Ein Rückenmarksinfarkt beim Hund ist ein medizinischer Notfall, der aus heiterem Himmel auftreten kann. Eben rennt dein Hund noch über die Wiese, im nächsten Moment zieht er ein Bein nach oder kann plötzlich gar nicht mehr aufstehen. Für viele Halter:innen ist diese Situation ein Schock – zumal der Hund häufig keine Schmerzen zeigt.
Dieser Ratgeber erklärt Schritt für Schritt, was bei einem Rückenmarksinfarkt im Körper passiert, wie du Anzeichen früh erkennen kannst, welche Möglichkeiten der Behandlung und Rehabilitation es gibt und wie du deinen Hund auf dem Weg zur Genesung bestmöglich unterstützt. Ziel ist, dass du als Hundehalter:in die Situation verstehst, schnell reagieren kannst und realistische Erwartungen an den Heilungsprozess hast – ohne dass unnötige Ängste oder falsche Mythen den Blick verstellen.
Entstehung und Ursachen
Wie macht sich ein Rückenmarksinfarkt bemerkbar?
Ein Rückenmarksinfarkt – medizinisch fibrocartilaginöse Embolie (FCE) – ist eine plötzliche Durchblutungsstörung im Rückenmark. Winzige Teilchen aus der Bandscheibe gelangen in kleine Blutgefässe des Rückenmarks, verstopfen sie und unterbrechen die Sauerstoffversorgung. Das betroffene Nervengewebe wird geschädigt und kann seine Arbeit nicht mehr richtig erfüllen. Für den Hund bedeutet das: innert Minuten bis Stunden können Lähmungen oder starke Schwächen auftreten.
Wie kommt es dazu?
Bei einem Sprung, einem abrupten Richtungswechsel oder beim wilden Spiel kann sich ein winziger Anteil der gallertigen Bandscheibenmasse lösen. Gelangt dieses Teilchen in ein Blutgefäss, wirkt es wie ein Stöpsel: Die Blutversorgung reißt ab, Nervenfasern bekommen keinen Sauerstoff mehr und sterben ab. Dieses Ereignis passiert plötzlich und ohne Vorwarnung. Anders als bei einem klassischen Bandscheibenvorfall drückt dabei kein Material dauerhaft auf das Rückenmark – deshalb bestehen nach der Akutphase meist keine starken Schmerzen.
Gibt es Risikofaktoren?
Rückenmarksinfarkte können grundsätzlich jeden Hund treffen – grosse und kleine, junge und ältere. Häufig passiert es während Bewegung oder Spiel, wenn viel Energie im Spiel ist. Bestimmte Rassen, Übergewicht oder Alter spielen nach heutigem Wissen keine entscheidende Rolle. Auch besonders vorsichtige Haltung kann den Vorfall nicht sicher verhindern. Wichtig ist deshalb vor allem, Anzeichen schnell zu erkennen.
Abgrenzung zu anderen Rückenproblemen
Manche Symptome ähneln einem Bandscheibenvorfall, aber es gibt Unterschiede: Bei einem klassischen Bandscheibenvorfall drückt ausgetretenes Material auf das Rückenmark, was meist starke und anhaltende Schmerzen verursacht. Beim Rückenmarksinfarkt fehlt diese Kompression, weshalb die Tiere nach dem ersten Schreck oft kaum Schmerzen zeigen. Zudem verschlimmern sich die Ausfälle nach den ersten 24–48 Stunden normalerweise nicht mehr, während andere Erkrankungen häufig fortschreiten.
Wichtiger Hinweis für Halter:innen
Ein Rückenmarksinfarkt kündigt sich nicht an. Die beste „Vorbeugung“ besteht daher darin, bei plötzlichen Lähmungen oder deutlichen Schwächen sofort tierärztliche Hilfe zu suchen. Eine schnelle Untersuchung und ein MRT helfen, die Ursache zu klären und die Heilungschancen zu verbessern.
Anzeichen erkennen und sinnvoll vorbeugen
Wie macht sich ein Rückenmarksinfarkt bemerkbar?
