Viele Halter greifen beim Hund auf die Handfütterung zurück, wenn es um Probleme bei der Erziehung oder dem Gehorsam geht. Angeblich steht Handfütterung sogar dafür, dem Hund zu zeigen, wer der Rudelführer ist – Stichwort Dominanz. Überzeugte “Handfütterer” schwören ausserdem darauf, dass dieses Ritual die Bindung sowie Vertrauen zwischen Hund und Halter stärkt. Aber stimmt das alles wirklich?
Handfütterung beim Hund: Nicht alles ist schwarz oder weiss
Allerdings kann so eine Handfütterung bei manchen Hunden auch zu unangenehmen Nebenwirkungen führen. Tatsächlich gibt es ein paar Verhaltensauffälligkeiten, die bei Hunden, die man ausschliesslich von Hand füttert, häufiger auftreten.
- Da handgefütterten Hunden ein Revier um den Napf fehlt (weil sie keinen besitzen), kommen sie seltener auf Zuruf.
- Bei handgefütterten Hunden kommt es öfter zu Futteraggressionen als bei anderen Tieren.
- Der Hund wird unter Umständen weniger empfänglich für andere Belohnungssignale wie Streicheleinheiten, verbales Lob oder sonstige soziale Zuwendung. Dies erschwert die weitere Hundeerziehung.
Handfütterung für die Vertrauensbildung und -Bindung
Das stärkste “Pro-Argument” für eine Handfütterung ist vermutlich der angeblich stärkere Bindungsaufbau zwischen Hund und Halter. Doch auch hier wollen wir einmal kritisch hinterfragen.
Was genau ist diese Bindung eigentlich? Wir verstehen darunter die soziale Beziehung zwischen uns und unseren Hunden. Dazu gehört natürlich ein solides Vertrauensverhältnis. Der Hund soll sich beim Halter wohlfühlen, ihn sowohl als Rudelführer, aber auch als Familienmitglied schätzen und respektieren. Ausserdem sagt man doch: Liebe geht über den Magen.
Betrachten wir das Ganze etwas skeptischer, kommen wir jedoch zu dem Punkt “bedingungslose Liebe”. Als Tierhalter liegt es in unserer Verantwortung, dass es unseren Vierbeinern an nichts mangelt. Dazu zählt neben dem Dach über dem Kopf, der medizinischen Versorgung, ausreichend Bewegung, Beschäftigung und Trinkwasser natürlich das Grundbedürfnis Nahrung.
Grundbedürfnis schamlos ausgenutzt?
Nahrung ist für alle Lebewesen ein existenzielles Bedürfnis. Tiere nutzen ihre Instinkte, um diese Grundbedürfnisse zu erfüllen. Bei domestizierten Tieren passen sich die Gewohnheiten einfach nur den unseren an. Der Hund von der Strasse stillt seinen Hunger nicht am Futternapf, sondern an der nächstbesten Mülltonne oder dem Unrat von Passanten.
An dieser Stelle möchte ich eine Urlaubserfahrung mit euch teilen, die ich gemacht habe. Ich war auf Kuba in einem Hotel direkt am Strand. Auf Kuba gibt es allgemein viele herrenlose Hunde, so auch an besagtem Strandabschnitt. Da war ein kleiner, brauner, ziemlich verwahrloster (er hatte offenkundig Flöhe und sich das Fell an vielen Stellen bis auf die Haut bereits abgekratzt) Mischlingswelpe. Aus Mitleid gab ich ihm einmal etwas von meinem Burger von der Strandbar ab, ausserdem bastelte ich ihm aus einer halben Kokosnussschale einen Wassernapf. Von dem Tag an kam er immer sofort zu meinem Handtuch, sobald ich den Strand betrat.
Ein Angestellter des Hotels bat mich irgendwann, das zu unterlassen, was ich auch getan habe. Der arme, kleine Kerl hat trotzdem immer bei meinem Platz gewartet. Bis eine Woche später ein anderer Tourist aus Tierliebe und Mitleid meine Rolle übernahm.
Handfütterung beim Hund: bitte nicht als Liebes-Ersatz
Wie ihr seht, ist also nicht immer alles gleich schwarz oder weiss. Der kubanische Welpe wäre mir bestimmt bedingungslos überallhin gefolgt – zumindest solange ich sein einziger Futter– und somit “Lebensspender” bleibe.
Die Handfütterung ist grundsätzlich weder verkehrt noch richtig! Mit Sicherheit gibt es Verhaltensprobleme, die sich genau dadurch lösen lassen. Aber als alleiniges Mittel, um eine Bindung zum Tier aufzubauen oder zu begründen, sollte sie meiner Meinung nach nicht herhalten. Da gibt es schliesslich so viele andere, für beide Seiten weit angenehmere Wege, wie gezielten Spielen, Ritualen für die Zweisamkeit oder gemeinsamem Training in Hundeschulen.