Östrogene sind eine Gruppe von Steroidhormonen, die bei Hunden wie auch beim Menschen eine zentrale Rolle in der Fortpflanzungsbiologie spielen. Sie werden hauptsächlich in den Eierstöcken (Ovarien) produziert, in geringeren Mengen auch in der Nebennierenrinde und bei Rüden in den Hoden. Östrogene regulieren die Entwicklung der Geschlechtsorgane, den Sexualzyklus sowie zahlreiche weitere Stoffwechsel- und Wachstumsprozesse.
Biochemische Grundlagen
- Östrogene gehören zu den Steroidhormonen und werden aus Cholesterin synthetisiert.
- Wichtige Formen bei Hunden: Östradiol-17β, Östron und Östriol.
- Sie wirken über spezifische Östrogenrezeptoren (ERα, ERβ), die in vielen Geweben vorkommen (z. B. Uterus, Milchdrüse, Knochen, Gehirn).
Funktion bei der Hündin
Östrogene steuern wesentliche Aspekte des Sexualzyklus und der Fortpflanzung:
- Läufigkeit: Während der Proöstrus- und Östrusphase steigt der Östrogenspiegel stark an und löst die typischen Symptome (Anschwellen der Vulva, Blutung, Attraktivität für Rüden) aus.
- Vorbereitung auf die Befruchtung: Aufbau der Uterusschleimhaut (Endometrium) für eine mögliche Trächtigkeit.
- Milchdrüsenentwicklung: Förderung des Wachstums in Kombination mit Progesteron.
Funktion beim Rüden
- Östrogene werden in kleinen Mengen in den Hoden gebildet.
- Sie spielen eine Rolle bei der Spermienreifung und beeinflussen das Sexualverhalten.
- Ein Gleichgewicht mit Testosteron ist entscheidend – Überproduktion kann zu gesundheitlichen Problemen führen.
Bedeutung im gesamten Organismus
Neben der Fortpflanzung wirken Östrogene systemisch auf viele Organe:
- Knochenstoffwechsel: Förderung der Knochendichte, Schutz vor Osteoporose.
- Herz-Kreislauf-System: Einfluss auf Blutgefäße und Cholesterinstoffwechsel.
- Zentrales Nervensystem: Beteiligung an Stimmung, Verhalten und Lernprozessen.
- Immunsystem: Regulation von Immunantworten und Entzündungsprozessen.
Erkrankungen im Zusammenhang mit Östrogen
Östrogenmangel
- Kann nach Kastration auftreten.
- Folgen: Veränderungen im Fell, Gewichtszunahme, Harninkontinenz bei Hündinnen.
Östrogenüberschuss
- Kommt bei bestimmten Tumoren vor (z. B. Sertoli-Zelltumor beim Rüden, Ovarialtumoren bei der Hündin).
- Folgen: Knochenmarksschädigung (aplastische Anämie), Vergrößerung der Milchdrüsen, Verhaltensänderungen.
Östrogenabhängige Tumoren
- Mammatumoren: Das Risiko für Brustkrebs steigt mit der Anzahl durchlaufener Läufigkeiten. Frühkastration senkt dieses Risiko erheblich.
Medizinische Nutzung
- Östrogene werden in der Tiermedizin selten therapeutisch eingesetzt, da das Risiko schwerer Nebenwirkungen hoch ist.
- Früher wurden synthetische Östrogene zur Behandlung der Harninkontinenz bei kastrierten Hündinnen genutzt, heute stehen meist schonendere Präparate wie Phenylpropanolamin oder Desmopressin im Vordergrund.
Bedeutung für die Zucht
Ein normales Östrogenprofil ist für eine erfolgreiche Fortpflanzung und gesunde Trächtigkeit unerlässlich. Hormonstörungen können zu Fruchtbarkeitsproblemen, Läufigkeitsstörungen oder Resorption von Embryonen führen.