Das wichtigste Merkmal ist der plötzliche Beginn. Dein Hund ist eben noch normal gelaufen, gerannt oder gesprungen – und plötzlich kann er ein Bein oder sogar mehrere Gliedmassen nicht mehr richtig bewegen. Diese Schwäche oder Lähmung entsteht innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden und bleibt danach meist stabil. Anders als bei vielen anderen Rückenproblemen verschlimmern sich die Symptome nach den ersten 24–48 Stunden normalerweise nicht weiter.
Typisch ist ausserdem, dass der Hund kaum oder nur kurz Schmerzen zeigt. Vielleicht zuckt er beim ersten Moment zusammen oder wirkt verunsichert, doch anhaltendes Winseln, ständiges Hecheln vor Schmerz oder eine steife Schonhaltung fehlen meist. Das unterscheidet den Rückenmarksinfarkt deutlich von einem Bandscheibenvorfall, bei dem oft starke und lang anhaltende Schmerzen auftreten.
Weitere mögliche Anzeichen
Die Symptome hängen davon ab, wo das Rückenmark geschädigt ist. Häufig ist nur eine Körperseite betroffen, sodass der Hund zum Beispiel ein Hinterbein nachzieht oder einknickt. Bei manchen Tieren sind die Bewegungsstörungen stärker ausgeprägt, etwa als komplette Lähmung von Hinter- oder Vorderhand. Ist der Abschnitt betroffen, der Blase und Darm steuert, können Inkontinenz oder Harnverhalt auftreten. Ein wichtiges positives Zeichen ist, wenn der Hund Tiefenschmerz spürt, also auf kräftigen Druck an den Zehen reagiert – das spricht für eine mildere Schädigung und bessere Heilungschancen.
Warum frühes Handeln so wichtig ist
Auch wenn dein Hund keine Schmerzen zeigt, ist eine sofortige tierärztliche Untersuchung zwingend. Nur durch eine neurologische Untersuchung und meist ein MRT kann geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen Rückenmarksinfarkt handelt oder um andere Erkrankungen wie Bandscheibenvorfall, Blutgerinnsel oder Entzündungen. Eine schnelle Diagnose erleichtert den Start der gezielten Therapie und verbessert die Aussichten auf vollständige Genesung.
Kann man einem Rückenmarksinfarkt vorbeugen?
Ein Rückenmarksinfarkt lässt sich nach heutigem Wissen nicht zuverlässig verhindern. Die Ursache – ein winziges Bandscheibenstück, das in ein Blutgefäss gerät – ist weder vorhersehbar noch vollständig kontrollierbar. Dennoch kannst du einiges tun, um die Wirbelsäule deines Hundes insgesamt gesund zu halten und das Risiko für andere Rückenprobleme zu senken:
- Halte deinen Hund schlank und fit: Übergewicht belastet Rücken und Gelenke.
- Sorge für regelmässigen, gelenkschonenden Muskelaufbau, zum Beispiel durch Spaziergänge in unterschiedlichem Gelände oder Schwimmen.
- Vermeide extreme Ballwurfspiele oder abruptes Stop-and-Go-Training, die die Bandscheiben stark belasten.
- Achte auf rutschfeste Böden zu Hause, damit dein Hund sich nicht unkontrolliert verdreht oder ausrutscht.
Fazit zu den Anzeichen
Da sich ein Rückenmarksinfarkt nicht verhindern lässt, ist die frühe Erkennung der entscheidende Faktor. Beobachte deinen Hund aufmerksam und reagiere sofort, wenn er plötzlich schwach wird, lahmt oder eine Gliedmasse nicht mehr belastet – auch wenn er keine Schmerzen zeigt. Eine schnelle Diagnose ist die beste Chance, dass sich dein Hund vollständig erholt.
