Der Geist der zukünftigen Weihnacht trat lautlos in Scrooges dunkles Schlafzimmer. Anders als die vorherigen Besucher war dieser Geist noch unheimlicher: ein grosser Hund mit tiefschwarzem Fell, schweigender Präsenz und Augen, die jede Hoffnung förmlich verschluckten. Kein Bellen, kein Knurren – nur ein starrer Blick, der Scrooge frösteln liess. Bevor der alte Mann protestieren konnte, führte der Hund ihn hinaus in eine Nacht, die viel kälter wirkte als zuvor. Der Schnee lag grau auf den Strassen, der Wind biss in die Haut, und kein warmes Licht erhellte die Umgebung. Alles war still – viel zu still.
Der Geist der zukünftigen Weihnacht zeigt Scrooge eine trostlose Strasse
Scrooge fand sich an einer einsamen Strasse wieder. Der dunkle Hund stand neben ihm, unbeweglich, als wäre er Teil der Nacht selbst. Zwei Gestalten kamen den Weg entlang: ein Mann und ein Junge, beide in abgetragenen Wintermänteln. Sie gingen an Scrooge vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen – nicht, weil sie ihn ignorierten, sondern weil sie ihn nicht sehen konnten.
„Warum sind wir hier?“, wollte Scrooge fragen, doch der Geist schwieg. Stattdessen richtete er seinen Blick auf die Gestalten.
„Hast du gehört, dass der alte Griesgram gestorben ist?“, fragte der Junge. Der fremde Mann schnaubte. „Ja. Keiner weiss genau wann – aber wen kümmert das schon?“
Scrooge’ Herz zog sich zusammen. „War… war ich wirklich so bedeutungslos?“, murmelte er. Doch der Geist reagierte nicht.
Die Szene löste sich auf wie Nebel.
Ein leeres Haus – und ein verlorener Hund
Der Geist der zukünftigen Weihnacht führte Scrooge weiter. Sie standen vor einem Haus, das ihm nur allzu bekannt war: seinem eigenen. Die Fenster waren verrusst, die Veranda ungepflegt, die Tür nur angelehnt. Kein Licht brannte darin, kein Laut war zu hören. Drinnen fanden sie kahle Räume. Scrooges Möbel waren verkauft oder verwahrlost. Staub bedeckte den Boden wie ein zweiter Teppich.
Doch das Schlimmste war nicht die Stille – sondern das Winseln. Aus der Ecke kroch ein Hund hervor. Dürr, zitternd, verletzt.
Scrooges Atem stockte: Tiny Tim-Hund. Aber es war nicht mehr der lebensfrohe kleine Streuner, den er am Vortag durch die erleuchteten Häuser springen sah. Dieser Tiny Tim war schwach, krank… und allein.
„Nein… nein, das kann nicht sein“, stammelte Scrooge. Er kniete sich hin, griff nach dem Hund – doch seine Hand glitt hindurch wie durch Rauch. Tiny Tim-Hund war nur ein Schatten seiner möglichen Zukunft.
Ein Schatten eines Tieres, dem niemand geholfen hatte.
Ein namenloses Grab im Schnee
Der Geist der zukünftigen Weihnacht führte Scrooge an einen Ort, der keinen Namen trug. Es war ein öder Streifen Land am Rand der Stadt, zwischen kahlen Sträuchern und einem halb eingefallenen Schuppen, dort, wo sich Müll sammelte und niemand jemals stehen blieb.
Im Schnee zeichnete sich eine flache, hastig zugescharrte Erhebung ab – kaum mehr als eine Mulde, die jemand mit dem Fuss zugeschoben hatte. Keine Decke, kein Stein, kein Kreuz.
Der Geist blieb stehen. Scrooge spürte, wie ihm die Kehle trocken wurde. „Was… ist das hier?“ Der dunkle Hund antwortete nicht. Stattdessen senkte er den Kopf zu dem kleinen Hügel.
Scrooge kniete nieder. Ein Teil des Hügels war freigeblasen worden – und darunter erkannte er eine winzige, vertraute Hundepfote .
Scrooge schnappte nach Luft. „Nein! Nein… nicht so. Nicht einfach weggeworfen wie… wie nichts.“ Der Wind trieb feine Schneekristalle über die Stelle, als wolle er das kleine Grab endgültig verschwinden lassen.
Kein Wesen hatte um Tiny Tim-Hund getrauert. Niemand hatte ihn vermisst. Kein Name, keine Erinnerung, kein Liebesbeweis. Nur ein Streuner, der still gestorben war – und dessen Leben ebenso spurlos verwehte wie der Schnee unter Scrooges Fingern.
Der alte Mann spürte, wie die Erkenntnis ihn zutiefst traf: Wenn er Tiny Tim-Hund nicht half, war eine solche Zukunft nicht nur möglich – sie war gewiss.
Scrooge bittet den Geist der zukünftigen Weihnacht um eine zweite Chance
Scrooge sank in den Schnee. „Ich will nicht so enden. Ich flehe dich an – sag mir, dass ich ändern kann, was du mir gezeigt hast! Ich will Tiny Tim-Hund helfen. Ich will nicht länger der Mann sein, den niemand vermisst.“
Der dunkle Geist beugte sich über ihn – und mit einem kräftigen Ruck verschwamm die Welt, bis nur noch Dunkelheit blieb.
Als Scrooge die Augen öffnete, lag er wieder in seinem Bett. Der Geist der zukünftigen Weihnacht war verschwunden. Aber sein Herz klopfte wie nie zuvor.
Alles konnte anders werden. Wenn er es denn wollte.
Sei bereit für den letzten Teil unserer Weihnachtsgeschichte
Dies ist der dritte Teil unserer 4-teiligen Weihnachtsgeschichte, frei nach Charles Dickens – aber mit Hunden in den Hauptrollen.
Falls du Teil 1 und Teil 2 noch nicht gelesen hast, findest du hier den Beginn von Scrooges Wandel:
- Die 4teilige Weihnachtsgeschichte mit Hund, 1: Der Geist der vergangenen Weihnacht
- Die 4-teilige Weihnachtsgeschichte mit Hund, 2: Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht
Am nächsten Adventstag folgt Teil 4 – Das Ende & die Moral der Geschichte. Werden Tiny Tim-Hund und Scrooge eine Zukunft gestalten, die wärmer, heller und hoffnungsvoller ist als alles, was der alte Mann je erlebt hat?



