In letzter Zeit setzt sich ein Trend durch, deren Gefahren scheinbar nicht ausreichend bekannt sind: Immer mehr Eltern setzen Hunde als “Babysitter” für ihre Kinder ein. Auf Social Media steigt die Anzahl an Videos, in denen Kleinkinder oder sogar Babys auf Schritt und Tritt von den Familienhunden verfolgt und überwacht werden. Vermeintlich süsse Szenen, die in Wahrheit jedoch enorme Risiken beherbergen. Hundetrainer Martin Rütter war zu Gast in der ARD-Sendung “DAS! Gäste auf dem roten Sofa” und warnt nachdrücklich vor den Gefahren dieses Trends.
Martin Rütter zu Gast bei “DAS!” – Interview
Seit mehr als 25 Jahren ist er Martin Rütter als Hundetrainer tätig und bekannt für seine TV-Formate, in denen er nicht nur Hundeerziehung, sondern auch die Herausforderungen im Zusammenleben von Mensch und Hund thematisiert.
Im Interview bei „DAS! Gäste auf dem roten Sofa“ vom 06. Dezember 2024 spricht er über die Beziehung zwischen Mensch und Hund und das respektvolle Miteinander der beiden. In der Sendung erklärt Rütter, warum viele Aspekte der aktuellen Hundehaltung verbessert werden müssen. Darüber hinaus machte er aufmerksam auf den gefährlichen Trend, Hunde als Babysitter für Kinder einzusetzen.
Die komplette Ausgabe kannst du dir in der ARD-Mediathek ansehen: DAS! mit Hundetrainer Martin Rütter
Worum geht es beim Babysitter-Trend?
Der „Hunde als Babysitter“-Trend, der auf Social Media zunehmend verbreitet wird, zeigt eine wachsende Zahl von Videos, in denen Hunde als eine Art Aufsichtsperson für Babys und Kleinkinder fungieren.
In vielen solcher Aufnahmen sieht man Hunde, die immerzu eng an der Seite von kleinen Kindern sind und scheinbar auf sie „aufpassen“. Ein beliebtes Beispiel ist ein Hund, der ein Baby im Kinderwagen begleitet und jede Bewegung des Kindes aufmerksam beobachtet. In anderen Videos folgen Hunde den Kleinkindern auf Schritt und Tritt, als ob sie deren „Wächter“ wären, und scheinen eine Schutzfunktion zu übernehmen.
Auch gibt es Szenen, in denen Hunde in einer Art und Weise mit Kindern interagieren, die auf den ersten Blick zwar als süss empfunden werden, jedoch schnell ungeahnte Dimensionen annehmen könnten. So gibt es beispielsweise Aufnahmen, in denen sich Hunde mit Kleinkindern auf dem Boden wälzen, mit dem ganzen Körpergewicht auf ihnen liegen oder “Erziehungsversuche” in Form von Zerren an Kleidungsstücken vornehmen.
Brenzlige Situationen zwischen kleinen Kindern und Hunden
Diese Interaktionen, die meist als harmlos oder niedlich wahrgenommen werden, können schnell missverstanden werden und sind in der Realität gefährlich, da sie von Tieren kommen, die eine völlig andere Art von Kommunikation und Erziehung haben als Menschen.
Besonders problematisch ist, dass solche Verhaltensweisen in einem Kontext stattfinden, in dem die Kinder nicht in der Lage sind, die Körpersprache des Hundes korrekt zu interpretieren oder sich im Notfall zu schützen.
Der Hund und sein Beschützerinstinkt
Martin Rütter erklärt, dass durch die erzwungene Nähe und das ständige Kuscheln mit dem Kind bei vielen Hunden die Vorstellung entsteht, dass das Kind nun unter ihrer Verantwortung steht.
Hunde, die sich in der Rolle eines Babysitters sehen, können beginnen, eine Wächterfunktion einzunehmen. Sie empfinden es als ihre Aufgabe, das Kind zu beschützen und sehen es möglicherweise als ihr „Eigentum“, was dazu führen kann, dass sie andere Menschen, Tiere und sogar die Eltern als potenzielle Bedrohung wahrnehmen.
