Grosse, glänzende Augen, ein schlaffer Gesichtsausdruck, herabhängende Lider und ein Blick, als wolle der Hund gleich weinen – die sogenannte sorrowful expression gilt bei vielen Hunderassen als besonders ansprechend. Sie weckt Mitgefühl, Schutzinstinkte und emotionale Nähe – kein Wunder, dass sie gezielt in die Zucht einfliesst. Doch was auf den ersten Blick rührend wirkt, ist in Wahrheit ein Symptom übertriebener Zucht auf bestimmte ästhetische Merkmale. Hier erfährst Du, welche gesundheitlichen Probleme sich hinter diesem Herzschmerz-Blick verbergen.
Sorrowful Expression – Der traurige Hundeblick
Der Begriff „sorrowful expression“ stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich übersetzt „leidvoller Gesichtsausdruck“. Gemeint ist ein spezifischer Blick, den viele Hunde – besonders bestimmter Rassen – durch ihre anatomische Gesichtsform erhalten. Typisch sind:
- Tief liegende Augen (meist mit sichtbarer Bindehaut)
- Herabhängende oder auswärtsgerollte Unterlider
- Falten und schlaffe Haut rund um die Augen und im Gesicht
- Ein insgesamt müder, trauriger oder leidender Ausdruck
Was auf den ersten Blick wie eine individuelle Mimik erscheint, ist allerdings meistens das gezielte Ergebnis züchterischer Auswahl. Hunde mit den passenden optischen Merkmalen werden bevorzugt zur Weiterzucht eingesetzt.
Nicht etwa wegen gesundheitlicher Robustheit – sondern weil dieser Ausdruck beim Menschen emotionale Reaktionen wie Mitleid, Fürsorge und Bindungswunsch auslöst.
Psychologischer Mechanismus des Menschen ausgenutzt
Dahinter steckt ein psychologischer Mechanismus, den man als Kindchenschema bezeichnet. Dieses beschreibt bestimmte Merkmale – etwa grosse Augen, rundlicher Kopf, weiche Gesichtszüge –, die beim Menschen instinktiv Fürsorgeverhalten auslösen.
Hunde mit sorrowful expression bedienen dieses Muster auf eine andere Weise: nicht durch Niedlichkeit im engeren Sinn, sondern durch einen hilfsbedürftig wirkenden, traurigen Ausdruck, der ebenfalls starke emotionale Resonanz erzeugt.
Die Folge: Der leidende Blick wird nicht als Warnsignal für gesundheitliche Probleme wahrgenommen, sondern fälschlich als „niedlich“ oder „liebenswert“ interpretiert. Genau darin liegt die Gefahr – denn oft geht der traurige Ausdruck mit echtem Leiden einher.
Beispielhafte Rassen mit der “Sorrowful Expression”
Die sorrowful expression ist kein Zufallsprodukt – sie tritt vor allem bei Rassen auf, deren Erscheinungsbild gezielt auf bestimmte emotionale Reize hin gezüchtet wurde. Dabei spielt meistens eine Kombination aus lockerem Bindegewebe, übergrossen Hautpartien und bestimmten Schädelmerkmalen eine zentrale Rolle. Besonders betroffen sind:
Der Inbegriff der sorrowful expression: Sein markantes Gesicht mit tiefen Falten, extrem langen Hängeohren und stark auswärtsgedrehten Lidern verleiht ihm ein melancholisches Aussehen. Doch genau diese Merkmale führen oft zu chronischen Augen- und Hautproblemen – wie etwa Bindehautentzündungen, Ekzemen und eingeschränktem Sichtfeld.
Mit seinem gedrungenen Körper, den schweren Lefzen und herabhängenden Lidern wirkt der Basset Hound permanent betrübt. Auch hier handelt es sich nicht um Mimik, sondern um strukturelle Veränderungen, die das Auge ungeschützt lassen und regelmässige Pflege notwendig machen.
🐾 Cocker Spaniel (American und teils auch English)
Vor allem bei Showlinien treten vermehrt hängende Unterlider auf, oft begleitet von übergrossen, feuchten Augen mit entzündlicher Neigung. Auch hier wurde über Jahrzehnte hinweg ein optisch „liebevoller“ Ausdruck gezielt verstärkt.
🐾 Cavalier King Charles Spaniel
Diese Rasse vereint gleich mehrere Merkmale des Kindchenschemas: grosser Kopf, kurze Schnauze, grosse runde Augen – und bei einigen Linien zusätzlich das traurige Auge. Besonders problematisch: Der Cavalier leidet zusätzlich häufig unter Syringomyelie, einer schmerzhaften neurologischen Erkrankung, die seine Mimik weiter verändert.
