Die Schäferhund-Keratitis – fachlich Keratitis superficialis chronica (KSC), auch „Pannus“ oder „Überreiter-Keratitis“ genannt – ist eine immunvermittelte, fortschreitende Entzündung der Hornhaut. Sie tritt meist beidseitig auf, beginnt häufig am Hornhautrand (temporal/lateral) und kann unbehandelt zur Sehbeeinträchtigung bis Erblindung führen. Besonders häufig betroffen sind Deutsche Schäferhunde, aber auch andere Rassen (z. B. Belgischer Tervueren, Border Collie, Greyhound, Siberian Husky, Australian Shepherd). UV-Licht und grössere Höhenlagen verschlimmern den Verlauf; genetische Faktoren sind wahrscheinlich beteiligt. Frühzeitige Diagnose und konsequente, lebenslange Therapie verbessern die Prognose deutlich.
Was passiert bei KSC?
Bei KSC wandern Immunzellen (Lymphozyten, Plasmazellen) von der Bindehaut in die oberflächlichen Hornhautschichten ein. Es entstehen feine Gefässe, rötlich-rosa bis bräunliche Gewebeeinlagerungen und je nach Verlauf Pigmentablagerungen. Typisch: keine Hornhautulzera und meist keine eigentliche Augenschmerzhaftigkeit, obwohl Reizungen/Blendempfindlichkeit auftreten können.
Ursachen und Risikofaktoren
- Immunvermittelte Erkrankung: KSC gilt als Autoimmunprozess gegen Hornhautstrukturen.
- UV-Licht & Höhe: Höhere UV-Exposition (z. B. Gebirge, Schnee, Wasser) und grössere Höhenlagen erhöhen Risiko und Schwere. In einer epidemiologischen Studie waren Hunde auf > 7000 ft (≈ 2130 m) 7.75-fach häufiger betroffen als auf 3000–5000 ft (≈ 910–1520 m).
- Genetik: Rassehäufungen und eine genomweite Assoziation in der Nähe des EGFR-Gens belegen eine genetische Komponente (validiert in Greyhounds; Befunde weisen generell auf polygenetische Hintergründe hin).
Typische Symptome
- Beginn am Hornhautrand (temporal/lateral) mit flachen, rosabraunen Herden und feinen Blutgefässen
- Zunehmende Pigmentierung/Trübung, später Narbenbildung – Sehleistung leidet
- Meist beide Augen betroffen, asymmetrisch möglich
- Variante Plasmom/atypischer Pannus: entzündete, verdickte, entfärbte Nickhaut (3. Augenlid), teils mit oder ohne Hornhautbeteiligung
Wichtig: KSC ist in der Regel nicht-ulzerativ und verursacht meist keinen stechenden Schmerz, kann aber zu Blinzeln, Tränenfluss und Lichtscheu führen.
Abgrenzung zu anderen Erkrankungen (Differenzialdiagnosen)
- Ulzerative Keratitis (Hornhautgeschwür)
- Keratokonjunktivitis sicca (KCS, „trockene Augen“)
- Pigmentäre Keratitis brachyzephaler Rassen
- Uveitis (vordere Augenentzündung)
- Traumata, Fremdkörper, Lidfehlstellungen
Die Abklärung erfolgt augenfachärztlich (Spaltlampenuntersuchung, Fluoreszein/Rose-Bengal, Tränenmenge, ggf. Zytologie/Biopsie), um andere Ursachen sicher auszuschliessen.
Diagnose
Die Diagnose basiert auf der charakteristischen Klinik (bilateral, beginnend am Limbus, oberflächliche Gefäss- und Pigmentbildung ohne Ulzeration) und dem Ausschluss anderer Hornhauterkrankungen. Bei Plasmom ist die Nickhaut entzündlich verdickt und verliert am freien Rand ihre dunkle Pigmentierung.
Verlauf und Prognose
Mit frühzeitiger und konsequenter Behandlung lassen sich Entzündung und Gefässneubildungen meist gut kontrollieren, Pigmente/Narben bleiben teils zurück. Ohne Therapie schreitet KSC fort und kann zur Erblindung führen. UV-reiche Monate/Höhenlagen erfordern oft intensivere Behandlung.
