Die pubertären Phasen des Hundes erkennen & verstehen – und gelassen begleiten

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Pubertät beim Hund ist mehr als „Flausen im Kopf“. Zwischen Junghundealter und sozialer Reife verändert sich Verhalten messbar: Bindung wird getestet, Signale werden ignoriert, Emotionen schlagen schneller um. Dieser Ratgeber erklärt, wann was passiert, warum es passiert – und wie du deinen Hund in dieser Zeit fair und wirksam unterstützt.

Was heisst „Pubertät“ beim Hund?

  • Sexuelle Reife (Pubertät): Start je nach Grösse und Rasse ungefähr mit 6–9 Monaten (Rüden), Hündinnen erste Läufigkeit typischerweise zwischen 6–24 Monaten; kleine Rassen früher, grosse später. Einige Rassen (z. B. Basenji) sind Ausnahmen – Frontiers & Vca
  • Soziale Reife: kommt deutlich später – meist zwischen 12 und 36 Monaten. Erst dann stabilisieren sich viele Verhaltensmuster dauerhaft – AAHA

Typische Veränderungen in der Adoleszenz

  • „Teenager-Dip“ in der Kooperation: Um den Zeitpunkt der Pubertät (ca. 8 Monate) reagieren Hunde bei ihren Bezugspersonen häufiger widersetzlich und ignorieren bekannte Signale; gegenüber Fremden klappt es oft besser. In einer Studie an angehenden Assistenzhunden war die Ansprechbarkeit mit 8 Monaten signifikant schlechter als mit 5 Monaten – PMC & Newcastle University
  • Bindung & Hormone: Unsichere Bindung zu den Bezugspersonen hing mit einem früheren Einsetzen der Pubertät zusammen; die „Konfliktphase“ ist vorübergehend – PMC
  • Sensibilität & Risiko: Umwelt, Frühförderung und Jugend-Umfeld beeinflussen späteres Angst-/Aggressionsrisiko (z. B. Guide-Dog-Daten mit 6–12 Monaten) – PMC
  • „Angstspitzen“: Trainer:innen berichten von zusätzlichen kurzen Phasen erhöhter Vorsicht im Jugendalter; belastbare Labor-Daten sind rar. Sicher ist: Reize dosiert und positiv gestalten, statt zu überfluten. (Evidenz zur generellen Adoleszenz vorhanden, zu „zweiten Angstphasen“ uneinheitlich – Newcastle University

Zeitleiste (Orientierung)

  • 6–9 Monate: Beginn der Pubertät (♂ häufig 6–9 M., ♀ erste Läufigkeit je nach Rasse 6–24 M.). Kooperation kann schwanken.
  • 8 Monate ±: „Konfliktphase“ – schlechtere Ansprechbarkeit besonders gegenüber Bezugsperson.
  • 12–24/36 Monate: soziale Reife; Tendenz zu selektiverer Sozialität (nicht mehr „mit allen“ spielen).

Was bedeutet das fürs Training?

1) Beziehung & Signalqualität

  • Kürzer, öfter, leichter: 3–5-minütige Sessions statt Marathon. Erfolgshäppchen schaffen Momentum.
  • Kontext wechseln: Signale in 3–5 Umgebungen generalisieren (Wohnung, Hausgang, Parkplatz, ruhiger Park, belebter Weg). Adoleszente „vergessen“ nicht – sie generalisieren noch nicht zuverlässig.
  • Belohnungen upgraden: In schweren Umgebungen höherwertig (Futter-Jackpot, Freilauf, Schnüffeln als Verstärker). Nasenarbeit verbessert die „Optimismus-Lage“ messbar.

2) Emotionsregulation & Welfare

  • Schnüffel-Breaks & „Sniffaris“: 2–3 Mal pro Spaziergang 30–60 s frei schnüffeln lassen – baut Erregung ab und fördert positives Erwartungsbild.
  • Belohnungsbasiert statt Druck: Aversiv-Methoden (Leinenruck, Strom, Schreckreize) erhöhen Stress-signale und Cortisol und machen Hunde in Tests „pessimistischer“. Setze auf Marker/Belohnung.

3) Begegnungen & Sozialkontakt

  • Qualität vor Quantität: Lieber kurze, passende Hundekontakte als unübersichtliche Dog-Parks. Mit sozialer Reife werden viele Hunde selektiver – das ist normal.
  • Management lernt schneller als Selbstkontrolle: Abstand, Blick abwenden, U-Turn, „Schau“ – und danach Belohnung durch Schnüffeln/Futter.

