Übergangszellkarzinom (Urotheliales Karzinom, UC)

Das Übergangszellkarzinom (UZK), heute häufiger urotheliales Karzinom (UC) genannt, ist der häufigste bösartige Tumor der Harnblase beim Hund. Er entsteht aus den Zellen des Harnblasenepithels (Urothel) und zeigt ein lokal invasives Wachstum mit Tendenz zur Metastasierung. Aufgrund seiner Lage im Blasenhals (Trigone) und der klinischen Symptome ist er schwer von anderen Erkrankungen abzugrenzen und gilt als eine der wichtigsten urologischen Neoplasien in der Veterinärmedizin.

Epidemiologie

  • Häufigster maligner Tumor der Harnblase beim Hund (ca. 1,5–2 % aller Tumoren).
  • Besonders betroffen sind Scottish Terrier, aber auch West Highland White Terrier, Beagle und Shetland Sheepdogs.
  • Das Risiko bei Scottish Terriern ist etwa 20-fach höher als bei anderen Hunden.
  • Umwelteinflüsse spielen eine Rolle: Exposition gegenüber Herbiziden und Pestiziden im Garten erhöht nachweislich das Risiko. Auch Passivrauchen und bestimmte Chemikalien stehen im Verdacht.

Klinische Symptome

  • Hämaturie (Blut im Urin)
  • Dysurie (Schmerzen beim Urinabsatz)
  • Pollakisurie (häufiges Absetzen kleiner Mengen)
  • Harnwegsinfektionen, die trotz Antibiotikatherapie nicht abheilen
  • Im Verlauf: Harnabflussstörungen bis hin zum vollständigen Harnverhalt
  • Seltener: Lahmheit durch Knochenmetastasen

Da die Symptome unspezifisch sind und denen einer chronischen Zystitis ähneln, kommt es oft zu Verzögerungen in der Diagnosestellung.

Diagnose

Klassische Verfahren

  • Bildgebung: Ultraschall ist die wichtigste Methode zur Erkennung einer Blasenmasse. CT/MRT dienen zur Ausbreitungsdiagnostik (Staging).
  • Zytologie: Zellauswertung aus spontanem Urin ist nur in etwa 30 % der Fälle diagnostisch verwertbar.
  • Biopsie: Goldstandard ist die Histopathologie. Probenentnahme erfolgt über Katheterisierung oder Zystoskopie. Zystozentese wird vermieden, da sie Tumorzellverschleppung verursachen kann.

Molekulare Marker

  • BRAF-V595E-Mutation: In ca. 85 % der UC-Fälle nachweisbar. Sie kann mit sensitiven PCR-Methoden (z. B. digitale PCR) in Urinproben nachgewiesen werden („Liquid Biopsy“).
  • BRAF-negative UC: Neuere Studien (2023) identifizierten alternative Mutationen (BRAF-Deletionen, MAP2K1-Mutationen), die künftig für Diagnostik und Therapie wichtig sein könnten.
  • Exosomenmarker im Urin (z. B. NMP-22) werden derzeit erforscht und könnten die Diagnostik ergänzen.

Innovative Ansätze: Hunde als „biologische Detektoren“

Eine britische Studie (Desmas-Bazelle et al., 2024) zeigte, dass Hunde mithilfe ihres Geruchssinnes Übergangszellkarzinome im Urin anderer Hunde erkennen können. Drei trainierte Hunde erreichten:

  • Sensitivität: 80 % (korrekt erkannte kranke Hunde)
  • Spezifität: 91,7 % (korrekt erkannte gesunde Hunde)

Obwohl dies noch nicht praxisreif ist, verdeutlicht es das Potenzial von Hunden – und perspektivisch auch elektronischen „E-Nasen“ – für die Früherkennung.

Therapie

Medikamentöse Therapie

  • COX-2-Hemmer (z. B. Piroxicam, Meloxicam): Wirken entzündungshemmend und wachstumshemmend auf den Tumor, oft Basistherapie.
  • Chemotherapie: Mitoxantron, Vinblastin, Carboplatin oder Gemcitabin kommen zum Einsatz, meist kombiniert mit NSAIDs.
  • Metronomische Chemotherapie: Dauerhaft niedrig dosiertes Chlorambucil zeigte in aktuellen Studien die längste mediane Überlebenszeit (~303 Tage) bei guter Verträglichkeit.
  • Experimentelle Therapien: Lapatinib (Tyrosinkinasehemmer), Immuntherapien (Anti-PD-1/PD-L1) und toceranib werden erprobt, sind aber noch nicht Standard.

Lokaltherapien

  • Chirurgie: Nur bei günstig gelegenen, apikal sitzenden Tumoren möglich. Im Trigonum meist nicht operabel.
  • Strahlentherapie: Moderne Verfahren (z. B. VMAT) ermöglichen lokale Kontrolle.
  • Elektrochemotherapie (ECT): Kombination von Bleomycin und elektrischen Pulsen wird seit 2023 in Pilotstudien erprobt.
  • Urethralstents: Bei Harnröhrenobstruktion sinnvoll zur palliativen Verbesserung der Lebensqualität.

Prognose

Die Prognose ist insgesamt vorsichtig bis ungünstig. Medianes Überleben liegt – je nach Therapie – zwischen 6 und 12 Monaten. Entscheidend ist, dass durch palliative und multimodale Ansätze (NSAID + Chemo ± Stent/RT) die Lebensqualität über Monate aufrechterhalten werden kann. Prostatakarzinome zeigen die schlechteste Prognose.

Prävention & Früherkennung

  • Hunde aus Risikorassen (z. B. Scottish Terrier) sollten ab mittlerem Alter regelmäßig per Ultraschall und Urintests kontrolliert werden.
  • Kontakt zu Herbiziden, Pestiziden und Tabakrauch sollte möglichst vermieden werden.
  • Studien deuten darauf hin, dass eine Ernährung mit hohem Gemüseanteil bei Risikorassen einen gewissen Schutz bieten könnte.

Literatur & Quellen

  • Desmas-Bazelle et al. (2024): Trained dogs can detect canine urothelial carcinoma of the bladder.
  • O’Neill DG et al. (2022): Health of Pug dogs in the UK. Canine Medicine & Genetics.
  • Mansour TA et al. (2018): DVL2 mutation in screw-tail breeds. PLoS Genetics.
  • TiHo Hannover (2022): Evaluation of treadmill-based fitness test in Pugs.
  • Aktuelle klinische Studien 2023–2025 zu metronomischer Chemotherapie, Elektrochemotherapie und Immuntherapie.
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