Diagnose, Therapie und Rehabilitation
Warum sofortige tierärztliche Hilfe entscheidend ist
Wenn dein Hund plötzlich schwach wird oder eine Lähmung zeigt, ist das immer ein Notfall. Auch wenn er keine Schmerzen hat, können ernste Ursachen dahinterstecken. Tierärzt:innen, idealerweise mit Spezialisierung in Neurologie, untersuchen zunächst genau, welche Abschnitte des Rückenmarks betroffen sind. Eine MRT-Untersuchung ist dabei der Goldstandard: Sie zeigt, ob tatsächlich eine Durchblutungsstörung (Rückenmarksinfarkt) vorliegt oder ob andere Probleme wie ein Bandscheibenvorfall, eine Entzündung oder ein Tumor verantwortlich sind. Typisch für einen Rückenmarksinfarkt ist, dass sich im MRT eine veränderte Region innerhalb des Rückenmarks zeigt, ohne dass dort etwas drückt.
Behandlung ohne Operation
Bei einem Rückenmarksinfarkt ist keine Operation notwendig, weil das Rückenmark nicht von aussen eingeengt wird. Stattdessen konzentriert sich die Therapie auf eine sorgfältige medizinische Betreuung und eine frühzeitige Rehabilitation. Zunächst steht die Schmerz- und Entzündungsbehandlung im Vordergrund, auch wenn anhaltende Schmerzen selten sind. Kortison wird heute nur noch in Einzelfällen gegeben, da ein klarer Nutzen nicht belegt ist.
Ebenso wichtig sind eine gute Pflege und Überwachung: Dein Hund braucht eine weiche, rutschfeste Unterlage, regelmässiges Umlagern zur Vorbeugung von Druckstellen und Hilfe beim Entleeren von Blase und Darm, falls er dies vorübergehend nicht selbst kontrollieren kann.
Frühe und gezielte Rehabilitation
Der entscheidende Teil der Behandlung ist die Physiotherapie. Schon wenige Tage nach dem Vorfall beginnen Tierphysiotherapeut:innen mit sanften Bewegungsübungen, um Gelenke beweglich zu halten und Muskelschwund zu vermeiden. Sobald es der Zustand erlaubt, folgen gezielte Aufsteh- und Gehübungen, Koordinations- und Gleichgewichtstraining. Häufig wird auch Hydrotherapie – etwa auf dem Unterwasserlaufband – eingesetzt. Studien zeigen, dass ein kompletter Stillstand im Käfig über Wochen keinen Vorteil bringt. Viel wirksamer sind regelmässige, geführte Bewegungsübungen, die Kreislauf und Nervenbahnen anregen.
Wie gut sind die Heilungschancen?
Die Prognose hängt vor allem davon ab, wie stark das Rückenmark geschädigt wurde. Ein gutes Zeichen ist, wenn der Hund Tiefenschmerz spürt, also auf kräftigen Druck an den Zehen reagiert. Viele Hunde erlangen innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten ihre volle Beweglichkeit wieder oder zeigen nur minimale Restschwächen. Ist der betroffene Abschnitt sehr gross oder liegt er in einer Region, die für die Steuerung von Gliedmassen oder Blase besonders wichtig ist, kann die Erholung länger dauern oder unvollständig bleiben.
Leben nach dem Rückenmarksinfarkt
Auch nach der Genesung lohnt sich ein langfristig angepasster Alltag: Ein gesundes Gewicht, regelmässiger gelenkschonender Muskelaufbau und sichere, rutschfeste Böden schützen die Wirbelsäule. Manche Hunde behalten leichte Koordinationsschwächen, kommen aber mit Hilfsmitteln wie speziellen Geschirren oder Bodenbelägen sehr gut zurecht.
Zusammenfassung
Ein Rückenmarksinfarkt beim Hund kommt plötzlich und ohne Vorwarnung. Mit schneller tierärztlicher Abklärung, gezielter Physiotherapie und geduldiger Pflege sind die Heilungschancen jedoch oft gut. Wichtig ist, dass du als Halter:in jede plötzliche Schwäche oder Lähmung ernst nimmst und sofort eine Tierklinik aufsuchst – auch wenn dein Hund keine Schmerzen zeigt. Je früher Diagnose und Behandlung beginnen, desto besser stehen die Chancen auf eine vollständige Erholung.