Gesundheitliche Aspekte rund um Pubertät

  • Läufigkeitsstart & Zyklus: 6–24 Monate (kleine früher), meist 2 Zyklen/Jahr; einzelne Rassen nur 1×/Jahr.
  • Kastrationszeitpunkt: Die Verhaltenseffekte sind nicht eindeutig: Reviews zeigen je nach Studie unterschiedliche Befunde zu Angst/Aggression/Trainierbarkeit. Entscheid immer individuell mit Tierärzt:in (Rasse, Grösse, Einsatz, Gesundheit).

Wenn’s holprig wird: häufige Stolpersteine

  • „Er hört nur noch draussen nicht“: Umgebungsstufe zu schwer. Einen Level zurück, Belohnungswert rauf, Dauer runter. (Adoleszente zeigen care-specifices „Konfliktverhalten“.)
  • „Plötzlich unsicher“: Kurzzeitige Sensibilität ist normal. Reizdosierung + ruhige Gegenkonditionierung statt „konfrontieren“. Evidenz für generelle Adoleszenz vorhanden; harte Daten zu „zweiter Angstphase“ begrenzt.
  • „Mehr Zoff mit Hunden“: Um soziale Reife herum (1–3 J.) wird Selektion normaler; Ressourcenthemen häufen sich – Management & gezieltes Sozialtraining statt „die regeln das“.

Konkreter 4-Wochen-Plan

  1. Woche 1: Reset-Signale (Name→Blick, „Schau“, U-Turn) 5×/Tag je 30–60 s; 2×/Woche 5 Min. Nasenarbeit daheim.
  2. Woche 2: Leinen-Ritual: Start mit 30 s ruhigem Stehen + 2 tiefe Atemzüge; pro Spaziergang 2 Schnüffel-Breaks.
  3. Woche 3: Generalisieren: dieselben Signale in 2 neuen Umgebungen; Belohnung aufwerten.
  4. Woche 4: Sozial-Feintuning: 1–2 kontrollierte Hundekontakte statt Dog-Park; beende Treffen bevor es kippt; danach „Detox-Walk“ (sniffari).

Rassespezifische Unterschiede (Kurzüberblick)

Kleine Rassen pubertieren früher; grosse/giant später. Persönlichkeitsverläufe und „Trainierbarkeit“ hängen u. a. mit Rasse, Alter und Aufzuchtumfeld zusammen – Sozialisation im Welpen-/Junghundealter bleibt ein starker Schutzfaktor.

Wann brauche ich Unterstützung?

  • Deutliche Angst/Aggression, die zunimmt oder Alltag verhindert
  • Langanhaltendes Stress-/Zwangsverhalten (ständig Kreisen, Fixieren, Hinterherjagen)
  • Heftige Ressourcenverteidigung

Dann gilt: tierärztlicher Check + gewaltfreie Verhaltenstherapie (Belohnungsfokus); aversive Mittel verschlechtern nachweislich das Wohlbefinden.

Merksätze für die Pubertät

  • Kurz & klar schlägt „mehr & lauter“.
  • Weniger ist mehr: schwierige Kontexte dosieren, Erfolge sammeln.
  • Nase hilft: Schnüffeln reguliert – nutze es aktiv.
  • Es ist eine Phase – sie geht vorbei, mit Training sogar schneller.

Die 10 größten Mythen über die Pubertät beim Hund

„Pubertät beginnt immer mit 6 Monaten“

Falsch: Der Start hängt stark von Rasse, Grösse und individueller Entwicklung ab. Kleine Hunde sind oft früher dran (ab 6 Monaten), Riesenrassen deutlich später (bis 12 Monate oder mehr). Die soziale Reife dauert sogar bis zu 3 Jahre.

„Die Pubertät ist nach ein paar Wochen vorbei“

Stimmt nicht: Die hormonellen und sozialen Veränderungen ziehen sich meist über Monate hin. Manche Hunde „ecken“ noch mit 18 oder 24 Monaten an.

„In der Pubertät vergisst der Hund plötzlich alles“

Nein: Er hat das Gelernte nicht vergessen – sein Gehirn ist nur in einer Umbauphase. Er reagiert weniger zuverlässig, weil Hormone und Emotionen stärker wirken. Konsequentes, geduldiges Training stabilisiert das Gelernte.

„Jetzt zeigt sich der wahre Charakter“

Die Pubertät ist keine endgültige Wesensprägung. Viele Unsicherheiten oder „Macken“ verschwinden wieder, wenn man den Hund fair begleitet. Was bleibt, ist das, was trainiert und verstärkt wurde.

„Rüden werden automatisch aggressiv“

Nicht jeder Rüde entwickelt Aggression. Manche werden durch Hormone testender, markieren mehr oder zeigen Konkurrenzverhalten – doch mit Management und Training lässt sich das gut steuern.

