Viele Hunderassen, die wir heute kennen und lieben, haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Manche wurden kleiner, flacher, faltiger oder rundköpfiger gezüchtet – oft aus ästhetischen Gründen oder weil bestimmte Merkmale als besonders „niedlich“ gelten. Doch was auf den ersten Blick goldig und harmlos erscheint, kann für die betroffenen Hunde schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
In der Beitragsserie «Qualzucht oder nicht?» werfen wir einen genauen Blick auf einzelne Hunderassen: Wie sah die Rasse ursprünglich aus? Welche Merkmale gelten heute als Qualzucht? Und gibt es überhaupt noch gesunde Vertreter dieser Rasse – oder ist sie inzwischen untrennbar mit gesundheitlichen Problemen verbunden? Heute im Fokus: Die Rasse Deutscher Schäferhund.

Entstehung und Geschichte der Rasse

Der Deutsche Schäferhund wurde Ende des 19. Jahrhunderts aus verschiedenen regionalen Hütehundschlägen gezielt gezüchtet. Ziel war ein intelligenter, belastbarer, beweglicher und gut führbarer Gebrauchshund. Massgeblich beteiligt an der Standardisierung war Max von Stephanitz, der als Begründer der Rasse gilt. Er strebte nicht nach Schönheit, sondern nach Leistung – der Hund sollte „nützlich sein“.

Ursprünglich waren Deutsche Schäferhunde mittelgross, mit geradem Rücken, kräftiger Muskulatur und hoher Arbeitsfreude. Sie wurden als Hüte-, Wach-, Dienst- und später auch als Polizei- und Militärhunde eingesetzt – ihre Vielseitigkeit war legendär.

Die Rasse “Deutscher Schäferhund” heute

Im Laufe der Jahrzehnte entstanden zwei Hauptlinien:

  • Die Leistungszuchtlinie, die sich stärker am ursprünglichen Gebrauchshund orientiert und mehr Wert auf Arbeitsfähigkeit, Nervenstärke und Gesundheit legt.
  • Die Schauzuchtlinie, die besonders auf ein bestimmtes äusseres Erscheinungsbild hinarbeitet – unter anderem mit steil abfallender Rückenlinie, starker Überwinkelung der Hinterhand und der sogenannten Kipp-Kruppe.

Vor allem diese Merkmale der Showlinie stehen heute in der Kritik – nicht nur wegen ihres unnatürlichen Erscheinungsbildes, sondern auch wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken.

Häufige gesundheitliche Probleme beim Deutschen Schäferhund

Überwinkelung der Hinterhand und steil abfallender Rücken

Eines der auffälligsten Merkmale vieler moderner Schäferhunde aus Showlinien ist die stark nach hinten abfallende Rückenlinie. Durch die Überwinkelung der Hinterhand und die sogenannte Kipp-Kruppe (stark geneigtes Becken) verändert sich der gesamte Bewegungsablauf des Hundes. Statt kraftvoll und gerade zu laufen, schleichen viele dieser Hunde mit abgesenktem Hinterteil und schleifenden Pfoten – oft schon im jungen Alter.

Diese Übertypisierung führt häufig zu:

  • Frühzeitiger Abnutzung der Gelenke
  • Erhöhter Anfälligkeit für orthopädische Erkrankungen
  • Dauerhafter Fehlbelastung der Wirbelsäule und Hüfte
  • Deutlichen Einschränkungen in der Beweglichkeit und Lebensqualität
Deutscher Schäferhund von der Seite mit abfallender Rückenlinie
Deutscher Schäferhund im Profil: Die Rückenlinie zeigt die für viele Zuchtlinien typische Neigung ab der Kruppe.

Erkrankungen des Bewegungsapparats

Hüftdysplasie (HD)

Ein bekanntes und häufiges Problem vieler Deutscher Schäferhunde. Bei der HD ist das Hüftgelenk nicht korrekt geformt, was zu Instabilität, Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und in schweren Fällen zur Lahmheit führt. Die Erkrankung ist erblich, kann aber durch Zuchtwahl reduziert werden – was jedoch in der Showlinie oft vernachlässigt wurde bzw. wird.

Ellenbogendysplasie (ED)

Auch diese Gelenkerkrankung tritt gehäuft auf und kann zu chronischen Schmerzen und frühzeitiger Arthrose führen.

Degenerative Myelopathie (DM)

Diese unheilbare Nervenkrankheit betrifft das Rückenmark und führt langsam zu Lähmungen der Hinterhand. Betroffene Hunde zeigen oft eine schleppende Hinterhand, die leicht mit orthopädischen Problemen verwechselt wird. Die Krankheit ist erblich – ein Gentest ist möglich, aber leider nicht überall Standard.

Gibt es überhaupt gesunde Vertreter dieser Rasse?

Ja – es gibt sie. Besonders in der “Leistungszucht” wird deutlich mehr Wert auf Gesundheit, Funktionalität und Wesen gelegt als in der Showlinie. Hunde aus der Leistungs-Linie haben in der Regel einen geraden Rücken, eine moderate Winkelung und sind arbeitswillig, nervenstark und körperlich belastbar.

Vielerorts gibt es glücklicherweise Zuchtstätten, die sich bewusst von vermeintlichen Schönheitsidealen distanzieren. Wichtig ist aber: Käufer müssen gezielt nach solchen Linien suchen und sich gut informieren.

Deutscher Schäferhund Illustration aus FCI Standard
Illustration aus dem FCI-Rassestandard: So soll der Deutsche Schäferhund laut offizieller Zuchtvorgabe idealerweise aussehen.

Fazit Deutscher Schäferhund: Qualzucht oder nicht?

Der Deutsche Schäferhund ist keine Qualzucht per se – aber bestimmte Zuchtlinien sind es ganz eindeutig. Vor allem Hunde mit stark abfallender Rückenlinie und übertriebener Hinterhandwinkelung leiden oft ihr Leben lang unter den Folgen einer rein optisch motivierten Zuchtauswahl.

Wer einen Deutschen Schäferhund in sein Leben holen möchte, sollte unbedingt auf eine Herkunft aus einer leistungsorientierten, gesundheitsbewussten Zuchtlinie achten. Dann ist der Schäferhund nach wie vor ein loyaler, kluger und vielseitig einsetzbarer Begleiter – mit all seinen positiven Eigenschaften, für die er ursprünglich gezüchtet wurde.

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