Wie beim Menschen besteht auch das Hundegehirn aus zwei Hemisphären – der linken und der rechten Hirnhälfte. Beide sind durch ein Nervenbündel (Corpus callosum) verbunden, arbeiten eng zusammen, übernehmen aber unterschiedliche Aufgaben:
- Linke Hirnhälfte: zuständig für Routine, kontrolliertes Verhalten, positiv gelernte Reize und Annäherungsverhalten
- Rechte Hirnhälfte: verarbeitet neue Reize, Stress, Furchtreaktionen und Fluchtverhalten
Die sogenannte Lateralität beschreibt, welche Hirnhälfte bei einem Hund dominanter ist – also bei Entscheidungsprozessen oder emotionalen Reaktionen stärker aktiviert wird. Diese Dominanz kann sich in motorischen Präferenzen (z. B. Pfotengebrauch) und Verhaltensmustern zeigen.
Was sagt die Forschung?
In den letzten 20 Jahren haben zahlreiche Studien Licht ins Dunkel gebracht, wie Hunde ihre Hirnhälften nutzen – und was das für ihr Verhalten bedeutet.
Emotionale Verarbeitung – die „emotional brain side“
- Laut Siniscalchi et al. (2008) zeigen Hunde bei positiven Reizen (z. B. Stimme der Bezugsperson) eine Kopfwendung nach rechts – was bedeutet, dass die linke Hirnhälfte aktiv ist.
- Bei negativen Reizen (z. B. Gewitter, bedrohliche Geräusche) erfolgt eine Kopfwendung nach links, also rechte Hirnhälfte aktiv – diese ist auf schnelle, instinktive Reaktionen spezialisiert.
Pfotenpräferenz als Fenster ins Gehirn
Studien von Wells et al. (2003) und Branson & Rogers (2006) zeigten, dass Hunde eine individuelle Pfotenpräferenz haben – ähnlich wie bei der Händigkeit des Menschen.
Dabei gilt:
- Rechtspfoten-Hunde → linkshirngesteuert
- Linkspfoten-Hunde → rechtshirngesteuert
- Linkshirngesteuerte Hunde tendieren dazu, ruhiger, planvoller und stressresistenter zu sein.
- Rechtshirngesteuerte Hunde zeigen häufiger ängstliches, reaktives Verhalten – also sensibler und vorsichtiger im Umgang mit neuen Reizen.
Weitere Erkenntnisse:
- Ambilaterale Hunde (ohne klare Seitenpräferenz) reagieren oft unsicherer in neuen oder stressigen Situationen.
- Weibliche Hunde zeigen häufiger eine Linkspfoten-Präferenz (→ rechtshirngesteuert).
Hunde mit starker Lateralität (also klarer Seitenpräferenz) zeigen in Studien oft eine bessere kognitive Leistung, z. B. beim Lösen von Aufgaben oder beim Training.
Gibt es rassespezifische Unterschiede?
Die Studienlage zu Rassen ist noch begrenzt, aber es gibt Hinweise, dass bestimmte Rassen – insbesondere Arbeitshunde wie Border Collies, Schäferhunde oder Retriever – stärkere Lateralisierungsmuster zeigen. Vermutlich liegt das an der gezielten Selektion auf Konzentration und reaktive Leistungsfähigkeit.
Eine umfassende rassespezifische Analyse fehlt bisher. Es scheint aber, dass hoch trainierbare Hunde häufiger eine klare Lateralität aufweisen als Begleithunde ohne Arbeitsaufgaben.
Was bedeutet das für den Alltag mit Deinem Hund?
Die dominante Hirnhälfte Deines Hundes kann Dir Hinweise geben, wie er mit seiner Umwelt umgeht:
Hirndominanz | Typische Merkmale im Verhalten |
---|---|
Linkshirn (Rechtspfote) | Ruhiger, planvoll, positiv motivierbar, stressresistenter |
Rechtshirn (Linkspfote) | Vorsichtiger, sensibler, reaktiver auf neue Reize |
Beidseitig | Flexibel, aber teils unentschlossen, braucht mehr Führung |
Diese Eigenschaften sind weder gut noch schlecht, sondern einfach Teil der Persönlichkeit. Wichtig ist, das Verhalten zu erkennen, nicht zu bewerten, und den Hund individuell zu begleiten.
Tierschutzrelevanz: Warum dieses Wissen wichtig ist
Besonders bei sensiblen Hunden, Tierheimhunden oder solchen aus dem Auslandstierschutz ist es hilfreich, die Hirnpräferenz zu kennen:
- Reizüberflutung kann bei rechtshirngesteuerten Hunden schneller zu Überforderung führen.
- Linkshirngesteuerte Hunde können von klarer Struktur und Aufgaben profitieren.
- Eine angepasste Umgebung und Trainingsweise kann die Resilienz fördern – was aktiver Tierschutz bedeutet!
