Ein Trainingsprotokoll ist die Kombination aus Plan (Ziel, Vorgehen, Kriterien) und Dokumentation (was wann wie passiert ist). Es macht Training messbar, verbessert die Abstimmung zwischen Mensch, Trainer:in und Tierärzt:in – und unterstützt tiergerechtes Vorgehen nach modernen Standards (LIMA, belohnungsbasiert). In der Tierverhaltenspraxis gilt saubere Dokumentation als Best Practice.
Warum überhaupt protokollieren?
- Objektivität: ABC-Analysen (Antezedens–Behavior–Consequence) zeigen, was Verhalten auslöst und aufrechterhält.
- Bessere Entscheidungen: Kernmetriken wie Frequenz, Latenz, Dauer, Intensität, Genauigkeit machen Fortschritt sichtbar.
- Wirksam & tierfreundlich: Belohnungsbasierte Methoden sind wirksam und welfare-konform; Protokolle helfen, Verstärkung planvoll einzusetzen.
- Adhärenz: Aus der Verhaltensänderungs-Forschung (Mensch) weiss man: Selbst-Monitoring + Feedback steigern die Umsetzung – ein übertragbarer Mechanismus auch fürs Hundetraining.
Was gehört in ein gutes Trainingsprotokoll?
- Ziel (SMART) & Baseline: Was genau soll der Hund tun? Wie oft / wie schnell / wie lange gelingt es heute?
- ABC-Analyse: Auslöser (A), beobachtbares Verhalten (B), Konsequenz/Verstärkung (C).
- Operative Definition: Verhalte das Ziel messbar („Auf Hier wendet der Hund innert ≤1 s und berührt die Hand“).
- Kriterien & Shaping-Schritte: Kleine, erreichbare Stufen – definieren, wann Du erhöhst (≥80–90 % Treffer über 2 Sessions).
- Metriken: Frequenz/Rate, Latenz (Zeit bis Reaktion), Dauer, Intensität, %-Treffer, Fehlerarten, Verstärkungsrate (Belohnungen/Minute).
- Verstärker-Plan: Art, Menge, Zeitpunkt (Marker); Sättigung und Abwechslung notieren.
- Generalisierung & Ablenkung: Orte, Distanzen, Reize staffeln; Ablenkungslevel (0–5) mitschreiben.
- Welfare-Checks: Stresssignale, Gesundheit, Pausen; Wahlmöglichkeiten bieten (LIMA).
Wie lange & wie oft trainieren? (Evidenz + Praxis)
Kontrollierte Studien zeigen einen Spacing-Effekt: Hunde, die 1–2× pro Woche trainiert wurden, lernten eine Aufgabe schneller als Hunde mit täglichem oder „geballtem“ (mehrere Sessions direkt nacheinander) Training; nach 4 Wochen waren die Erinnerungsleistungen ähnlich. Interpretation: Das Gehirn profitiert von Pausen/Konsolidierung – Marathon-Einheiten sind nachteilig.
Praxis-Empfehlung: Vermeide lange, anstrengende Drills. Nutze kurze Mikro-Sessions (2–5 min), gut verteilt mit Erholung (spaced practice). Plane je nach Hund 3–6 Mikro-Sessions/Tag oder wenige, fokussierte Blöcke/Woche – mit viel Alltagsgeneralisation zwischen den Sessions. Entscheidend ist Qualität (klare Kriterien, hoher Verstärkungs-Fit), nicht schiere Menge.
Beispiel 1: Rückruf-Protokoll (Hier)
- Ziel: Auf Signal Hier wendet der Hund innerhalb ≤1 s, läuft direkt an und berührt die Hand.
- Baseline: Treffer 30 %, Latenz 3–4 s bei 2 m, geringe Ablenkung.
- ABC: A: Hund schnüffelt → Hier; B: Wendet/Lauf; C: Marker + Jackpot (Futter/Zerr), dann Freigabe.
- Schritte: 1) 1–2 m an Leine, 2) 3–5 m, 3) Schleppleine, 4) grössere Distanzen/Ablenkung (staffeln).
- Metriken: %-Treffer, Latenz (s), Verstärkungsrate (/min), Fehlerarten (z. B. Blick, aber kein Anlaufen).
- Kriterium für Steigerung: ≥85 % Treffer bei mittlerer Ablenkung in 2 Sessions.
Beispiel 2: „Auf die Matte“ (Ruhe-Signal)
- Ziel: Auf Matte geht der Hund zügig zur Matte und bleibt 10–60 s entspannt liegen.
- Plan: Shaping mit hoher Verstärkungsrate, Dauer schrittweise verlängern; Orte variieren.
- Metriken: Latenz zum Matte-Betreten, Verweildauer (s), %-Treffer, Ablenkung 0–5.
Beispiel 3: Leinenführigkeit (Locker-Leine)
- Ziel: Hund bleibt im „Verstärkungs-Korridor“ (Schritt neben dir), Leine sichtbar locker, 10–30 m am Stück.
- Plan: Marker für Schrittfolgen mit loser Leine, Check-ins verstärken, Reize staffeln; Strafen vermeiden.
- Metriken: % Zeit mit loser Leine, Anzahl Check-ins/Min, Latenz auf Umlenk-Signal.
Messgrössen kurz erklärt
- Frequenz/Rate: wie oft ein Verhalten pro Zeitspanne auftritt (z. B. Check-ins/Min).
- Latenz: Zeit vom Signal bis Verhaltensbeginn.
- Dauer: wie lange das Verhalten anhält (z. B. Liegen auf der Matte).
- Intensität: Skala 1–5 (z. B. Zugstärke, Erregung) – konsistent raten.
- Verstärkungsrate: Belohnungen/Minute; in frühen Phasen hoch halten.
So schreibst Du Sessions
- Klar starten: Ort, Ablenkung, heutiges Kriterium notieren.
- Kurz & sauber: 2–5 min arbeiten, dann Pause. Keine Drills am Stück.
- Ergebnis protokollieren: n = Durchgänge, Treffer/Fehler, Latenz/Dauer, Notizen/Nächster Schritt.
- Video nutzen: 30–60 s Clip erhöht Beobachter-Übereinstimmung & Lernqualität.
Wann anpassen oder Hilfe holen?
- Plateau: 3–4 Sessions ohne Fortschritt → Kriterium kleiner machen, Verstärker prüfen.
- Stress-/Schmerzzeichen: Training beenden, medizinisch abklären (Zähne, Bewegungsapparat etc.).
- Aversives vermeiden: E-Halsbänder & Co. sind fachlich umstritten und in Studien nicht überlegen – setze auf positive Methoden.
Download: Trainingsprotokoll-Vorlage (Excel)
Lade Dir hier eine zweiblättrige Vorlage (Template + ausgefülltes Beispiel) herunter und nutze sie direkt im Alltag: Trainingsprotokoll-Template (XLSX).
FAQ
Wie lange dauert es, bis „es sitzt“?
Kommandos sind oft in wenigen Wochen stabil, Verhaltenstherapie dauert meist länger – abhängig von Ziel, Umfeld und Konstanz. Wichtig: Qualität, Spacing und klare Kriterien schlagen Menge.
Wie viele Sessions pro Tag/Woche?
Bewährt: mehrere kurze Mikro-Sessions/Tag oder wenige fokussierte Blöcke/Woche – jeweils mit Pausen und Alltagsübertragung. Vermeide lange, aufeinanderfolgende Drills.
Welche Tools helfen beim Protokoll?
ABC-Formulare, Tabellen/Apps, Video (für Latenz/Genauigkeit) – wichtig ist konsistentes Festhalten von Kriterien und Ergebnissen.



