr kleinen oder extrem rundköpfig gezüchteten Tieren – stehen die Augäpfel stark aus den Augenhöhlen hervor. Das erhöht das Risiko für:
- Austrocknung der Hornhaut (da die Lider das Auge nicht mehr vollständig benetzen),
- Verletzungen (z. B. durch Staub, Krallen anderer Tiere, Äste beim Spazieren),
- Augenentzündungen oder sogar Linsenluxation.
- Im schlimmsten Fall kann das Auge durch ein Trauma aus der Augenhöhle heraustreten (Proptosis) – ein schmerzhafter und notfallmedizinischer Zustand.
- Heraushängende Zunge (Tongue out): Viele Chihuahuas, vor allem aus extrem kleinen Linien oder mit Fehlstellungen im Kiefer, zeigen eine dauerhaft heraushängende Zunge. Gründe dafür können sein:
- Zu kleiner oder falsch gewachsener Kiefer, der die Zunge nicht richtig halten kann,
- Zahnverlust, wodurch die Zunge keinen Halt mehr findet,
- Neurologische Probleme, z. B. durch einen offenen Schädel oder Mini-Hirnfehlbildungen.
- Auch wenn es auf Fotos als „süss“ wahrgenommen wird, ist es meist ein Hinweis auf ein anatomisches Problem – besonders wenn es ständig auftritt und nicht nur beim Entspannen oder Hecheln.
Gibt es überhaupt gesunde Vertreter dieser Rasse?
Ja – es gibt durchaus verantwortungsbewusste Züchter, die Wert auf Gesundheit, robuste Linien und artgerechte Aufzucht legen. Ein gesunder Chihuahua sollte:
- mindestens 2 bis 3 Kilogramm wiegen,
- keine sichtbare Fontanelle mehr haben,
- über einen stabilen Knochenbau verfügen,
- freiatmend und belastbar sein.
Fazit: Qualzucht oder nicht?
Der Chihuahua ist eine alte und faszinierende Hunderasse – aber die moderne Zucht hat ihn in vielen Fällen weit von seinen Ursprüngen entfernt. Insbesondere bei extrem kleinen Exemplaren mit rundem Apfelkopf, hervortretenden Augen und dauerhaft heraushängender Zunge sind gesundheitliche Probleme keine Seltenheit, sondern trauriger Standard.
Zwar gibt es Zuchten, die sich um gesündere Linien bemühen – doch der Trend zu immer kleineren und auffälligeren Hunden, insbesondere im Teacup-Format, verstärkt die Problematik. Viele dieser Tiere leiden ein Leben lang unter gesundheitlichen Einschränkungen, Fehlbildungen oder erhöhtem Pflegeaufwand.
Fazit: In der heute weit verbreiteten Form ist der Chihuahua leider oft ein Beispiel für Qualzucht. Wer sich für diese Rasse interessiert, sollte grossen Wert auf seriöse Zucht, gesunde Elterntiere und einen möglichst ursprünglichen Körperbau legen.