Deutsche Doggen: Qualzucht oder nicht?

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Die Deutsche Dogge fasziniert mit ihrer imposanten Erscheinung – doch ihre extreme Grösse hat eine Kehrseite, die nicht unterschätzt werden darf. In der Beitragsserie «Qualzucht oder nicht?» werfen wir einen genauen Blick auf einzelne Hunderassen: Wie sah die Rasse ursprünglich aus? Welche Merkmale gelten heute als Qualzucht? Und gibt es überhaupt noch gesunde Vertreter dieser Rasse – oder ist sie inzwischen untrennbar mit gesundheitlichen Problemen verbunden?

Entstehung und Geschichte der Rasse

Die Deutsche Dogge, auch als „Apollo unter den Hunden“ bezeichnet, hat eine lange Geschichte. Ihre Wurzeln reichen bis ins Mittelalter zurück, wo sogenannte Hatzrüden bei der Jagd auf Wildschweine oder Bären eingesetzt wurden. Diese Hunde waren kräftig, ausdauernd und mutig – Eigenschaften, die in den Ursprung der Dogge eingeflossen sind.

Im 19. Jahrhundert verschmolzen verschiedene Schläge wie Englische Mastiffs, Irische Wolfshunde und sogenannte Ulmer Doggen zur modernen Deutschen Dogge. In dieser Zeit entstand auch der Begriff „Deutsche Dogge“ – vorher sprach man im Ausland oft von der „Great Dane“, also „grosser Däne“. Ziel der Zucht war zunehmend ein eleganter, grossrahmiger, aber sanftmütiger Hund.

Frühere Doggen waren weniger extrem im Erscheinungsbild. Die heutige Körperhöhe – teilweise über 90 cm Schulterhöhe – war früher nicht der Standard. Auch gesundheitlich waren die Hunde funktionaler: eine festere Muskulatur, eine weniger ausgeprägte Neigung zu Skelettproblemen und ein insgesamt robusterer Eindruck lassen sich in historischen Darstellungen erkennen.

Die Deutsche Dogge heute

Die heutige Deutsche Dogge ist ein Inbegriff von Grösse und Eleganz. Sie wird gezielt auf extreme Schulterhöhe, langes Bein, schmale Taille und einen möglichst edel geformten Kopf gezüchtet. Besonders auffällig sind:

  • Extreme Grösse (Rüden oft über 80 cm Schulterhöhe)
  • Sehr langer Hals und Rücken
  • Tiefer Brustkorb mit schmaler Taille
  • Kurzes, enganliegendes Fell

Aus Tierschutz-Sicht problematisch sind vor allem die Folgen dieser Grössenzucht: Die schiere Masse belastet Knochen, Gelenke und Organe. Die Dogge gilt als typische Riesenrasse, mit all den gesundheitlichen Risiken, die damit verbunden sind.

Häufige gesundheitliche Probleme

Bewegungsapparat: Gelenke unter Dauerstress

  • Hüftgelenksdysplasie (HD) und Ellenbogendysplasie (ED) kommen häufig vor. Schon junge Doggen zeigen Anzeichen von Lahmheit oder Schmerzen.
  • Spondylose, Arthrose und Bandscheibenprobleme treten aufgrund der langen Wirbelsäule und des hohen Gewichts ebenfalls häufig auf.
  • Osteosarkome (Knochenkrebs) werden bei Doggen überdurchschnittlich oft diagnostiziert – eine Studie der Universität Bern gibt eine deutlich erhöhte Anfälligkeit an (vgl. Zentraltierärztliche Datenbanken).

Innere Organe: das schwache Herz der Riesen

Die dilatative Kardiomyopathie (DCM), eine Herzmuskelerkrankung, betrifft viele Deutsche Doggen – oft mit tödlichem Verlauf. Symptome bleiben lange unentdeckt.

Geringe Lebenserwartung

Die extreme Grösse hat einen weiteren hohen Preis. Doggen wachsen enorm schnell, wodurch sie in wenigen Monaten ihre stattliche Grösse erreichen. Das belastet Knochen und Organe von Anfang an und führt nicht selten zu Spätfolgen. Die durchschnittliche Lebenserwartung Deutscher Doggen liegt laut verschiedener Studien nur bei 6 bis 8 Jahren, manche Quellen sprechen gar von nur 5 Jahren. Damit zählt sie zu den kurzlebigsten Hunderassen überhaupt.

Magendrehung – akute Lebensgefahr

Aufgrund ihres tiefen Brustkorbs sind Doggen besonders gefährdet für eine Magendrehung – ein akuter Notfall mit hoher Sterblichkeit, wenn nicht sofort operiert wird.

Folgeprobleme im Alltag

Obwohl die Deutsche Dogge für ihre Grösse sanft und ruhig ist, ist ihre Haltung mit vielen Herausforderungen verbunden.

  • Ein hoher Futterbedarf steht der empfindlichen Verdauung gegenüber.
  • Ihr Energielevel ist hoch, aber ihre Beweglichkeit begrenzt – viele Sportarten sind schlichtweg nicht möglich.
  • Tierarztkosten, wie etwa für Medikamente, richten sich vielerorts nach Grösse und Gewicht des Hundes und sind bei der Deutschen Dogge dadurch teurer.
  • Die Haltung in Mietwohnungen oder in der Stadt ist oft schwierig.
  • Auch die Pflege wird unterschätzt: Das Fell mag kurz sein, trotzdem sollte man im Sinne der Gesundheit auf Gelenkschutz, rutschfeste Böden und ergonomische Schlafplätze achten.

Gibt es gesunde Deutsche Doggen?

Vollkommen gesunde Deutsche Doggen sind selten, aber nicht unmöglich. Einige Züchter versuchen bewusst, weniger extrem zu züchten.

  • Es gibt Zuchtprojekte, bei denen Doggen mit anderen grossen, aber robusteren Rassen gekreuzt wurden (u.a. mit dem Ziel, die Lebenserwartung zu erhöhen).
  • Arbeitslinien (also Zuchten mit Fokus auf Gesundheit statt Optik ((das Gegenteil von “Showlinien”)) setzen auf moderatere Grössen, längere Lebensdauer und stärkere Knochen.
  • Zuchttauglichkeitsprüfungen mit Gesundheitsnachweisen (Herzultraschall, Hüftröntgen, DNA-Tests) sind ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl seriöser Züchter.
  • Vorsicht: Besonders grosse Exemplare mit übermässig langem Hals oder extrem schmaler Taille werden zwar oft als besonders schön empfunden, sind aber i.d.R. krankheitsanfälliger.

Fazit: Qualzucht oder nicht?

Die Deutsche Dogge ist nicht per se eine Qualzucht – aber viele heutige Zuchtformen gehen an die Grenze des Tierschutzes.

Ihre extreme Grösse, die kurze Lebenserwartung und die hohe Krankheitsanfälligkeit machen deutlich: Schönheit hat hier einen hohen Preis.

Je nach Linie kann man die Dogge heute als Grenzfall bezeichnen – zwischen beeindruckendem Begleiter und bedauerlichem Opfer menschlicher Ästhetik-Vorstellungen.

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