„Hündinnen sind in der Pubertät viel einfacher“

Auch ein Mythos: Hündinnen können während oder zwischen Läufigkeiten Stimmungsschwankungen, Unsicherheit oder erhöhte Sensibilität zeigen. Auch sie brauchen Geduld und Führung.

„Wenn er jetzt schwierig ist, bleibt er für immer schwierig“

Falsch: Die meisten Verhaltensauffälligkeiten in der Pubertät sind temporär. Mit Training und Geduld verschwinden viele wieder. Wichtig ist, keine negativen Muster zu verfestigen.

„Da muss er durch – Training bringt jetzt nichts“

Genau das Gegenteil: Gerade in dieser Phase ist Training entscheidend! Kurze, positive Einheiten und klare Strukturen helfen dem Hund, sicher durch die stürmische Zeit zu kommen.

„Er testet dich nur aus“

Teilweise stimmt es: Hunde probieren Grenzen aus. Aber vieles hat schlicht mit hormonellen Veränderungen, Unsicherheit oder mangelnder Impulskontrolle zu tun – nicht mit „Bösartigkeit“.

„Das legt sich von allein“

Nein: Ohne Begleitung können sich schlechte Angewohnheiten (z. B. Leinenziehen, Ressourcenschutz, Ignorieren von Rückruf) festsetzen. Nur wer jetzt dranbleibt, profitiert später von einem verlässlichen Begleiter.

Fazit der Mythen

Die Pubertät beim Hund ist eine stürmische, aber normale Entwicklungsphase. Viele Mythen entstehen aus Frust oder falschen Erwartungen. Mit Wissen, Geduld, Management und belohnungsbasiertem Training lässt sich die Zeit nicht nur überstehen – sie ist eine echte Chance, die Bindung zu vertiefen.

FAQ: Pubertät beim Hund

Wann beginnt die Pubertät beim Hund?

Je nach Rasse und Grösse zwischen dem 6. und 12. Monat. Kleine Hunde früher, grosse und Riesenrassen oft erst später. Die soziale Reife ist meist erst mit 1,5–3 Jahren erreicht.

Woran erkenne ich, dass mein Hund in der Pubertät ist?

Typische Anzeichen: plötzliche „Vergesslichkeit“ bei Signalen, mehr Eigenständigkeit, Unsicherheit in neuen Situationen, gesteigertes Interesse an Artgenossen oder dem anderen Geschlecht.

Wie lange dauert die Pubertät?

Die eigentliche hormonelle Umstellung dauert einige Monate, die komplette Entwicklungsphase bis zur sozialen Reife kann aber bis zu 3 Jahre andauern.

Warum „vergisst“ mein Hund plötzlich Kommandos?

Er vergisst nicht wirklich, sein Gehirn ist in einer Umbauphase. Hormone, neue Emotionen und Reize überlagern zeitweise das bereits Gelernte. Geduldiges Training hilft, die Signale zu festigen.

Ist es normal, dass mein Hund unsicherer wird?

Ja, viele Hunde haben in dieser Phase sogenannte „Angstspitzen“, in denen sie plötzlich vorsichtiger oder misstrauischer reagieren. Wichtig: Ruhe bewahren, nicht überfordern, positiv bestärken.

Wie gehe ich mit dem „Grenzen austesten“ um?

Bleib konsequent, aber fair. Belohne erwünschtes Verhalten grosszügig und achte darauf, dass Regeln immer gleich gelten – auch für alle Familienmitglieder.

Sollte ich meinen Hund in der Pubertät kastrieren lassen?

Der richtige Zeitpunkt hängt von Rasse, Grösse, Verhalten und Gesundheit ab. Studien zeigen gemischte Ergebnisse. Sprich die Entscheidung immer mit deinem Tierarzt oder einer Verhaltensexpertin ab.

Braucht mein Hund in dieser Zeit mehr Training?

Ja – aber nicht länger, sondern klüger. Kurze, positive Einheiten (2–5 Minuten) mehrmals täglich sind effektiver als stundenlange Übungen.

Was kann ich tun, um Stress in dieser Phase zu reduzieren?

Schnüffelspaziergänge, Nasenarbeit, klare Routinen und viel Ruhe helfen. Gewaltfreie Erziehung ist besonders wichtig, da Strafen Stress und Unsicherheit verstärken.

Geht das alles wirklich wieder vorbei?

Ja. Mit Geduld, Training und guter Bindung wachsen die meisten Hunde zu ausgeglichenen Erwachsenen heran. Die Pubertät ist eine Phase – wie beim Menschen auch.

Quellen (Auswahl)

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