Tierschutzhund mit Herdenschutzverhalten – und jetzt?

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Du hast einem Tierschutzhund ein Zuhause gegeben – vielleicht aus Rumänien, Bulgarien, Griechenland oder Italien. Der Hund ist gross, ruhig, sensibel – und irgendwie… „anders“. Vielleicht misstrauisch, territorial, manchmal wie abwesend. Vielleicht lässt er niemanden ins Haus, geht nicht gern in die Stadt oder ist schwer zu motivieren.

Dann hast Du möglicherweise einen Hund mit Herdenschutzveranlagung. Und das ist keine Katastrophe – aber es verändert einiges. Damit Du schnell Gewissheit hast, hilft auch ein DNA Check, als Beispiel von Feragen .

Warum zeigt mein Hund dieses Verhalten?

Viele Tierschutzhunde aus dem Ausland stammen aus Regionen, in denen Herdenschutzhunde seit Jahrhunderten gezüchtet und gehalten werden – teils bewusst, teils unkontrolliert. Selbst wenn Dein Hund als „Mischling“ vermittelt wurde, kann er instinktiv stark geprägte Verhaltensweisen mitbringen, etwa:

  • Misstrauen gegenüber Fremden
  • Wachsamkeit im eigenen Revier
  • Geringe Impulskontrolle bei gefühlter Bedrohung
  • Eigenständigkeit und „Ungehorsam“
  • Territorialverhalten gegenüber Hunden oder Menschen

Diese Verhaltensweisen sind nicht „falsch“, sondern genetisch angelegt – und sie lassen sich nicht einfach wegtrainieren.

Leben in der Stadt – geht das überhaupt?

Ja – aber mit Anpassung.

Ein Hund mit Herdenschutzverhalten braucht vor allem Ruhe, Sicherheit, klare Strukturen und wenig Reize. Das ist im städtischen Umfeld eine Herausforderung, aber nicht unmöglich:

Tipps für die Haltung in der Stadt:

  • Rückzugsort schaffen: Körbchen in ruhiger Ecke, keine ständigen Besucher:innen, keine Störung durch Kinder
  • Tägliche Reizverarbeitung reduzieren: Spaziergänge in ruhige Randgebiete verlegen, Hundekontakte minimieren
  • Keine Hundewiesen oder Leinenkontakte – das überfordert viele dieser Hunde
  • Besuch managen: Ankündigen, separieren, Hund nicht zwingen, Fremde zu akzeptieren
  • Klare Routinen schaffen: Rituale geben Sicherheit und Orientierung
  • Nicht überall mitnehmen: Vermeide Märkte, Cafés, Aufzüge, ÖV – auch wenn’s unbequem ist

Leben mit Familie – was ist wichtig?

Kinder, Gäste, Alltagstrubel – das kann für einen Herdenschutzhund aus dem Tierschutz zu viel sein.

Was hilft:

  • Kindern frühzeitig klare Regeln im Umgang mit dem Hund beibringen („Lass ihn schlafen“, „Nicht umarmen“, „Nicht am Napf stören“)
  • Besuchsmanagement (z. B. Gäste kommen nicht unangekündigt, keine Hundekontakte auf engem Raum)
  • Hund Rückzugsrechte zugestehen – notfalls räumlich abtrennen
  • Reizarme Wochenenden statt Freizeitstress

Ganz wichtig: Dein Hund „muss“ keine Freund:innen, Gäste oder andere Familienmitglieder mögen – aber er muss lernen, sie zu tolerieren, ohne sich verantwortlich zu fühlen.

Erziehung – geht da überhaupt was?

Jein. Du kannst mit Deinem Hund trainieren – aber nicht im klassischen Sinn. Erziehung bedeutet hier vor allem:

Management, Vertrauen und Verlässlichkeit.

Was funktioniert:

  • Ruhige, wiederkehrende Abläufe
  • Orientierung an Dir durch Beziehungsarbeit – nicht durch Druck
  • Belohnung durch Nähe, Sicherheit, Kontinuität – nicht nur Leckerli
  • Kein Konfrontationstraining (z. B. „Er muss lernen, mit Besuch klarzukommen“) – sondern Umgehen, Vermeiden, Verhalten lenken

Wenn Du unsicher bist: Hol Dir Hilfe von Trainer:innen mit Erfahrung im Bereich „Herdenschutzhund im Alltag“. Klassische Hundeschulen sind meist ungeeignet.

Und wenn’s schwierig wird?

Dann gilt: Du bist nicht allein.

Viele Halter:innen in Deiner Lage erleben:

  • Frust, weil der Hund nicht „funktioniert“
  • Schuldgefühle, weil sie etwas falsch machen
  • Überforderung im Alltag
  • Unverständnis im Umfeld („Der Hund muss doch…“)

Aber: Du hast einem schwierigen Hund eine Chance gegeben – und das ist grossartig. Jetzt geht es darum, Deinen Alltag so zu gestalten, dass er und ihr gemeinsam zurechtkommt.

Was Du tun kannst – konkret und sofort

✅ Schaffe klare Strukturen: feste Gassizeiten, klare Regeln, keine Überreizung

✅ Führe ein Verhaltenstagebuch: Was stresst, was hilft, wann wird’s schwierig?

✅ Baue Rituale auf: Futter zur gleichen Zeit, gleiches Abendritual, immer gleiche Begrüssung

✅ Suche Dir eine Person, die Erfahrung mit solchen Hunden hat – Austausch hilft

✅ Stelle Erwartungen zurück: Du hast keinen „Anfängerhund“, sondern einen echten Charakterhund

Wichtig zum Schluss:

Du musst nicht alles „in den Griff bekommen“. Du musst nur lernen, damit zu leben – und es gut zu managen.

Dein Hund ist nicht „schwierig“, sondern geprägt von einem anderen Lebenskontext. Je besser Du ihn verstehst, desto besser wird euer Alltag funktionieren – auch in der Stadt, auch mit Familie. Es braucht Mut, Geduld und Klarheit. Aber es ist machbar. Und lohnend.

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