Die Englische Bulldogge zählt mit ihrem typischen faltigen, kompakten Körperbau und dem charakteristischen kurzen Fang zu den Hunderassen, bei denen die Grenzen zwischen ästhetischer Zucht und Qualzucht oft verschwimmen. In der Beitragsserie «Qualzucht oder nicht?» werfen wir einen genauen Blick auf einzelne Hunderassen: Wie sah die Rasse ursprünglich aus? Welche Merkmale gelten heute als Qualzucht? Und gibt es überhaupt noch gesunde Vertreter dieser Rasse – oder ist sie inzwischen untrennbar mit gesundheitlichen Problemen verbunden?

Entstehung und Geschichte der Rasse

Die Englische Bulldogge stammt ursprünglich aus England und wurde im Mittelalter als Kampfhund eingesetzt – ihr Name („Bulldog“) leitet sich vom „Bullbaiting“ ab, einer damals verbreiteten, aber heute verbotenen Stierkampf-ähnlichen Veranstaltung, bei der Hunde auf einen Stier losgelassen wurden.

Ursprünglich war die Englische Bulldogge ein robuster, kräftiger Hund mit einer längeren Schnauze und muskulösem Körperbau, der für Mut und Durchhaltevermögen bekannt war. Mit der Abschaffung der Kampfhunde wurde die Rasse zunehmend als Familien- und Begleithund gezüchtet – die Schnauze wurde im Laufe der Zeit damit leider kürzer, der Kopf breiter, die Haut faltiger und der Körper kompakter.

Diese Veränderung hat zwar das Aussehen stark geprägt und die Bulldogge zu einem der beliebtesten Hunde gemacht, führte aber auch zu massiven gesundheitlichen Problemen.

Die Rasse heute

Die heutige Englische Bulldogge ist charakteristisch:

  • Sehr kurzer, stark verkürzter Fang (brachyzephal)
  • Tiefe, auffällige Hautfalten im Gesicht und am Körper
  • Breiter, massiver Kopf mit flacher Stirn
  • Grosse, seitlich stehende Augen, die oft hervortreten („Glubschaugen“)
  • Stämmiger, muskulöser und kompakter Körper mit kurzen Beinen
  • Häufig ein nach hinten gerollter Schwanz

Diese Merkmale sind äusserlich sehr markant und für viele Fans gerade das „niedliche“ Bulldoggen-Image. Aus Tierschutz-Sicht gelten viele davon jedoch als problematisch.

Häufige gesundheitliche Probleme

Englische Bulldogge mit Zahnfehlstellung im Unterkiefer
Bei dieser Englischen Bulldogge steht ein Zahn sichtbar aus dem Unterkiefer hervor – ein Hinweis auf eine mögliche Kieferfehlstellung, wie sie bei dieser Rasse durch extreme Kopfformen häufig vorkommt.

Die typischen Merkmale der Englischen Bulldogge bringen gravierende gesundheitliche Risiken mit sich. Die folgenden Probleme sind weit verbreitet und werden durch den extremen Zuchtstandard oft noch verschärft.

  • Atemprobleme: Die verkürzte Schnauze und verengten Atemwege führen zum sogenannten brachyzephalen Atemwegssyndrom (BAOS). Betroffene Hunde schnaufen, hecheln meist übermässig, leiden an Hitzeintoleranz und Atemnot, was die Lebensqualität erheblich einschränken kann.
  • Zahn- und Kieferfehlstellungen: Die extrem kurze Schnauze führt oft zu einem entsprechend stark verkürzten Oberkiefer. Dadurch steht der Unterkiefer im Verhältnis hervor (sog. Vor- oder Überbiss). Darüber hinaus haben viele Hunde zu wenig Platz für ihre Zähne im Maul – die Zähne stehen dann schief, rotieren oder brechen bei Fehlbelastung ab. Auch die Zunge kann von einer solchen Fehlstellung betroffen sein – manchmal ist der Fang so kurz, dass sie schlicht keinen Platz hat und permanent aus dem Maul heraushängt (ohne dass der Hund hechelt).
  • Hautprobleme: Die tiefen Hautfalten sind anfällig für Entzündungen, Pilz- und Bakterienbefall (Intertrigo), der oft chronisch verläuft und aufwendig behandelt werden muss.
  • Augenerkrankungen: Die “Glubschaugen” (Exophthalmus bzw. Exophthalmie) erhöhen das Risiko für Hornhautverletzungen, Trockenheit und chronische Bindehautentzündungen.
  • Gelenk- und Wirbelsäulenprobleme: Aufgrund des kompakten Körpers und der kurzen Beine treten häufig Hüftdysplasien, Arthrosen und Wirbelsäulenveränderungen auf.
  • Übergewicht: Durch ihre eingeschränkte Atemkapazität und vermindertem Bewegungsdrang neigen viele Hunde dieser Rasse zu Übergewicht, was wiederum Herz und Kreislauf belastet und darüber hinaus auch Stoffwechselkrankheiten (wie Diabetes) begünstigt.
  • Herzprobleme: Einige Studien zeigen, dass Bulldoggen vermehrt an angeborenen Herzfehlern leiden.
  • Geburtsprobleme: Durch den breiten Kopf und die kurzen Geburtswege sind viele Bulldoggen darauf angewiesen, per Kaiserschnitt zur Welt zu kommen.

Die Folgen im Alltag: Englische Bulldoggen benötigen oft intensive tierärztliche Betreuung. Die Atemnot schränkt den Bewegungsdrang ein, Hitze ist gefährlich und das Risiko für Infektionen an Haut und Augen ist hoch. Regelmässige Hautpflege, Augenkontrollen und manchmal auch Operationen (z.B. an den Atemwegen oder Hautfalten) sind notwendig.

Englische Bulldogge mit permanent heraushängender Zunge
Heraushängende Zunge trotz geschlossenen Mauls: Dieses Phänomen kann bei Bulldoggen auftreten, wenn das Maul zu kurz gezüchtet ist oder neurologische Probleme vorliegen.

Die Lebenserwartung liegt meist nur zwischen 6 und 10 Jahren – deutlich weniger als bei vielen anderen Rassen.

Gibt es überhaupt gesunde Hunde dieser Rasse?

Gesunde Vertreter der Englischen Bulldogge sind leider selten, aber nicht unmöglich. Einige Züchter und Vereine arbeiten an Zuchtprogrammen, die Gesundheitsmerkmale stärker berücksichtigen:

  • Längere Schnauze und weniger Falten: Einige „Retro“- oder „Old Type“ Bulldoggen zeigen weniger extreme Merkmale.
  • Gesundheitsprüfungen: Züchter, die auf BAOS-Tests, Augenuntersuchungen, HD-/ED-Checks achten, fördern gesündere Hunde.
  • Alternative Linien: Es gibt Zuchtansätze in anderen Ländern, die weniger stark auf ästhetische Extrema setzen.

Für Interessenten ist es wichtig, Züchter sorgfältig auszuwählen und auf Gesundheitsnachweise zu achten.

Fazit: Ist die Englische Bulldogge eine Qualzucht?

Die heutige Englische Bulldogge steht exemplarisch für die Problematik der Qualzucht: Das extreme Zuchtziel eines vermeintlich „niedlichen“ und „besonderen“ Körperbaus führt zu grossen gesundheitlichen Belastungen für die Hunde. Zwar gibt es erste Ansätze zur gesünderen Zucht, doch der Weg ist noch lang.

Aus Tierschutzsicht ist die aktuelle Zuchtpraxis problematisch. Für zukünftige Generationen sollte das Wohl der Tiere klar vor ästhetischen Modetrends stehen.

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