Wir alle kennen den Spruch vom “Bauchgefühl”. Doch was, wenn der Bauch deines Hundes tatsächlich seine Ängste steuert? Die Wissenschaft vom Hundemikrobiom (der Gesamtheit aller Bakterien im Darm) hat 2025 einen grossen Sprung gemacht. Die im Fachjournal iScience veröffentlichte Studie bestätigt eindrücklich, was viele Spezialisten lange vermutet haben: Die Zusammensetzung der Darmflora korreliert stark mit dem Angst- und Stressverhalten deines Vierbeiners.
Für dich als Hundehalter ist das eine bahnbrechende Erkenntnis. Sie zeigt, dass Verhaltenstraining und Ernährung eng zusammenhängen und dass der Weg zu einem entspannteren Hund möglicherweise auch über seinen Napf führt. Lass uns ins Detail gehen.
Die Entdeckung: Mikrobiom-Profile ängstlicher Hunde
Ziel der Forschung war es, die Darmflora von Hunden mit normalem Verhalten mit jener von Hunden zu vergleichen, die unter verschiedensten Angstzuständen leiden. Das Ergebnis ist eindeutig: Bei ängstlichen Hunden sieht das Mikrobiom anders aus.
Niedrige Vielfalt, spezifische Bakterien
Hunde, die zu Angst, Geräuschphobie oder Trennungsangst neigten, wiesen im Allgemeinen eine geringere bakterielle Vielfalt im Darm auf. Das ist vergleichbar mit einem Ökosystem, das labil und anfällig für Störungen ist. Ein artenreicher Darm ist ein robuster Darm.
Noch spannender: Bei Hunden mit stark ausgeprägtem Angstverhalten fanden die Forscher spezifische Auffälligkeiten:
- Erhöht: Bakterien wie Fusobacterium und Arten aus der Familie Peptococcaceae waren überrepräsentiert.
- Reduziert: Wichtige, oft als nützlich erachtete Bakterien wie Bifidobacterium und Lactobacillus (bekannt aus Joghurt) waren oft in geringerer Anzahl vorhanden.
Diese Verschiebung im Mikrobiom beeinflusst die Produktion von Botenstoffen, die direkt ins Gehirn gesendet werden (die sogenannte Darm-Hirn-Achse). Vereinfacht gesagt: Ein Ungleichgewicht im Darm kann die Ausschüttung von Stresshormonen und Neurotransmittern wie Serotonin stören.
Angst-Verhalten und das Mikrobiom: Was ist betroffen?
Die Studie untersuchte ein breites Spektrum an Ängsten und fand die stärksten Zusammenhänge insbesondere bei drei Verhaltensmustern, die du als Hundehalter oft im Alltag beobachtest:
Trennungsangst
Wenn dein Hund nicht alleine bleiben kann und dabei stark bellt, heult oder Dinge zerstört, deutet dies oft auf eine gestörte Stressregulation hin. Die Forschung legt nahe, dass ein unausgewogenes Mikrobiom diese emotionale Labilisierung verstärken könnte.
Geräuschangst und Phobien
Einige der Hunde mit den stärksten Abweichungen im Darmmikrobiom zeigten panische Reaktionen auf Geräusche (wie Gewitter oder Silvesterböller). Die Verbindung ist hier plausibel: Wenn der Darm im Alarmzustand ist, ist es der gesamte Organismus auch.
Angstbedingte Aggression
Hunde, die in bestimmten Situationen aus Angst aggressiv reagieren (z.B. beim Tierarzt oder wenn sie bedrängt werden), zeigten ebenfalls Auffälligkeiten. Die Stressverarbeitung, die hier gestört ist, beginnt möglicherweise schon im Verdauungstrakt.
Fazit für deinen Alltag: Der ganzheitliche Therapieansatz
Die Studie liefert zwar eine Korrelation (Zusammenhang), aber keinen Beweis, dass das falsche Futter allein die Angst verursacht. Sie zeigt aber: Wenn die Angst bereits da ist, können wir den Hund nicht optimal unterstützen, wenn wir den Bauch ignorieren.
Verhaltenstraining (gewaltfrei und evidenzbasiert) bleibt der Grundpfeiler jeder Angsttherapie. Die Ernährung ist nun jedoch ein gleichwertiger Partner in der Behandlung.
Was du sofort tun kannst (mit Absprache):
1. Die Ernährung optimieren
Ziel ist es, die Vielfalt der Darmbakterien zu erhöhen und die nützlichen Stämme (Bifidobacterium, Lactobacillus) zu fördern:
- Präbiotika: Das sind Ballaststoffe, die den guten Bakterien als Nahrung dienen (z.B. Inulin, Fructane, Kürbis, Karotten).
- Probiotika: Die direkte Zufuhr von nützlichen Bakterienkulturen über fermentierte Lebensmittel (wie Kefir, Joghurt ohne Zucker) oder spezielle Ergänzungsmittel.
- Fermentierte Lebensmittel: Sie liefern bereits aufgeschlossene Nährstoffe und eine hohe Bakteriendichte.
2. Stressmanagement priorisieren
Jede Stresssituation kann das Mikrobiom negativ beeinflussen. Umgekehrt gilt: Wenn das Mikrobiom stabilisiert wird, verbessert sich die Stressresilienz.
- Sorge für einen festen Tagesablauf.
- Reduziere unnötige Aufregung.
- Gib deinem Hund ausreichend Ruhe- und Schlafzeiten.
Wichtig: Bitte beginne bei Angststörungen nicht einfach mit Supplementen auf eigene Faust. Konsultiere immer deine Tierärztin oder einen auf Hundeernährung spezialisierten Tierarzt. Nur so kann eine gezielte Mikrobiom-Analyse und eine sichere Behandlung erfolgen.
Ausblick: Die Zukunft der personalisierten Ernährung
Diese Forschung ist erst der Anfang. Künftig wird es wahrscheinlich möglich sein, über eine einfache Stuhlprobe genau zu bestimmen, welche bakteriellen Ungleichgewichte vorliegen und welche Nährstoffe oder Probiotika deinem Hund individuell fehlen, um ihn auf dem Weg zu mehr Gelassenheit zu unterstützen. Wir halten dich auf auf dem Laufenden!