Natürlich! Hier ist die praktische Anleitung, mit der Du ganz einfach herausfinden kannst, ob Dein Hund eher rechts- oder linkshirngesteuert ist – also welche Hirnhälfte bei ihm dominiert. Diese Anleitung basiert auf wissenschaftlich getesteten Methoden und ist alltagstauglich gestaltet. Du brauchst nur ein wenig Zeit, Geduld und Freude an der Beobachtung Deines Hundes.
Anleitung: So erkennst Du, welche Hirnhälfte Dein Hund bevorzugt
Warum das Beobachten lohnt
Mit dieser kleinen Verhaltensanalyse bekommst Du wertvolle Einblicke in die Persönlichkeit Deines Hundes – etwa, ob er eher strukturiert und ruhig oder sensibel und reaktiv ist. Das hilft Dir, Training und Alltag gezielter an seinen Charakter anzupassen.
So funktioniert’s: Drei einfache Tests für Zuhause
Damit die Ergebnisse aussagekräftig sind, solltest Du jeden Test mindestens 15–20 Mal durchführen – verteilt über mehrere Tage. Achte darauf, dass Dein Hund entspannt ist und sich freiwillig beteiligt.
Tipp: Notiere Dir die Ergebnisse in einer Tabelle (rechts / links / beidseitig), damit Du am Ende eine Tendenz erkennst.
Test 1: Pfotenwahl beim Spielzeug
Ziel: Beobachte, mit welcher Pfote Dein Hund ein Spielzeug fixiert oder bearbeitet.
Was Du brauchst: Einen gefüllten Kong, ein Kau-Spielzeug oder einen Schnüffelball.
So geht’s:
- Lege Deinem Hund das Spielzeug hin.
- Schau genau hin: Welche Pfote benutzt er zuerst oder häufiger, um es festzuhalten oder zu manipulieren?
Beobachtung:
- Rechte Pfote → linkshirngesteuert
- Linke Pfote → rechtshirngesteuert
Test 2: Pfote geben (wenn Dein Hund das Kommando kennt)
Ziel: Finde heraus, welche Pfote Dein Hund Dir zuerst anbietet.
Was Du brauchst: Nur Deine Hand und ein paar Leckerlis.
So geht’s:
- Bitte Deinen Hund mehrmals „Gib Pfote“ – ohne gezielte Körpersprache oder Hinweis auf eine Seite.
- Notiere, welche Pfote er Dir zuerst gibt – über viele Wiederholungen hinweg.
Alternativ: Halte Deine Hände mit je einem Leckerli leicht seitlich aus – welche Hand stupst er zuerst an?
Test 3: Einstieg ins Auto oder auf eine Treppe
Ziel: Beobachte die Bewegungspräferenz Deines Hundes in natürlichen Situationen.
Was Du brauchst: Einen Ort mit einer Stufe, Treppe oder Autoeinstieg, den Dein Hund kennt.
So geht’s:
- Beobachte mehrfach, mit welcher Pfote Dein Hund zuerst einen Schritt macht (z. B. beim Hochgehen einer Treppe oder Einsteigen ins Auto).
Auch hier: Mehrfach beobachten, nicht auf Einzelereignisse verlassen!
So wertest Du die Ergebnisse aus
Zähle am Ende alle „rechts“, „links“ und „beidseitig“-Beobachtungen zusammen. Die Seite mit den meisten Einträgen zeigt Dir die präferierte Pfote – und damit Hinweise auf die dominantere Gehirnhälfte.
Pfotenpräferenz | Interpretation |
---|---|
Rechts | Dominanz der linken Hirnhälfte – strukturiert, stabil, positiv lernend |
Links | Dominanz der rechten Hirnhälfte – sensibler, reaktiver, emotionsgeleitet |
Gleich verteilt | Beidseitig gesteuert – flexibler, aber evtl. unsicher in neuen Situationen |
Was Du daraus ableiten kannst
Training anpassen:
- Linkshirnige Hunde (Rechtspfote) lernen gut durch Wiederholung, Struktur und positive Motivation.
- Rechtshirnige Hunde (Linkspfote) brauchen einfühlsames Training, klare Signale und Pausen bei Überforderung.
Beziehung stärken:
Wenn Du weisst, wie Dein Hund „tickt“, kannst Du ihn gezielter unterstützen, zum Beispiel bei Geräuschangst, Reizüberflutung oder Neuem.
Tierschutz beachten:
Gerade bei Hunden aus dem Tierschutz (z. B. Auslandshunde oder Tierheimhunde) hilft dieses Wissen, ihren Start ins neue Leben sanfter und passender zu gestalten.
Fazit
Die Frage, ob ein Hund rechts- oder linkshirngesteuert ist, geht weit über reine Neugier hinaus. Sie hilft Dir, Deinen Hund besser zu verstehen, seine Persönlichkeit zu respektieren und ihm ein Leben zu ermöglichen, das auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Dieses Wissen ist ein wertvoller Baustein für eine vertrauensvolle Mensch-Hund-Beziehung – und gelebter Tierschutz auf Augenhöhe.