Sein massiges Gesicht mit überhängender Haut, tiefen Falten und schleppenden Augenlidern verleiht ihm einen schweren, oft leidenden Blick. Die Lider sind bei vielen Individuen so stark verändert, dass Operationen notwendig werden.
Gesundheitliche Probleme durch die Sorrowful Expression
Die genannten Rassen wurden ursprünglich für ganz andere Zwecke gezüchtet – etwa als Jagd-, Fährten- oder Begleithunde – und sind erst im Zuge der modernen Schönheitszucht zu dem geworden, was wir heute mit der sorrowful expression verbinden. Dabei hat sich der Fokus in vielen Zuchtlinien von der Funktionalität hin zur emotionalen Wirkung verschoben – ein Wandel, der menschliche Vorlieben bedient, aber für die Hunde schwerwiegende gesundheitliche Folgen hat.
Denn der „traurige Blick“ entsteht nicht durch Stimmung oder Charakter, sondern durch Veränderungen an Haut, Lidern und Gesichtsschädel, die den normalen Schutzmechanismus des Auges empfindlich stören.
Lidfehlstellungen und ihre Folgen
Die wohl häufigsten Begleiterscheinungen der sorrowful expression sind Ektropium (auswärtsgerollte Unterlider) und Entropium (eingerollte Lider, die auf dem Auge reiben). Beide Zustände führen zu:
- Ständiger Reizung der Bindehaut (Konjunktiva)
- Austrocknung (siehe Keratokonjunktivitis sicca (trockenes Auge)) oder Überfeuchtung der Augen
- Infektionen und in schweren Fällen Schädigungen der Hornhaut
- Teils sogar eingeschränktem Sehvermögen durch chronische Entzündungen
Je nach Ausprägung sind operative Eingriffe notwendig, um die Augenlider so zu korrigieren, dass das Auge wieder geschützt ist.
Hautfalten – Bindegewebe-Probleme
Die typischen Gesichts- und Stirnfalten, die oft als „charaktervoll“ empfunden werden, bergen ein hohes Risiko für:
- Faltenekzeme (Intertrigo), ausgelöst durch Feuchtigkeit, Reibung und mangelnde Belüftung
- bakterielle oder pilzbedingte Entzündungen
- unangenehmen Geruch und Juckreiz, teils chronisch
Besonders betroffen sind Zonen rund um Lefzen, Augen und Ohren – bei Rassen wie dem Bloodhound oder Basset Hound müssen diese täglich gereinigt werden, um Beschwerden zu vermeiden.
Folgen von Hängeohren
Lange, herabhängende Ohren – oft Teil des „traurigen“ Erscheinungsbilds – verschliessen den Gehörgang und fördern:
- chronische Ohrentzündungen (Otitis externa)
- Sekretstau, Juckreiz, Schmerzen
- In schweren Fällen auch Gleichgewichtsstörungen
Fazit: Trauriger Blick sollte kein Zuchtziel sein
Die sogenannte sorrowful expression wirkt auf viele Menschen emotional berührend – sie weckt Mitgefühl, Schutzinstinkte und schafft Nähe. Doch genau darin liegt die Gefahr: Was wir als „süss“ oder „herzerweichend“ empfinden, ist das Ergebnis jahrzehntelanger Überzüchtung auf ästhetische Merkmale, die mit erheblichen gesundheitlichen Problemen für die Hunde einhergehen.
Entzündete Augen, falsch entwickelte Lider, schmerzhafte Falten und chronische Beschwerden sind keine Details – sie bestimmen das Leben der betroffenen Tiere. Und dennoch gelten diese Merkmale in manchen Zuchtlinien weiterhin als wünschenswert, weil sie auf Ausstellungen punkten oder den Mensch emotional ansprechen.

Es wird Zeit umzudenken: ➡️ Ein trauriger Blick darf kein Zuchtziel sein – sondern muss als mögliches Warnsignal für Qualzucht verstanden werden.
Wer sich für eine betroffene Rasse interessiert, sollte gezielt nach Zuchtlinien suchen, die auf Gesundheit, Funktionalität und Lebensqualität achten – und sich nicht vom ersten Eindruck täuschen lassen.
Denn echte Fürsorge beginnt nicht mit Mitleid, sondern mit Wissen und verantwortungsvollen Entscheidungen.



