Kastration ist einer der häufigsten Eingriffe bei Hunden. Viele Halter:innen erhoffen sich dadurch weniger Probleme wie Markieren, Streunen oder Aggression. Doch was passiert tatsächlich nach der Operation? Neue Studien und groß angelegte Befragungen zeigen: Kastrierte Hunde sind in manchen Punkten messbar anders – allerdings nicht immer so, wie viele erwarten. Dieser Ratgeber fasst die aktuelle Forschung und zwei neue Datenauswertungen (u. a. Rudelreport 2025 in Kooperation mit pet) zusammen und gibt praxisnahe Tipps für die Entscheidung.
Aktuelle Studienlage
Mehrere internationale Auswertungen, darunter die CBARQ-Studien (McGreevy et al. 2018; Farhoody et al. 2018), sowie neue Befragungen von über 900 Hundehalter:innen im DACH-Raum (Rudelreport 2025), vergleichen Verhalten und Gesundheit von kastrierten und intakten Hunden. Wichtig: Die meisten Daten basieren auf Halterangaben und zeigen Zusammenhänge, aber keine direkten Ursachen.
Zentrale Verhaltensunterschiede nach der Kastration
- Ängstlichkeit: In beiden Auswertungen ist die Zunahme von Angstverhalten – allgemein und speziell an Silvester – statistisch höchst signifikant (p < 0.01). Kastrierte Hunde werden von Halter:innen deutlich häufiger als ängstlich oder schnell aufgeregt beschrieben.
- Jagdtrieb: Laut Rudelreport und anderen Studien zeigen kastrierte Hunde signifikant häufiger einen stärkeren Jagdtrieb (p < 0.05). Auch internationale CBARQ-Daten weisen in diese Richtung.
- Lernverhalten: Entgegen der verbreiteten Annahme „Kopf frei fürs Lernen“ lernen kastrierte Hunde nach Haltereinschätzung signifikant langsamer (p < 0.05). Das deutet auf mögliche hormonelle Einflüsse auf Motivation und Kognition hin.
- Verspieltheit: Kastrierte Hunde gelten signifikant seltener als verspielt (p < 0.05). Die gängige Vorstellung, dass Kastration ein „ewiges Kindchenschema“ erhalte, wird damit widerlegt.
- Gesundheit: Kastrierte Hunde werden häufiger als „nicht immer gesund“ beschrieben (p < 0.01). Diese Angabe kann allerdings auch den Umstand widerspiegeln, dass manche Tiere aufgrund einer bestehenden Erkrankung kastriert wurden.
- Soziale Verträglichkeit: Für Merkmale wie „freundlich zu Menschen“, „pöbelt andere Hunde an“ oder „verteidigt Territorium“ finden sich keine signifikanten Unterschiede. Kastration ist daher kein Garant für besseres Sozialverhalten.
Weitere beobachtete Unterschiede
- Kastrierte Hunde werden häufiger als stur oder schwer führbar beschrieben.
- Eigenschaften wie Stubenreinheit, Zerstörungsneigung oder Abrufbarkeit unterscheiden sich laut Rudelreport nicht relevant.
Gesundheitsaspekte
Kastration reduziert Risiken wie Gebärmutterentzündung (Pyometra) und Hodentumoren und verhindert ungewollte Trächtigkeiten. Gleichzeitig zeigen große Kohortenstudien und die neuen Daten ein leicht erhöhtes Risiko für Gelenkprobleme (v. a. bei großwüchsigen Rassen), Übergewicht und bestimmte Tumoren. Ob dies durch den Eingriff selbst oder durch Vorerkrankungen erklärt wird, ist nicht immer eindeutig.
Einflussfaktoren auf den Effekt
- Alter beim Eingriff: Frühkastration vor dem Abschluss des Knochenwachstums kann Gelenkprobleme begünstigen; spätere Kastration verändert die Entwicklung weniger stark.
- Rasse und Größe: Große, schnell wachsende Rassen reagieren sensibler auf hormonelle Veränderungen als kleine.
- Haltungsbedingungen & Training: Sozialisation, Auslastung und Training beeinflussen Verhalten oft stärker als der Hormonstatus.
Praktische Tipps für die Entscheidung
- Ziehe eine tierärztliche Beratung hinzu – idealerweise mit Zusatzwissen in Verhaltenstherapie.
- Prüfe, ob medizinische Gründe vorliegen (z. B. Pyometra, Hodentumor). Diese machen den Eingriff oft alternativlos.
- Überlege Alternativen wie die chemische Kastration (Suprelorin-Implantat), um die Wirkung vor einer endgültigen Entscheidung zu testen.
- Passe Futter und Bewegung an: Kastrierte Hunde benötigen in der Regel weniger Kalorien und bleiben gesund, wenn sie ausreichend bewegt und gezielt trainiert werden.
Fazit
Die neuesten Daten belegen klar: Kastrierte Hunde können in mehreren Bereichen anders sein – vor allem ängstlicher, jagdtriebiger, weniger verspielt und langsamer im Lernen. Sozialverhalten gegenüber Menschen und Hunden ändert sich dagegen meist nicht. Kastration ist kein Allheilmittel für Erziehungs- oder Aggressionsprobleme. Die Entscheidung sollte immer individuell erfolgen, unter Einbezug von Rasse, Alter, Gesundheitszustand und Lebensumfeld.
FAQ
Beruhigt Kastration aggressive Hunde?
Nein, nicht verlässlich. Bei hormonell bedingter Rüden-Rivalität kann sie helfen, bei Angst– oder unsicherheitsbedingter Aggression jedoch kaum.
Ab welchem Alter ist Kastration sinnvoll?
Das hängt von Rasse, Größe und medizinischen Gründen ab. Bei großen Rassen empfiehlt man meist, das Knochenwachstum abzuwarten.
Welche Alternativen gibt es?
Z. B. chemische Kastration als Testphase oder gezieltes Verhaltenstraining.




Wichtig ist wirklich, dass die Rudelreport-Studie den Mythos, dass kastrierte Hunde „nicht jagen“ zum Glück mal widerlegt hat. Das glauben leider noch zu viele Halter.