Semiochemikalien sind chemische Signalstoffe, die der Kommunikation zwischen Lebewesen dienen. Sie übertragen Informationen über Art, Geschlecht, Fortpflanzungsstatus, soziale Stellung, Gesundheit oder Gefühlszustand. Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen sēmeion („Zeichen“) und chemia („Chemie“) ab.
Arten von Semiochemikalien
Semiochemikalien werden in der Biologie in zwei Hauptkategorien eingeteilt:
- Intraspezifische Semiochemikalien – wirken innerhalb derselben Art:
- Pheromone: Übermitteln soziale oder reproduktive Signale (z. B. Läufigkeitspheromone bei Hündinnen)
- Alarmstoffe: Signalisieren Gefahr oder Stress an Artgenossen
- Interspezifische Semiochemikalien – wirken zwischen verschiedenen Arten:
- Allomone: Zum Vorteil des Senders, z. B. Abwehrstoffe gegen Fressfeinde
- Kairomone: Zum Vorteil des Empfängers, z. B. Duftstoffe, die Beute anlocken
- Synomone: Zum Vorteil von Sender und Empfänger, z. B. Blütendüfte, die Bestäuber anlocken
Bedeutung bei Hunden
Hunde nutzen Semiochemikalien vor allem zur Geruchskommunikation. Diese Signale werden über verschiedene Drüsen abgesondert, u. a.:
- Analdrüsen und Zirkumanaldrüsen
- Talg- und Schweißdrüsen
- Speichel– und Ohrdrüsen
- Urin- und Vaginalsekrete
Sie enthalten komplexe chemische Mischungen aus Fettsäuren, Aminen, Schwefelverbindungen und anderen Molekülen.
Wahrnehmung
Hunde nehmen Semiochemikalien mit zwei Geruchssystemen wahr:
- Hauptgeruchssystem (olfaktorisches System) – erkennt flüchtige Moleküle über die Riechschleimhaut
- Vomeronasales Organ (VNO) – spezialisiert auf großmolekulare, oft nicht flüchtige Signalstoffe wie Pheromone
Die Kombination beider Systeme ermöglicht eine sehr präzise Analyse von Sozialsignalen.
Funktionen im Hundeverhalten
- Sozialerkennung: Wer ist Freund, Fremder oder Familienmitglied?
- Fortpflanzung: Erkennen von Läufigkeit, Paarungsbereitschaft oder Konkurrenz
- Reviermarkierung: Kennzeichnung von Territorien durch Urin, Kot oder Drüsensekrete
- Emotionale Zustände: Stress, Angst oder Entspannung können über chemische Signale vermittelt werden
Forschung
Studien zeigen, dass Semiochemikalien bei Hunden nicht nur das Verhalten gegenüber Artgenossen, sondern auch die Reaktion auf Menschen beeinflussen können. Pheromonpräparate (z. B. synthetische Mutterhündin-Pheromone wie DAP – Dog Appeasing Pheromone) werden in der Verhaltenstherapie eingesetzt, um Angst oder Stress zu reduzieren.
Klinische und praktische Relevanz
- Verhaltenstherapie: Pheromonpräparate als Ergänzung zu Training
- Zucht: Einsatz von Duftstoffen zur Erkennung des optimalen Deckzeitpunkts
- Tiermedizin: Analyse von Duftveränderungen zur Gesundheitsdiagnostik
- Alltag: Verständnis von Semiochemikalien hilft, Hundebegegnungen besser zu lesen