Therapie (lebenslanges Management)
Ziel ist die Kontrolle des Entzündungsprozesses. Standard ist eine individuell angepasste Topikatherapie mit:
- Glukokortikoiden (z. B. Prednisolonacetat 1 %, Dexamethason 0.1 %) und
- Immunmodulatoren (Cyclosporin, typ. 0.2–1 %, oder Tacrolimus)
Initial werden Tropfen/Salben mehrmals täglich gegeben; in der Erhaltungsphase wird die Frequenz auf die niedrigste wirksame Dosis reduziert. Die Therapie ist in der Regel dauerhaft. Rebound-Schübe sind bei Therapiepausen häufig. In speziellen Fällen können zusätzliche oder alternative Massnahmen erwogen werden (z. B. kurzzeitige Injektionen; selten Beta-Bestrahlung/Operation bei therapierefraktären Verläufen). Konkrete Wirkstoffauswahl/Dosierung gehören in die Hand der Tierärztin bzw. des Tierarztes oder einer Fachtierärztin für Ophthalmologie.
Alltagsmanagement & Präventionstipps
- UV-Exposition reduzieren: Mittagssonne, Hochgebirge, Schnee/Wasserreflexion meiden; Schattenplätze nutzen.
- Zusätzlicher Schutz: Je nach Hund kann eine gut sitzende UV-Schutzbrille helfen (Akzeptanz trainieren).
- Kontrollen planen: Regelmässige ophthalmologische Checks (anfangs dichter, später in individuell festgelegten Intervallen).
- Therapietreue: Tropfen/Salben gemäss Plan – besonders im Sommer konsequent.
Hinweis: UV-Eindämmung und Höhenanpassungen können Schübe mindern, ersetzen aber keine medikamentöse Langzeitbehandlung.
Wann sofort in die Praxis?
- Plötzliche Sehverschlechterung, stark vermehrtes Blinzeln oder Augenschmerz
- Trübung mit grün-gelblichem Ausfluss (Verdacht auf Ulkus/Infekt)
- Akute Schwellung/Verfärbung der Nickhaut
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine tierärztliche Untersuchung. Bei Augenveränderungen immer zeitnah eine Tierarztpraxis (idealerweise mit Ophthalmologie-Schwerpunkt) aufsuchen.
FAQ
Ist KSC heilbar?
Heilen im Sinne von „weg für immer“: nein. Aber mit passender Dauermedikation ist sie in der Regel gut kontrollierbar, Schübe lassen sich deutlich reduzieren.
Welche Hunde sind besonders gefährdet?
Häufiger betroffen sind u. a. Deutscher Schäferhund, Belgischer Tervueren, Border Collie, Greyhound, Siberian Husky und Australian Shepherd.
Spielt die Sonne wirklich so eine grosse Rolle?
Ja. UV-Licht und grössere Höhenlagen erhöhen Risiko und Schwere. Schutzmassnahmen (Schatten, Zeiten, ggf. UV-Schutzbrille) sind sinnvoll – zusätzlich zur Medikation.
Was ist Plasmom/atypischer Pannus?
Eine KSC-Variante, bei der vor allem die Nickhaut (3. Augenlid) entzündet, verdickt und am freien Rand entfärbt ist – mit oder ohne Hornhautbefall. Therapieprinzipien wie bei KSC.
Wie lange muss man tropfen?
Lebenslang. Nach einer Initialphase wird auf eine Erhaltungsdosis reduziert. Dosisänderungen gehören in tierärztliche Hand.
Transparenz & Ethik: Dieser Beitrag basiert auf aktuellen veterinärmedizinischen Quellen (Fachhandbuch, Peer-Review-Studien, Klinikleitfäden). Für Diagnostik und Therapie ist die Zusammenarbeit mit deiner Tierärztin/deinem Tierarzt essenziell – besonders bei Augenerkrankungen.