Dieser Beschützerinstinkt kann zu gefährlichen Reaktionen führen, wenn der Hund in eine Stresssituation gerät oder sich bzw. das anvertraute Kind in einem Moment der Unsicherheit bedroht sieht. Der Hund könnte dann beispielsweise versuchen, das Kind vor anderen Menschen zu verteidigen, was sich in aggressivem Verhalten äussern kann.
Die Konsequenz dieser veränderten Wahrnehmung ist nicht nur das entstehende Konfliktpotenzial, sondern auch der unnötige Stress, den der Hund durch den Druck, ständig auf das Kind aufzupassen, erfährt. Dies führt zu einer enormen Belastung für den Hund, der in diesem Fall nicht mehr als freier, entspannter Begleiter agieren kann, sondern als auserkorener “Wächter” unter ständiger Anspannung steht.
Wenn Hunde anfangen, die Kinder zu erziehen
Ein weiterer gefährlicher Aspekt des Babysitter-Trends, den Martin Rütter anführt, ist die mögliche Entwicklung von Erziehungsversuchen durch den Hund. Wenn Hunde glauben, sie seien in einer sozialen Verantwortung für das Kind, kann es dazu kommen, dass sie anfangen, das Kind „mit zu erziehen“. Dabei handelt es sich nicht um Erziehung im menschlichen Sinne, sondern um eine Form der Disziplin, die für Kinder – insbesondere Kleinkinder – sehr problematisch und potenziell gefährlich sein kann.
Hunde erziehen auf ihre eigene Weise, die in vielen Fällen mit körperlicher Kommunikation einhergeht. Sobald Kleinkinder anfangen zu krabbeln und mobil zu werden, können die Erziehungsversuche des Hundes eskalieren.
Der Hund könnte etwa versuchen, das Kind an einen bestimmten Platz zu „bringen“ oder es in seiner Bewegung einzuschränken, um „ordentliches Verhalten“ zu zeigen. Ein weiteres Beispiel sind Massregelungen, die durch Bissandeutungen oder Zwicken in Richtung Gesicht oder Gesäss des Kindes erfolgen können – Verhalten, das in der Welt der Hunde als eine Form der Korrektur dient, aber für ein Kind sehr gefährlich ist.
Diese „Erziehungsmethoden“ – unter Hunden völlig normal – können bei Kleinkindern und Babys schnell zu physischen Verletzungen führen und zudem das Vertrauen des Kindes in den Hund beeinträchtigen. In solchen Situationen wird klar, dass Hunde und Menschen völlig unterschiedliche Erziehungsansätze haben, die nicht miteinander kompatibel sind.
Aufsicht und Erziehung liegt in der Verantwortung der Erwachsenen!
Hunde sind treue Begleiter und bringen viele wunderbare Eigenschaften mit, doch ihre Erziehungsmethoden und Instinkte sind grundlegend anders als die der Menschen.
Die Verantwortung, für das Wohl des Kindes zu sorgen und für sichere Interaktionen zwischen Hund und Kind zu sorgen, liegt immer bei den Erwachsenen. Es ist entscheidend, dass Eltern ihre Hunde nicht in eine Rolle drängen, die sie überfordert oder in gefährliche Situationen bringt.
Anstatt Hunde als „Babysitter“ einzusetzen, sollte der Fokus auf der richtigen Erziehung, einer sicheren Umgebung und einer engen Aufsicht bei der Interaktion zwischen Hund und Kind liegen. Hunde und Kinder können wunderbar miteinander auskommen, wenn die Beziehung auf Respekt, klare Grenzen und sichere Kommunikation auf beiden Seiten basiert. Eltern sind gefordert, für die Sicherheit aller Familienmitglieder – sowohl für die Kinder als auch für die Hunde – zu sorgen und den Tieren ihre natürlichen Instinkte und Bedürfnisse zuzugestehen, ohne sie zu überfordern.
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